Zwangsumsiedlung
13. Juni 2007In den letzten 20 Jahren wurden in Zusammenhang mit Olympischen Spielen weltweit über zwei Millionen Menschen vertrieben. Das ist das Fazit einer dreijährigen Untersuchung des Zentrums für Wohnrechte und Vertreibung in Genf, kurz COHRE genannt. Asiatische Länder gehen da mit besonders schlechtem Beispiel voran. Für die Olympischen Spiele in der südkoreanischen Hauptstadt Seoul 1988 etwa wurden 720.000 Menschen zwangsweise umgesiedelt. Die Pekinger Spiele werden laut Jean du Plessis, Direktor von COHRE, diesen skandalösen Rekord brechen: Bis zum Beginn der Spiele werden eineinhalb Millionen Menschen vertrieben sein.
China will sich bei den Olympischen Spielen als moderne Supermacht des 21. Jahrhunderts präsentieren. Das Aushängeschild Peking wird deshalb radikal umstrukturiert und umgebaut. Zwangsumsiedlungen sind die Folge. Vertreibung in Peking bedeutet dabei häufig die komplette Zerstörung des alten Wohnraumes. COHRE beklagt vor allem das Fehlen von geregelten Verfahren im Vorfeld von Umsiedlungen. Die Fristen seien extrem kurz, es gebe keinerlei Mitsprache, der finanzielle Ausgleich sei häufig zu niedrig - wenn denn überhaupt einer gezahlt werde. Im Ergebnis führt die zwangsweise Umsiedlung häufig zum Absturz in die Armut.
Vertreibung als legitimes Mittel
Dabei stehen Zwangsumsiedlungen in China nicht zwingend im Zusammenhang mit Mega-Events. Laut Jean du Plessis betrachte die chinesische Regierung die Vertreibung der Bevölkerung als ein legitimes Entwicklungsinstrument. So wären viele Menschen ohnehin umgesiedelt worden. Doch die Pekinger Spiele scheinen diesen Prozess noch verstärkt zu haben: "Nachdem Peking als Austragungsort der Olympischen Spiele ausgerufen wurde, hatten wir eine Vervielfachung der Zwangsumsiedlungen auf verstörend hohem Niveau", sagt Jean du Plessis. "Wir sind deshalb sehr besorgt.”
Das Organisationskomitee für die Olympischen Spiele in Peking hat bislang nicht auf die Vorwürfe reagiert. Lediglich die Sprecherin des Außenministeriums Jiang Yu, wies die Zahlen von eineinhalb Millionen Zwangsumsiedlungen als weit übertrieben zurück.
Repräsentation um jeden Preis
Ganz sicher ist bei den Baumaßnahmen rund um die Olympischen Spiele in Peking nicht alles mit rechten Dingen zugegangen. So wurde im letzten Jahr der Vizebürgermeister von Peking wegen Korruption verhaftet. Liu Zhihua war für den Bau der Sportanlagen verantwortlich und soll über eine Million Euro an Bestechungsgeldern erhalten haben. Plausibel ist auch der Vorwurf von COHRE, dass die Zwangsumsiedlungen mit Gewaltanwendung und Repression durchgesetzt werden. Wer sich wehrt, wird verhaftet. So wie Ye Guozhu. Er wurde im Dezember 2004 zu vier Jahren Gefängnis verurteilt. Er hatte Proteste gegen die Zwangsumsiedlungen organisiert.