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Invasive Arten - warum nicht einfach essen?

Amanda Coulson-Drasner
25. Oktober 2024

Eingeschleppte Tier- und Pflanzenarten breiten sich in ihrer neuen Heimat oft ungehindert aus und richten enorme Schäden an. Mancherorts landen fremde Arten auf dem Teller. Und das hilft den gefährdeten Ökosystemen.

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Wildschwein schaut beim Suhlen in einem Teich aus dem Wasser
Rund sechs Millionen Wildschweine leben in den USA - und das ist ein ProblemBild: Larry Ditto/Avalon/IMAGO

Als mir in der Küche des Restaurants Dai Due der strenge Geruch von gekochtem Schweinefleisch in die Nase steigt, beginne ich, an meinem Vorhaben zu zweifeln. Denn ich bin hier, in der Stadt Austin im US-Bundesstaat Texas, um genau dieses Fleisch zu essen. Dabei lebe ich aus Umweltgründen vegan. Und Schweinefleisch war das erste Fleisch, auf das ich verzichtete - schon vor mehr als zehn Jahren.

Doch das Fleisch, das ich gleich probieren will, ist nicht irgendein Schweinefleisch. Es stammt von einem wilden Schwein, einem sogenannten "feral hog" oder auch "Razorback". Und diese wilden Schweine zählen zu den invasiven Arten, die in den USA besonders viel Schaden anrichten. Ein solches Schwein sei besser tot als lebendig, heißt es hier. Und das bedeutet, dass in Texas das ganze Jahr über Jagdsaison ist. Die Behörden fordern ausdrücklich dazu auf, so viele wilde Schweine wie möglich zu töten.

Jesse Griffiths ist Miteigentümer und Küchenchef des Dai Due. Er legt großen Wert auf lokale Zutaten und Nachhaltigkeit - und setzt häufig Wildschwein auf seine Speisekarte. Griffiths sieht das Töten der wilden Schweine als ökologische Notwendigkeit an. Darüber hinaus seien sie nun mal unbestreitbar eine gute Proteinquelle. "Wenn ich gezwungen wäre, nur ein Fleisch zu nennen, das für uns besonders gut ist, müsste ich nicht einmal nachdenken: Es ist genau dieses hier."

DW-Reporterin Amanda Coulson-Drasner schaut zu, wie Küchenchef Jesse Griffiths ein Wildschwein zerteilt
Wildschwein: das erste Fleisch für mich seit vielen JahrenBild: Ryan Dowling

Warum sind Wildschweine in den USA ein Problem?

Wildschweine sind in den Vereinigten Staaten nicht heimisch; sie entstammen einer Kreuzung zwischen Wildschweinen, die zu Jagdzwecken in die USA eingeführt wurden, und den Hausschweinen, die die europäischen Eroberer mitbrachten. Da sie sich genauso schnell vermehren wie Hausschweine, ist ihre Zahl im Laufe der Jahre exponentiell angewachsen: auf schätzungsweise sechs Millionen Tiere in den USA. Rund die Hälfte der Tiere lebt im südlichen Bundesstaat Texas.

Die Ausweitung der landwirtschaftlichen Anbauflächen bot den Schweinen immer bessere Möglichkeiten: Große Getreidefelder locken als kostenlose Buffets und bieten den Tieren Schlafplätze und Verstecke vor Menschen. Zwar wurden einige Bestände zu Jagdzwecken umgesiedelt, dennoch führte die zunehmende Landwirtschaft dazu, dass sich die Tiere rasch vermehrten und viele Schäden anrichteten.

Die "Razorback" fressen nicht nur Nutzpflanzen, sie töten auch kleine Nutztiere und verursachen Schäden auf dem Land wie in den Städten. Nach Angaben von John M. Tomecek, Wildtierbiologe an der Texas A&M University, belaufen sich die Schäden auf mehr als 500 Millionen Dollar pro Jahr.

Die Schäden, die die Schweine in den Ökosystemen selbst anrichten, sind weitaus schwieriger zu beziffern. Dazu zählt ihr Appetit auf Baumsamen sowie auf Eier von Vögeln und Schildkröten. Sie schädigen aber auch empfindliche Böden, in denen sie nach Nahrung wühlen, und verschmutzen Bäche, Seen und Flüsse mit ihren Fäkalien. In manchen Gegenden werden sie zwar von Bären und gelegentlich auch von Berglöwen gejagt. In Texas aber gibt es keine Raubtiere, die Schweine auf dem Speiseplan haben.

Nahaufnahme eines von einem Wildschwein zerwühlten Feldes
In diesem Maisfeld haben Wildscheine ihr Unwesen getriebenBild: USDA APHIS

Invasive Arten verursachen weltweit enorme Schäden

Diese Eigenschaft teilen sie mit vielen invasiven Arten auf der ganzen Welt, zum Beispiel mit dem im Südpazifik und im Indischen Ozean beheimateten Rotfeuerfisch, der sich in der Karibik und im Mittelmeer breit macht; oder mit den in Asien beheimateten Chinesischen Weinbergschnecken, die in den USA und in Kanada Probleme verursachen. Wenn sich eine nicht heimische Art in einem neuen Lebensraum niederlässt und es nichts gibt, das sie in Schach hält, ist es in der Regel unglaublich schwierig, ihre massive Ausbreitung zu verhindern.

Laut der Intergovernmental Science-Policy Platform on Biodiversity and Ecosystem Services (IPBES) spielen invasive Arten eine Schlüsselrolle bei 60 Prozent des weltweiten Artensterbens. Die durch sie verursachten Schäden belaufen sich laut einer Erhebung von 2019 inzwischen auf mehr als 420 Milliarden US-Dollar pro Jahr. Seit 1970 haben sich diese Schäden in jedem Jahrzehnt vervierfacht.

Um die Ausbreitung von nicht heimischen Pflanzen und Tiere zu stoppen, müsse man verhindern, dass sie sich überhaupt etablieren, sagt Morelia Camacho-Cervantes, Biologin und Leiterin des Labors für invasive Arten an der Nationalen Autonomen Universität von Mexiko. "Wenn sie erst einmal dort angekommen sind, wo sie nicht hingehören, muss man sie ziemlich schnell ausrotten", sagt sie. "Und mit Ausrottung meine ich wirklich Vernichtung."

Invasive Arten: Töten, um die Umwelt zu schützen?

Wie kann man invasive Arten ausrotten?

Es gibt verschiedene Möglichkeiten, dies zu tun. Die Wildschweine etwa können zunächst in großen Gruppen gefangen und getötet, oder aber durch Giftköder dezimiert werden. Da Schweine sehr intelligent sind, raten Expertinnen und Experten dazu, am besten die ganze Herde auszurotten, damit sich die Tiere nicht gegenseitig beibringen können, wie man Menschen meidet.

Für Texas empfiehlt das US-Landwirtschaftsministerium, die Schweine aus Hubschraubern heraus abzuschießen. Dies sei die einfachste Methode. Auch im Fall anderer invasiver Spezies ermuntern die Behörden Bürgerinnen und Bürger aktiv dazu, invasive Arten zu töten. Solche Aufrufe gelten etwa für invasive Laternenfliegen im Nordosten der USA oder auch für Ziegen und Ratten auf den Inseln Mexikos.

Der Rotfeuerfisch steht in Mexiko auf der Speisekarte

Vielen Menschen fällt es offenbar leichter, einer invasiven Art den Kampf anzusagen, wenn man diese essen kann - wie den invasiven Rotfeuerfisch in der mexikanischen Karibik.

"Die Menschen begannen die Fische zu fangen, um sie zu verzehren", berichtet Camacho-Cervantes. "Sie entwickelten kreative Rezepte für die Zubereitung, und sie haben sehr viel Fisch verkaufen können - also haben sie viel gefischt. Und inzwischen sind die Bestände sehr klein."

Belize: Kampf gegen die Feuerfisch-Invasion

Die Zahl der Wildschweine in Texas ist dagegen noch nicht unter Kontrolle. Und angesichts der rasanten Vermehrungsrate ist laut Restaurantbesitzer Griffiths nicht absehbar, dass sich das schnell ändert. "Wir müssen jedes Jahr etwa 70 Prozent von ihnen töten, um die Bestände auf dem aktuellen Stand zu halten", sagt er, während er fachmännisch ein totes Schwein zerlegt.

Der Verzehr von Wildschweinen aus Texas habe aber noch einen weiteren Vorteil, meint der Koch. "Jedes Pfund Wildschwein, das wir servieren können, ist ein Pfund weniger Fleisch aus industrieller Tierhaltung."

Daran denke ich, als ich meinen ersten Bissen Schweinefleisch seit vielen Jahren zu mir nehme - und es macht es mir leichter, ein Tier zu essen. Ich muss zugeben: Es schmeckt unerwartet gut - köstlich sogar. Dennoch: Ich persönlich werde wohl auch in Zukunft lieber bei Gemüse bleiben.

Redaktion: Tamsin Walker

Adaption aus dem Englischen: Jeannette Cwienk

Quellen unter anderen:

National Invasive Species Information Center:

https://www.invasivespeciesinfo.gov/terrestrial/vertebrates/wild-boar 

NOAA Fisheries: Impacts of Invasive Lionfish: https://www.fisheries.noaa.gov/southeast/ecosystems/impacts-invasive-lionfish

Invasive species around the world (IPBES Report): https://www.ipbes.net/IASmediarelease