Zweifel an Ankündigung im Internet
13. März 2009Ein Polizeisprecher erklärte am Donnerstag (12.03.2009), auf dem Computer des Amokläufers hätten sich definitiv keine entsprechenden Beweise gefunden. Baden-Württembergs Innenminister Heribert Rech (CDU) hatte zuvor erklärt, der Täter habe in der Nacht vor der Tat in einem Internetchat seine Tat angekündigt. "Es reicht mir. Ich habe dieses Lotterleben satt. Immer dasselbe Lotterleben – alle lachen mich aus, niemand erkennt mein Potenzial. Ich meine es ernst, ich habe Waffen hier, und ich werde morgen früh an meine frühere Schule gehen und mal so richtig gepflegt grillen", soll er gegen 2.45 Uhr in einem Internetportal geschrieben haben. Nach Bekanntwerden des Blutbads in Winnenden habe ein Jugendlicher in Bayern seinen Vater auf diese Konversation hingewiesen, sie aber während des Chats nicht ernstgenommen.
Noch am Donnerstagnachmittag hatte die Staatsanwaltschaft die Echtheit eines Chat-Protokolls bestätigt. Am Abend erklärte ein Polizeisprecher dann jedoch, dieses Protokoll habe sich nicht auf dem Rechner befunden, woraufhin auch die Staatsanwaltschaft erhebliche Zweifel an ihrer früheren Darstellung einräumte.
In psychiatrischer Behandlung
Weiter wurde bekannt, dass sich Tim K. seit 2008 wegen Depressionen in psychiatrischer Behandlung befand. Er sei zeitweise auch stationär behandelt worden. Die Therapie sollte in einer Klinik in Winnenden fortgesetzt werden, wurde vom Täter aber abgebrochen. Der 17-Jährige hatte auf seiner Flucht auch einen Mann vor der Klinik erschossen.
Der Amokläufer sei im Umgang mit Schusswaffen sehr geübt gewesen, hieß es auf einer Pressekonferenz. Er war Gastschütze im Schützenverein seines Vaters, aber kein eingetragenes Mitglied. Tim K. gab ingesamt über 100 Schüsse ab, 60 in der Schule, weitere 44 am Ende seiner Flucht in Wendlingen. Der Vater des Amokläufers habe in seinem Waffenschrank 4600 Schuss Munition verwahrt.
Täter richtete sich selbst
Nach Angaben des Stuttgarter Staatsanwalts Siegfried Mahler habe der 17-Jährige zuletzt ein Berufskolleg besucht zur Vorbereitung auf einen kaufmännischen Beruf. Er habe sich zudem mit Gewaltspielen beschäftigt und Stunden vor dem Computer verbracht. Außerdem wurden im Zimmer des 17-Jährigen neben Horrorfilmen auch handschriftliche Aufzeichnungen mit Titeln wie "Tod aus Spaß" entdeckt.
Hans-Dieter Wagner, Leitender Polizeidirektor von Esslingen, bestätigte, dass Tim K. sich selbst gerichtet habe. Er habe sich mit seiner eigenen Waffe erschossen.
Der Vater der Attentäters besaß mehrere Waffen, die bis auf die großkalibrige Tatwaffe in einem Tresor weggesperrt und mit einem achtstelligen Zahlencode gesichert waren. Teile der Waffenmunition waren im Schlafzimmer der Eltern versteckt, die Tim K. mitnahm. Auch die Tatwaffe soll sich dort befunden haben. Gegen den Vater wurde bislang kein Ermittlungsverfahren eingeleitet, möglicherweise führt die offene Waffenaufbewahrung aber noch dazu, dass er sich wegen fahrlässiger Tötung vor Gericht verantworten muss. Die Eltern haben ihren Wohnort Leutenbach inzwischen verlassen. Sie wollten in Ruhe gelassen werden und "werden nicht von der Polizei geschützt", sagte ein Polizeisprecher.
Trittbrettfahrer
Nach dem Amoklauf in Winnenden hat es in Baden-Württemberg sechs Amokdrohungen gegeben. Die Polizei nannte Schulen im Großraum Stuttgart sowie in Pforzheim, Ulm, Freiburg, Metzingen und Esslingen. Die Schulen würden verstärkt von der Polizei beobachtet.
Die Lehrergewerkschaften forderten den verstärkten Einsatz von Schulpsychologen. Sie wiesen auf die im internationalen Vergleich schlechte personelle Ausstattung der deutschen Schulen mit Psychologen hin. Sie räumen allerdings ein, dass nicht sicher sei, ob dies den Amoklauf von Winnenden verhindert hätte.
Schäuble will Waffenrecht nicht ändern
Bundesinnenminister Wolfgang Schäuble lehnte eine Verschärfung des Waffenrechts nach dem Amoklauf ab. "Ich kann überhaupt nicht erkennen, welche wie immer geartete Änderung am Waffenrecht an dem Geschehen etwas geändert hätte", sagte der CDU-Politiker am Donnerstag in Berlin.
Auch zu strikteren Zugangskontrollen an Schulen äußerte sich Schäuble skeptisch. Eine Schleuse hätte auch nicht verhindern können, "dass da irgendeiner mit der Waffe reinstürzt", sagte er. "Ich glaube jedenfalls nicht, dass wir alle unsere Schulen in unserem Lande in waffenstarrende Festungen verändern sollten." Vielmehr müsse der Zugang zu Gewaltdarstellung in den Medien beschränkt werden, forderte der Innenminister.
Der Vorsitzende des Bundestags-Innenausschusses, Sebastian Edathy (SPD), schließlich schlug die Verwendung von Metalldetektoren vor. Sie müssten in allen Schulen zum Einsatz kommen, in denen bekanntermaßen Waffen im Umlauf seien. (al/mas/sti/dpa/reuters)