Zwei Jahre sind nicht genug - Bildungsperspektiven in Togo
12. Mai 2006"Meine Eltern hatten kein Geld, mich zur Schule zu schicken", sagt Kossiwavi. Sie arbeitet als Kellnerin in Tsévié, einer kleinen Stadt 35 km nördlich der Hauptstadt Lomé. Lesen und Schreiben kann sie nicht. "Ich habe erst verstanden, wie wichtig das ist, als ich einen Scheck bekam, den ich nicht lesen konnte." Kossiwavi ging von Haus zu Haus, bis sie jemanden gefunden hatte, der ihr vorlas, was auf dem Scheck stand. "Ich habe mich wirklich sehr geschämt", sagt sie, "und beschloss, mein beiden Töchter zur Schule zu schicken." Ein teurer Vorsatz.
Bildung ist teuer
Umgerechnet rund 4 Euro beträgt das Schulgeld an öffentlichen Grundschulen. Für die meisten Togolesen ist das zuviel. Zumal sie oft zusätzliche Beiträge leisten müssen, damit bei der wachsenden Schülerzahl neue Lehrer eingestellt werden können. "Fast jeden Tag kommen Mütter zu uns, die uns weinend bitten, Ihr Kind weiter am Unterricht teilnehmen zu lassen und versprechen, dass sie das Geld später bringen", erzählt Schuldirektor Hyacinthe Ahebla. Er fordert, dass sich der Staat stärker dafür einsetzt, die Schulgebühren zu senken.
Tradition ist kostbar
Aber es ist nicht nur die Armut, die die Kinder nach wenigen Jahren Grundschule auf die Felder oder an den Herd (zurück-)treibt. Schuld daran ist auch die Tradition. Sie richtet sich vor allem gegen die Bildung der Mädchen. Für die Menschen auf dem Land ist es noch immer '"Verschwendung und reine Vergeudung der Zeit", ihre Mädchen zur Schule zu schicken, sagt Gesundheitsministerin Suzanne Aho. Viele Togolesen würden damit argumentieren, dass "alle Mädchen doch früher oder später einen Mann fänden, von dem sie schwanger werden" und den sie dann heiraten würden. Die Kinder selbst können keinen Einspruch erheben. Denn "das, was der Älteste sagt, muss der Jüngere respektieren", sagt Raphael Maglo, Leiter der Grundschule in Tsévié. Wegen des traditionellen Ältestenrechts könnten Eltern "schlecht Wünsche, Vorschläge oder Bitten von ihren Kindern annehmen."
Kinder als Ware!
Bei Dédé führte das soweit, dass ihre Mutter sie nicht in die Schule, sondern mit einer wildfremden Frau nach Gabun schickte. Dort musste Dédé als Köchin arbeiten. "Die Frau war sehr unfreundlich und hat mich misshandelt", erinnert sie sich. Den Lohn, auf den Dédés Mutter gehofft hatte, bekam die Tochter nie ausgezahlt. "Die Kinder werden wie Tauschobjekte betrachtet", sagt Gesundheitsminister Suzanne Aho - "wie eine Ware, die man gegen ein Fahrrad oder gegen einen Stromaggregat tauscht." Zwölf Prozent der togolesischen Kinder werden laut einer Studie des Kinderhilfswerks "Plan International" von Mai 2005 wie Sklaven in ferne Städte und Länder verkauft. Nur langsam begreifen manche Eltern, dass gebildeter Nachwuchs die beste Existenzsicherung ist.
Eltern als Motor?
Damit mehr Mädchen zur Schule gehen können, hat die Regierung die Schulgebühren für Mädchen halbiert. Außerdem gewährt sie den Bauern Kredite, mit denen sie zunächst das Schulgeld bezahlen können und die sie dann in Naturalien zurückzahlen dürfen. Aber wenn es nach dem Generalsekretär des Obersten Rates des staatlichen Bildungswesens, nach Yao Bagnabana geht, dann sollen Eltern und Gemeinden mehr in das Bildungswesen investieren. "Der Staat kann sie mit Subventionen unterstützen", sagt er, "aber das Schulleben an sich ist Sache der Eltern."
Entwicklungsinitiativen als Schlüssel
Den Eltern dabei zu helfen, haben sich Internationale Organisationen wie "Unicef" und "Plan" zur Aufgabe gemacht. "Dabei gehe es uns um eine "nachhaltige Entwicklung"", sagt Stéfanie Conrad von "Plan Togo". Und nicht um schnelle Finanzspritzen, die die Familien abhängig machen. Deshalb übernimmt die Organisation nicht einfach so die Schulgebühren. Es sei besser, "die Leistung der Familien insgesamt zu steigern, so dass ihre landwirt-schaftliche Produktivität sich verbessert oder Märkte für ihre Waren geschaffen werden", meint Conrad. "Plan" arbeitet eng mit Komitees in den Dörfern zusammen. Auch im Kampf gegen den Kinderhandel. In Sokodé haben Entwicklungshelfer, Dorfbewohner und Kinder gemeinsam beraten, was zu tun ist. Die Kinder wüssten am besten Bescheid, sagt Stéfanie Conrad. Und sie seien "die besten Anwälte für ihre eigenen Rechte."