Warum der Papst nicht nach Argentinien reist
16. Januar 2018Johannes Paul II. besuchte Polen wenige Monate nach Antritt seines Amtes als Papst. Benedikt XVI. reiste als erstes in sein Heimatland Deutschland. Doch sein Nachfolger Franziskus meidet Argentinien nach wie vor. Eine der gängigsten Theorien, um das Verhalten des südamerikanischen Papstes zu erklären, ist die politische Spaltung der argentinischen Gesellschaft, in der sich Anhänger des rechtsgerichteten Präsidenten Mauricio Macri und Anhänger der linksgerichteten Expräsidentin Cristina Fernández de Kirchner gegenüberstehen.
"In Argentinien sind wir uns nicht der internationalen Dimension Franziskus' und seiner Führungsrolle bewusst, weil wir ihn stets aus dem Blickwinkel der Konfrontation im eigenen Land sehen", sagt Papst-Biograph Marcelo Larraquy.
Ein angespanntes Verhältnis
Nach Meinung des Soziologen Fortunato Mallimaci ist Argentinien außerdem das einzige Land, in dem Franziskus auch als der Bürger Jorge Bergoglio wahrgenommen wird. Somit würden auch seine Vergangenheit, Freundschaften, Widersprüchlichkeiten und Beziehungen eine wichtige Rolle spielen.
Es ist ein offenes Geheimnis, dass der Papst gewisse Maßnahmen der argentinischen Regierung missbilligt. Laut Mallimachi distanziert sich Franziskus immer mehr von der neoliberalen Wirtschafts- und Sozialpolitik Macris. Die argentinische Regierung wiederum fand keinen großen Gefallen daran, dass der Papst der Kirchner-Aktivistin Milagro Sala, die seit 2016 im Gefängnis sitzt, einen Rosenkranz schickte oder die Anführerin der sozialen Bewegung Mütter der Plaza de Mayo, Hebe de Bonafini, im Vatikan empfing. Dies seien nur priesterliche Gesten gewesen, so Marcelo Figueroa, Direktor der argentinischen Ausgabe der Zeitung "L’Osservatore Romano".
Politische Instrumentalisierung des Papstes
Nicht wenige werfen dem Papst vor, ein peronistischer Populist zu sein. "Obwohl er eine klassische peronistische politische Ausbildung genoss, ist seine Politik nicht peronistisch", meint Larraquy. Sein Populismus bestehe darin, sich der Volkskultur aus einer theologischen Perspektive zu nähern.
Während seiner Zeit als Erzbischof von Buenos Aires war die Beziehung Jorge Bergoglios zum damaligen Präsidenten Nestor Kirchner eher angespannt. Er warf dessen Witwe und Nachfolgerin Cristina Fernandez de Kirchner sogar vor, "die Gedanken homogenisieren" zu wollen und "soziale Spannung" zu schüren.
Figueroa erinnert daran, dass Personen, die dem Peronismus nahestehen, versucht haben, den Papst mit der argentinischen Diktatur in Zusammenhang zu bringen, obwohl die Tatsachen genau das Gegenteil bewiesen. "Der Papst hat nicht zur Spaltung der Gesellschaft beigetragen, aber Vertreter beider Seiten haben ihn in die Spalte gedrängt."
Gesten der Annäherung
Vor einigen Tagen bestätigte die argentinische Bischofskonferenz, dass der Papst auf den richtigen Moment warte, um Argentinien zu besuchen. Er beobachte den Prozess, der in seinem Heimatland vonstatten ginge. Auch aus der Ferne ist seine Versöhnungsbotschaft für das südamerikanische Land klar, so Figueroa. 2016 ließ Franziskus die Akten der katholischen Kirche über die Militärdiktatur in Argentinien (1976 bis 1983) öffnen. Vor kurzem veranlasste er die Veröffentlichung des Registers der Kinder, die in der sogenannten Mechanikerschule der Marine (ESMA) getauft wurden. Die Ausbildungsstätte diente während der Militärdiktatur als Geheimgefängnis und Folterzentrum.
Viele Kandidaten und Politiker in Argentinien haben bisher versucht, die Figur des Papstes für ihre Zwecke zu nutzen. Ständig würde er mit bestimmten Personen in Verbindung gebracht, was Verwirrung stifte. Das argentinische Bischofsamt spricht sogar von "Beleidigungen" und "Diffamierung".
Letztendlich sollte man die Gründe, weshalb Franziskus seit Heimatland nicht besucht, nicht in ihm suchen. Bereits vor zwei Jahren sagte der Papst zu seinen Landsleuten: "Ihr wisst gar nicht, wie gerne ich euch wiedersehen würde. Aber die Welt ist größer als Argentinien."