Zäune und Mauern auf der Balkanroute
24. September 2016Es ist das dritte Treffen seiner Art in Wien und Bundeskanzlerin Angela Merkel hat sich längst an die Spitze der Bewegung gesetzt: "Wir haben viel geschafft", fasst sie zusammen - jedenfalls im Verhältnis zur Lage vor einem Jahr. Damals verkörperte sie noch die Willkommenskultur in Europa. Davon ist längst keine Rede mehr. Stattdessen sagt sie, man müsse "illegale Migration so weit wie möglich stoppen". Merkel habe kritisiert, so berichtete ihr österreichischer Kollege Christian Kern nach den Gesprächen, dass seit Februar erneut 50.000 Flüchtlinge über die Balkanroute gekommen seien. Die Regierungschefs der elf Anrainerstaaten wollen sie noch hermetischer abriegeln.
Das Treffen bringt kaum neue Erkenntnisse, nur der Tonfall der Regierenden nähert sich zunehmend an. Wo es im vorigen Jahr noch Meinungsverschiedenheiten gab, betonen jetzt alle, wie wichtig rund tausend neue EU Grenzschützer seien, die im Rahmen von Frontex eingesetzt werden sollen. Und Österreichs Kanzler fügt hinzu, wenn der Schutz der Außengrenzen nicht gelänge, dann handelten die Länder national, auch Österreich. Das hätte dann wirtschaftliche Folgen und Konsequenzen für Touristen und Pendler.
Angela Merkel betont immer wieder das Gemeinsame und den Erfolg des von ihr ausgehandelten EU-Türkei-Abkommens. Sie sieht es als Blaupause für weitere Verträge, vor allem mit Ägypten, das gerade zur Drehscheibe der jüngsten Wanderungswelle wird. Aber auch Pakistan und Afghanistan stehen weiter auf der Liste der Staaten, mit denen die EU entsprechende Abkommen schließen möchte. Die Gespräche gehen allerdings kaum voran. Ziel sei es, so die Kanzlerin einmal mehr, alle Migranten, die nicht aus humanitären Gründen in Europa bleiben dürften, so schnell wie möglich zurückzuschicken. Aber davon ist die EU nach wie vor weit entfernt.
Kritik an Griechenland
Einmal mehr musste sich der griechische Ministerpräsident Alexis Tsipras Kritik anhören - auch von Angela Merkel. 60.000 Flüchtlinge stauen sich derzeit in Griechenland, vor allem weil die Rückführung in die Türkei nicht klappt, so die Kanzlerin. Athen brauche mehr Hilfe aus der EU. Tatsächlich dauern die Asylverfahren extrem lange. "Kann es ein Dauerzustand sein, dass Griechenland die Menschen nicht zurückschickt?", fragt der österreichische Kanzler rhetorisch.
Tsipras wiederum weist mit dem Finger auf gebrochene Versprechen der EU-Mitgliedsländer: 5000 Flüchtlinge seien ausgewählt für die Umverteilung in andere europäische Länder, aber die haben bisher nur rund 500 aufgenommen. Angela Merkel betont, Deutschland sei bereit, einige hundert Menschen pro Monat aus Griechenland und Italien einreisen zu lassen, aber auch andere EU-Länder müssten ihren Beitrag leisten. Und da gebe es kaum Bewegung - und gar keine bei der Regierung Ungarns.
Auch in Mazedonien, Serbien und Bulgarien sitzen inzwischen einige tausend Flüchtlinge fest. Diese Länder sind ihrerseits nicht zufrieden mit dem, was die EU an Hilfen anbietet. Mehrere Regierungschefs, vor allem der Serbe Aleksandar Vucic, fordern entsprechende Unterstützung an.
Harte Linie wird EU-Politik
Der Präsident des Europäischen Rates, Donald Tusk, formuliert seit einigen Monaten seine Position zunehmend kompromisslos. "Die Westbalkanroute muss auf Dauer geschlossen bleiben", betont er in Wien. Das Wichtigste sei der Schutz der Außengrenzen der EU. Keine Rede mehr von Aufnahme und Verteilung der Schutzsuchenden.
Wie inzwischen üblich, profiliert sich in Wien wieder Ungarns Ministerpräsident Viktor Orban mit seiner Anti-Flüchtlings-Rhetorik. Er will ein riesiges Lager an der Küste Libyens einrichten und alle, die in Europa ankommen, dorthin verfrachten. Die EU müsse totale Kontrolle über ihre Außengrenzen haben und das schließe das Mittelmeer ein. Wer dort aus dem Wasser gefischt werde, solle einfach in Libyen abgeladen werden. Orban hat sich in seiner Rolle als Provokateur in der EU dauerhaft eingerichtet - dazu gehört auch das Referendum gegen die Aufnahme von Flüchtlingen Anfang Oktober, für das er gerade sein Land aufstachelt.