Zustimmung zum Green Deal - ohne Polen
13. Dezember 2019Es hätte für die frischgebackene EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen leicht peinlich werden können: Vor der ganzen Welt hatte sie verkündet, bis 2050 wolle Europa als erster Kontinent klimaneutral werden. Das heißt, dann sollen alle Treibhausgase entweder vermieden oder gespeichert werden. Von der Leyen hatte das ehrgeizige Ziel sogar mit der ersten Mondlandung verglichen. Doch beim Gipfel brauchte sie Einstimmigkeit, und mehrere Länder stellten sich quer, vor allem Polen, das fast 80 Prozent seines Stroms aus Kohlekraftwerken bezieht, aber auch Tschechien und Ungarn.
Polen wollte die Frist für alle bis 2070 nach hinten verschieben, während Tschechien und Ungarn darauf drängten, die Kernkraft offiziell als emissionsfrei einzustufen. Davon erhoffen sie sich offenbar, mit EU-Mitteln neue Atomkraftwerke zu bauen. "Wir brauchen Sicherheit, dass uns niemand am Bau von Atomkraftwerken hindert", sagte Tschechiens Ministerpräsident Andrej Babis. Ländern wie Deutschland, die auch aus der Kernkraft aussteigen, ist das ein Dorn im Auge.
Merkel: "keine Spaltung"
Aber um die Initiative mit dem Namen Green Deal nicht zu gefährden, ist der Gipfel allen drei Ländern entgegengekommen. Am Ziel der Klimaneutralität bis 2050 hält die EU fest. Aber Polen wird von diesem Termin zunächst ausgenommen. Die polnische Regierung soll bis zum kommenden Sommer sagen, ob sie doch mitmachen will. "Wir werden das Ziel in unserem eigenen Tempo erreichen", teilte die polnische EU-Vertretung in der Nacht mit. Tschechien wiederum wird ausdrücklich das Recht zugestanden, Kernkraftwerke zu bauen. Eigentlich ist der Energiemix ohnehin Sache der Mitgliedsstaaten, aber damit bekommt Tschechien nun eine offizielle EU-Rückendeckung gegenüber seinen Nachbarländern Deutschland und Österreich, die den Ausbau tschechischer Atommeiler vor ihrer Haustür sehr kritisch sehen.
Bundeskanzlerin Angela Merkel legte Wert auf die Feststellung, es gebe "keine Spaltung Europas in verschiedene Teile, sondern es gibt einen Mitgliedstaat, der noch etwas Zeit braucht". Mit dem Ergebnis könne man "unter den gegebenen Umständen" zufrieden sein.
Der Gipfel griff außerdem eine Forderung des französischen Präsidenten Emmanuel Macron auf. Danach sollen Importwaren aus Drittstaaten, die sich weniger um den Klimaschutz kümmern, höher besteuert werden, um europäische Unternehmen mit höheren Umweltstandards nicht zu benachteiligen.
Streit um Finanzierung bleibt
Was die Kosten des Wandels zu einer klimaneutralen Lebensweise betrifft, so hatte die Kommission bereits vorgesorgt: Ursula von der Leyen hat einen Fonds von 100 Milliarden Euro dafür vorgeschlagen. Allerdings scheint das einigen Mitgliedsstaaten eine leere Zusage zu sein. Denn jetzt beginnen auch die Debatten über den nächsten siebenjährigen EU-Haushalt, aus dem die Fördergelder schließlich kommen sollen. Und der Streit darüber hat schon begonnen: über den Umfang des Haushalts, aber auch über seine Verwendung. Erschwert wird der Konflikt wegen des wohl bevorstehenden Brexits: Wenn Großbritannien die EU Anfang kommenden Jahres verlässt, wie es nach dem konservativen Wahlsieg aussieht, fehlt ein wichtiger Beitragszahler. Dann stellt sich die Frage, ob man die Lücke schließt, und wenn ja, wer das tut.
Die Interessensgegensätze beim Budget sind klar: Nettozahler wie Deutschland wollen den Haushalt eher begrenzen, Nettoempfänger wie die Osteuropäer sind eher an einer Ausweitung der Mittel interessiert. Und wenn viel Geld in den Klimaschutz fließt, fehlt es bei anderen Dingen wie bei den Hilfen für arme Regionen. Auch das gilt es zu bedenken. "Wir können nicht zulassen, dass Brüsseler Bürokraten die Kosten des Kampfes gegen den Klimawandel armen Menschen und armen Ländern aufhalsen", wetterte Ungarns Ministerpräsident Viktor Orban.
Luxemburgs Premier Xavier Bettel brachte den Streit humorvoll auf den Punkt: "Einige wollen weniger zahlen, einige wollen mehr Geld bekommen, andere wollen neue Dinge Machen. Ich war nicht gerade der Beste in Mathe, aber ich glaube, die Rechnung geht nicht auf."