Zwanziger ignoriert Frist, Netzer klagt
30. Oktober 2015Günter Netzer und Theo Zwanziger bekämpfen sich mit Haken, Ösen und Paragraphen - die Schlammschlacht um Millionen-Schiebereien und einen angeblichen Stimmenkauf für das Sommermärchen landet vor Gericht. Die Schlüsselfigur Zwanziger hat eine Unterlassungsaufforderung Netzers mit Fristablauf Freitag 14.00 Uhr "selbstverständlich nicht unterschrieben" und lässt es gelassen auf eine Klage Netzers und einen Prozess ankommen. Die Klage kündigte Netzers Anwalt Ralf Höcker kurz nach Verstreichen der Frist an: "Herr Zwanziger zieht leider einen für ihn aussichtslosen Prozess vor. Wir werden daher nun eine Klage vorbereiten und sie zügig einreichen."
Zwei Alphatiere des deutschen Fußballs prallen krachend aufeinander. "Soll er doch klagen!", höhnte Zwanziger, der ehemalige Präsident des Deutschen Fußball-Bundes (DFB) im Gespräch mit dem Sportinformationsdienst (SID) voller Selbstbewusstsein. "Warum sollte ich bitte unterschreiben, dass ich gelogen habe, wenn ich die Wahrheit sage?" Der ehemalige DFB-Präsident behauptete, der frühere WM-Botschafter Netzer habe ihm 2012 in Zürich nebenbei berichtet, mit der Millionensumme seien die vier asiatischen Stimmen für die WM-Vergabe an Deutschland gekauft worden. Netzer dementiert das. Nach dem Verbleib und dem genauen Verwendungszweck wird immer noch gefahndet.
Eine Schlüsselrolle kommt nun Netzers Ehefrau Elvira zu, die bei dem Treffen in Zürich anwesend war. Angeblich, so Netzer, kann sie bezeugen, dass Zwanziger lüge. Doch der griff Elvira Netzer scharf an: "Soll sie doch den Meineid schwören! Das ist mir egal", sagte der 70-Jährige dazu am Telefon lachend. Sie sei zwar "in der Öffentlichkeit beim Gespräch zugegen" gewesen. Allerdings, so Zwanziger, sei sie als Entlastungszeugin für Netzer ungeeignet: "20 Minuten war sie dabei, das Gespräch ging aber etwa eine Stunde. Das haben viele Leute gesehen." Daraus leitet Zwanziger ab, es müsse weitere, neutralere Zeugen geben: "Netzer geht ein hohes Risiko. Wir wurden ganz bestimmt auch zu zweit gesehen."
Niersbach unter Druck
Im Schatten dieses "Hahnenkampfes" wächst der Druck auf den DFB und dessen aktuellen Präsidenten Wolfgang Niersbach. In der Politik wurde erstmals die Forderung nach einem Rücktritt Niersbachs laut. So nahm im Bundestags-Sportausschuss Öczan Mutlu von Bündnis 90/Die Grünen Niersbach in die Verantwortung. "Wenn er nicht in der Lage ist, aufzuklären und die Fragen zu beantworten, verhärtet sich der Verdacht, dass geschmiert wurde, dass es Schwarze Kassen gab. Schlimmer geht es nicht! Der DFB muss sich dann fragen, ob so ein Präsident noch tragbar ist. Dann würde ich sagen: Herr Niersbach, machen Sie den Weg frei!"
Mutlu kündigte außerdem an, neben Niersbach, Netzer und Zwanziger auch WM-OK-Chef Franz Beckenbauer in den Sportausschuss einzuladen. "Wir hoffen", sagte Mutlu, "dass sie kommen und den Aufklärungswillen mit uns teilen". Allerdings ist fraglich, ob die Fußballgrößen der Aufforderung aus Berlin Folge leisten. Niersbach hatte mit Hinweis auf die laufenden Ermittlungen im Verband durch externe Prüfer auf eine Reise nach Berlin verzichtet. Mutlu machte daraufhin keinen Hehl aus seiner Enttäuschung: "Er ist selbst schuld, wenn er die Chance nicht nutzt, im Bundestag Rede und Antwort zu stehen. Da sind auch Steuergelder investiert worden. Deshalb haben wir ein Recht auf Aufklärung und die Pflicht, dem nachzugehen."
Auch deswegen sind für Mutlu offizielle Ermittlungen alternativlos. Gegenüber dem ZDF-Morgenmagazin sagte er: "Ich wünsche mir, dass die Staatsanwaltschaft baldigst die Ermittlungen aufnimmt, denn wenn der Sport nicht von alleine in der Lage ist, das aufzuklären, wenn Schwarzgeldkonten vorhanden sind, muss die Staatsanwaltschaft ans Werk." Die gesamte Sache stinke "ganz schön mächtig".
In der verworrenen Situation um eine Millionen-Zahlung des WM-OK an die FIFA erwartet auch der Weltverband Antworten vom DFB: "Die jüngsten Vorwürfe im Zusammenhang mit dem DFB, dem deutschen Organisationskomitee und der FIFA-Finanzkommission werden jetzt als Teil der unabhängigen Überprüfung der FIFA mit Hilfe ihrer externen Anwälte untersucht. Die FIFA hat den DFB formal gebeten, die Ermittlungen zu unterstützen."
asz/sn (sid, dpa)