Zurück in die Erde - Norwegens unterirdische CO2-Lager
23. April 2008Das Gasfeld Sleipner liegt rund 100 Kilometer vor der norwegischen Küste in der Nordsee. Auf ihren vier Stelzenbeinen aus Stahl und Beton steht die Förderplattform im unruhigen Meer. 90 Grad heiß und mit enormem Druck schießt hier das Erdgas aus der Tiefe. Bei der Förderung aus Reservoirs unter dem Meeresboden gelangen gewöhnlich große Mengen des klimaschädlichen Kohlendioxids in die Atmosphäre. Nicht so auf Sleipner: Dort wird der mit der Förderung an die Oberfläche gelangte Schadstoff in einer Pilotanlage aus dem Erdgas herausgefiltert und über separate Pipelines zurück in Hohlräume tief unter der Erde gepumpt.
"Die Formation liegt rund 1000 Meter tief im Sandstein unter dem Meeresboden", erläutert Olav Kaarstad, wissenschaftlicher Projektleiter beim norwegischen Energiekonzern Statoilhydro. "Wir leiten das CO2 in eine Kaverne, die an allen Seiten von undurchdringlichen Gesteinsschichten umschlossen ist." Seit 1996 wurden bei der Versuchsanlage Sleipner rund 8 Millionen Tonnen CO2 deponiert. Mit der von Kaarstad entwickelten Technik, so hofft die Industrie, könnte der CO2-Ausstoß vieler Anlagen deutlich gesenkt werden. Der 59-jährige Chemiker arbeitet seit 1982 für den Staatskonzern. Seit die Diskussion um den Klimawandel an Fahrt gewonnen hat, ist aus dem Forscher ein Vorzeige-Mitarbeiter geworden.
Umweltschützer unterstützen CO2-Einlagerung
Dabei wurden seine Versuche mit der Einlagerung des Klimagases anfänglich mit großer Skepsis aufgenommen. "Unsere Projekte waren schon immer sehr kostspielig", erinnert sich Kaarstad und lacht. "Manchmal haben wir unseren Vorhaben neue, komplizierte Namen gegeben, weil keiner so genau wissen sollte, was wir da eigentlich treiben." Die Petroindustrie treibt nicht nur die Sorge um die Umwelt um. Anfang 90er Jahre führte die damalige norwegische Regierungschefin Gro Harlem Brundtland gegen allerhand Widerstände eine CO2-Steuer ein. Für jede in die Atmosphäre entlassene Tonne des Klimagiftes muss der Verursacher heute eine Abgabe von fast 50 Euro zahlen. Ohne diese Klimasteuer wäre die Branche wohl kaum geneigt, in die teure Technologie zu investieren, sagt Kaarstad.
Die unterirdische CO2-Endsorgung wird in Norwegen auch von Umweltschützern und von weiten Teilen der Forschergemeinde begrüßt. Der Biologe Jan Helge Fosså vom Meeresforschungsinstitut in Bergen hält das Verfahren für sicher. "Kohlendioxid in der Atmosphäre wird zu einem Großteil von den Ozeanen aufgenommen", erklärt er. Dadurch steige der Säuregehalt im Wasser an und bedrohe das gesamte Leben in den Meeren, vor allem Korallenriffe und andere Organismen mit Kalkeinlagerungen. "Die Einlagerung in stabilen geologischen Formationen tief unter dem Meeresgrund ist deshalb eine gute Idee", findet Fosså. "Die Alternative wäre doch, dass wir gar nichts tun und das Klimagift wie bislang einfach zum Schornstein hinaus blasen."
Zukunftsvision Kohlendioxid-Endlager
Sleipner ist nicht die einzige Förderanlage, bei der das CO2 gleich an Ort und Stelle abgefangen wird. Auch beim rund 7 Milliarden Euro teuren Megaprojekt Snøhvit zur Verflüssigung von Erdgas aus der Barentssee kommt das Verfahren zum großtechnischen Einsatz. Gedanklich ist Kaarstad, der als einer von hunderten Wissenschaftlern auch die Internationale Klimaschutzkommission IPCC berät, schon weit vorausgeeilt: Er kann sich ein weit verzweigtes Pipelinenetz zum Transport von Kohlendioxid in gewaltige Endlager vorstellen. "Wir müssen jetzt handeln", fordert er. "Die unterirdische Lagerung von Kohlendioxid ist meines Erachtens eine der wichtigsten Maßnahmen im Kampf gegen den globalen Klimawandel." Denn technisch, so Kaarstad, sei es längst möglich, das Klimagas für Jahrhunderte oder gar Jahrtausende sicher in den früheren Förderstätten zu bunkern.