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Politik

Grenze dicht ist anders

13. Juli 2018

Offiziell, um die Sicherheit der EU-Innenminister in Innsbruck zu garantieren, kontrolliert Österreich den wichtigsten Grenzpass. Doch tatsächlich ist es wohl ein Probelauf zur Migrantensuche. Von Bernd Riegert, Brenner.

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Brennerpass Grenzkontrolle
Bild: DW/Bernd Riegert

In Richtung Österreich haben die österreichische und die italienische Polizei von Montag bis heute die Autobahn, die Dorfstraße und den Bahnhof in "Brennero", dem verschlafenen Ort am Brennerpass, kontrolliert. Allerdings nur stichprobenartig, erklärt ein Polizeibeamter am provisorisch errichteten Grenzübergang an der Dorfstraße. Die Beamten schauen in die Fahrzeuge, die auf der Autobahn auf 30 Stundenkilometer abgebremst werden, im Ortskern auf 10. Ganz selten wird ein Wagen angehalten. Meistens sind das Kleinlaster oder Familien-Vans, in denen sich illegal eingereiste Migranten und Störer verstecken könnten, sagt ein italienischer Carabinieri. Die offizielle Begründung für die Grenzkontrollen ist allerdings das EU-Innenministertreffen, das vor Anschlägen, Terror und Demonstranten geschützt werden müsse. So jedenfalls haben der österreichische und der italienische Innenminister gegenüber der EU-Kommission argumentiert, die die Grenzkontrollen genehmigen musste. An der "Schengengrenze" zwischen Italien und Österreich sind systematische Personenkontrollen nämlich wie an allen "Schengengrenzen" nur im Ausnahmefall zulässig.

Brennerpass Grenzkontrolle
Würstchenbude am Bahnhof: Alles geht seinen GangBild: DW/Bernd Riegert
Brennerpass Grenzkontrolle
Italienisches Polizeifahrzeug vor dem Bahnhof von "Brennero"Bild: DW/Bernd Riegert

Ab und zu stauen sich ein paar Fahrzeuge auf der Dorfstraße in "Brennero", wenn ein Wagen herausgewunken wird. Auf der Autobahn war der Stau in den vergangenen Tagen auch schon mal vierhundert Meter lang, aber viel kürzer als man erwartet habe, meinen die Polizisten, die ihre Namen nicht nennen wollen. Ansonsten nehmen die Dorfbewohner und die Touristen, die das Outlet-Center Brenner besuchen, die eigentliche Attraktion des Grenzpasses, wenig Notiz von den vielen Polizisten. An der Würstchenbude direkt neben dem Bahnhof ist an diesem Mittag viel Betrieb. Der Wirt meint, man müsse wegen der Migranten kontrollieren. "Jetzt ist es halt wie früher vor Schengen", sagt der Mann und zuckt mit den Schultern. Ein, zwei Kunden der Würstchenbude halten die Kontrollen für unnötig, andere finden sie ganz richtig. "Aber wieso wegen des Innenministertreffens in Innsbruck? Das ist doch weit weg", fragt sich Max Kobl, Gemüsehändler aus "Brennero".

Brennerpass Grenzkontrolle
Wenig Andrang: Italienischer Polizist in der BahnhofsunterführungBild: DW/Bernd Riegert

Vor dem Bahnhof trinken einige Polizisten in der Mittagssonne einen Kaffee oder legen eine Raucherpause ein. Besonders hektisch geht es nicht zu. Alle halbe Stunde fährt die S-Bahn nach Innsbruck. Dann wird auf dem österreichischen Bahnsteig kontrolliert, ob vielleicht ein illegal eingereister Migrant zusteigen möchte. Der größte Teil des Bahnhofs liegt auf italienischer Seite. Dort kommen die Züge aus Bozen und Meran an. Auch die Güterzüge, die hier Halt machen, werden untersucht. Manchmal verstecken sich Asylsuchende in oder unter leeren Waggons. Wann er den letzten Migrant hier aus einem Zug geholt hat, daran kann sich der Polizist am Bahnsteig nicht so recht erinnern. "Aber es kommt vor, hin und wieder", sagt er.

Brennerpass Grenzkontrolle
Abschreckende Wirkung: Bahnmitarbeiter kontrollieren die offenen Güterwaggons, die mit Netzen vor blinden Passagieren geschützt werden. Bild: DW/Bernd Riegert

Die vorläufige Bilanz nach vier Tagen Grenzkontrollen an den Grenzen nach Deutschland und Italien: Insgesamt 100 Grenzpolizisten haben 46 Personen an den Grenzübergängen Brenner und Kufstein aufgegriffen, wie es in einer Meldung der österreichischen Nachrichtenagentur APA heißt. 26 davon hatten keinen gültigen Pass oder Personalausweis dabei. Sieben Migranten wurden in einem Güterzug gefunden. Zwei Personen werden verdächtigt, Schlepper zu sein. Im gleichen Zeitraum haben sich sieben Personen selbst bei der Polizei gemeldet, um in Österreich einen Asylantrag zu stellen. Acht Personen wurden von Italien und Deutschland aus nach Österreich zurückgewiesen, weil sie bereits in einem anderen EU-Land als Asylsuchende registriert waren.

Brennerpass Grenzkontrolle
"Brennero" erinnert mit dieser Marmortafel an den berühmten "Migranten": Goethe übernachtete hier auf einer Reise nach Italien. "Eingeklemmt zwischen Nord und Süd" fühlte er sich laut Inschrift. Bild: DW/Bernd Riegert

Der Landeshauptmann des Bundeslandes Tirol hat die Grenzkontrollen inzwischen kritisiert. Günther Platter sagte bei einem Empfang für die EU-Innenminister in Innsbruck, bei nationalen Maßnahmen wie Transitzentren in Deutschland wäre Tirol besonders mit der Brennergrenze betroffen. Österreich würde dann seine Kontrollen verstärken. Mit dem Schließen von innereuropäischen Grenzen würde, so der Landeshauptmann, weniger die illegale Migration bekämpft als mehr die Wirtschaft und der normale Reiseverkehr geschädigt.

Porträt eines Mannes mit blauem Sakko und roter Krawatte
Bernd Riegert Korrespondent in Brüssel mit Blick auf Menschen, Geschichten und Politik in der Europäischen Union