Ägypten arbeitet jüngere Vergangenheit auf
20. April 2011Vor einigen Monaten wäre dies noch unmöglich gewesen. Ungeschminkt benennt die mit Richtern besetzte Untersuchungskommission den gestürzten Präsidenten Husni Mubarak als einen Verantwortlichen für die Toten während der Proteste im Januar und Februar. Der Generalsekretär der Kommission, Richter Omar Marwan, nannte am Dienstag (19.04.2011) die Zahlen. Bei der Vorstellung eines Berichts zur Gewalt gegen die Demonstranten, sagte er, es seien während der 18-tägigen Proteste, die am 11. Februar schließlich zum Rücktritt Mubaraks führten, insgesamt 846 Zivilisten und 26 Polizisten getötet worden. Diese Zahlen sind doppelt so hoch wie bisherige Schätzungen. Zuvor waren die Behörden von 365 Todesopfern ausgegangen.
Mubarak gab Befehl für Schusswaffeneinsatz
Die Kommission wirft der Polizei in dem Bericht zudem exzessiven Einsatz von Gewalt gegen die Demonstranten vor. Demnach schoss sie auch auf Anwohner, die aus Fenstern und von Balkonen die Proteste filmten. Es sei bestätigt worden, dass es für den Einsatz scharfer Munition einer vorherigen Erlaubnis von Mubarak bedurft hätte, sagte Marwan. Die Tatsache, dass die Schützen auch nach Tagen nicht zur Rechenschaft gezogen worden seien, bestätige die Billigung und Verantwortung des damaligen Präsidenten, sagte Marwan.
Dem Bericht zufolge wurden die meisten Opfer am Kopf oder in der Brust getroffen, was auf den Einsatz von Scharfschützen hindeute. Es seien Mitglieder der Anti-Terror-Kräfte des inzwischen aufgelösten Staatssicherheitsdienstes gegen die Demonstranten eingesetzt worden, sagte Marwan. Der Bericht stützt sich auf Aussagen von Beamten und Augenzeugen, sowie Videomaterial und Aufnahmen von Personen, die vor Ort waren.
Mubarak, der sich derzeit in einem Krankenhaus in dem Badeort Scharm el Scheich befindet, ist im Rahmen der Ermittlungen zwei Wochen in Untersuchungshaft genommen worden. Sein früherer Innenminister Habib el Adli muss sich wegen des Einsatzes von Gewalt derzeit vor Gericht verantworten.
Ägypten will Rechtsstaat werden
Die Zahlen wurden parallel zu einem Besuch von Bundesaußenminister Guido Westerwelle in Ägypten bekanntgegeben. Westerwelle traf sich in Kairo mit seinem Amtskollegen Nabil el Arabi, der deutlich machte, dass Ägypten eine Anerkennung des Internationalen Strafgerichtshofs in Den Haag plane. Auch andere Menschenrechtsabkommen sollen unterzeichnet werden. Sein Land arbeite nach dem Sturz von Mubarak hart daran, ein Rechtsstaat zu werden.
Autor: Walter Lausch (afp, dapd)
Redaktion: Eleonore Uhlich