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Zurück an die Urnen: Neuwahl in Spanien

Martin Delfin / dch3. Mai 2016

Innerhalb nur eines halben Jahres müssen die Spanier wieder ein neues Parlament wählen - weil sich ihre Parteien nicht auf eine Regierung einigen konnten. In der Bevölkerung wächst der Frust. Von Martin Delfin, Madrid.

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König Felipe löst das Parlament auf - Foto: Reuters
Bild: Reuters/Courtesy of Casa de S.M. el Rey

Monatelang hatten sie gestritten, gefeilscht, versucht sich zu einigen. Nun ist klar: Die politische Elite Spaniens hat es einfach nicht hinbekommen, eine Regierung zu bilden. Die Bürger müssen also wieder an die Wahlurnen zurück, um für neue Mehrheitsverhältnisse zu sorgen. Als Termin hat der König den 26. Juni angesetzt.

Doch momentan sieht es nicht so aus, dass sich bei der nächsten Wahl das Ergebnis grundlegend ändern würde. Voraussichtlich müssen sich die Parteien danach in ähnlicher Konstellation wieder an den Verhandlungstisch begeben wie jetzt.

Seit Dezember hat Spanien keine richtige Regierung mehr. Ein Grund: Das althergebrachte Zweiparteiensystem wurde durch den Einzug von zwei neuen Kräften ins Parlament komplett auf den Kopf gestellt: die gemäßigte Ciudadanos und die linksgerichtete Podemos. Die weitverbreitete Korruption und der rigorose Sparkurs des konservativen Ministerpräsidenten Mariano Rajoy haben den beiden neuen Parteien die Wähler in die Arme getrieben.

Pedro Sanchez - Foto: Javier Lizon (EFE)
Sozialist Sanchez: Mit seinem Plan einer Dreier-Koalition gescheitertBild: picture-alliance/dpa/J. Lizon

Den einzig ernst gemeinten Versuch einer Regierungsbildung unternahm der Sozialist Pedro Sanchez: Er brachte eine Koalitionsvereinbarung mit Ciudadanos unter Dach und Fach und versuchte, Podemos für eine Dreierkoalition zu gewinnen. Doch die Gespräche scheiterten an den hohen Forderungen von Podemos-Chef Pablo Iglesias. Er verlangte 15 Ministerposten für seine Partei und für sich selbst den Posten des Vizepremiers.

Weitere Zersplitterung

"Das linke politische Lager in Spanien ist sehr zersplittert - es geht einfach viel mehr um einzelne Persönlichkeiten als um das Volk", so der Politikwissenschaftler Pablo Simón Cosano von der Universität Carlos III in Madrid. "In anderen Ländern gibt es längst nicht so eine starke Fragmentierung." Sein Kollege Lluis Orriols Galve geht davon aus, dass bei der Neuwahl die Beteiligung weiter sinkt, "was vor allem den beiden großen Parteien schaden wird". Hinzu komme, so Orriols Galve, "dass eine Menge Schuldzuweisungen aus allen politischen Lagern die Dinge noch weiter verkomplizieren wird".

Unmut der Bürger

Auf der Straße macht sich inzwischen Unmut breit. "Politiker aller Parteien haben in den vergangenen Monaten bewiesen, dass sie es nicht ernst meinen, dass sie das eigene Wohl über das des Landes stellen", ärgert sich der 72-jährige Rentner Marcos Garcia-Abelo.

Ciudadanos-Anhänger in der Wahlnacht im Dezember - Foto: Susana Vera (Reuters)
Ciudadanos-Anhänger in der Wahlnacht im Dezember: Keine neuen Mehrheitsverhältnisse in SichtBild: Reuters/S. Vera

"Warum sollte ich meine Zeit verschwenden?", fragt Yolanda Berrios, eine 43-jährige Hausfrau: "Normalerweise wähle ich die Konservativen, aber wenn die Meinungsumfragen andeuten, dass sich nichts ändern wird, dann wird meine Stimme doch eh nichts ändern. Viele meiner Freunde wollen die Wahl ebenfalls boykottieren."

Die Lage: Schwierig

Eine ganze Reihe von Korruptionsfällen hat die Konservativen des bisherigen Ministerpräsidenten Rajoy zusätzlich in die Bredouille gebracht. Der Tourismusminister Jose Maria Soria musste kürzlich zurücktreten. Sein Name wurde mit einem der Offshore-Konten aus den Panama-Papers in Verbindung gebracht. Die frühere Bürgermeisterin von Valencia, Rita Barberá, eine der mächtigsten Strippenzieherinnen der Konservativen, wird verdächtigt, an illegaler Parteienfinanzierung beteiligt zu sein.

Trotz solcher Skandale sehen Meinungsumfragen die Konservativen zwischen 28 und 29 Prozent, was dem Ergebnis vom Dezember entsprechen würde. Die Sozialisten müssten demnach leichte Verluste hinnehmen und würden bei 19 bis 22 Prozent der Stimmen landen. Die Demoskopen sind sich allerdings nicht sicher, ob es der neuen Partei Podemos gelingen kann, im Verbund mit der "Vereinigten Linken" an den Sozialisten vorbeizuziehen.

Während spanische Spitzenpolitiker sich weiterhin den Schwarzen Peter zuschieben wollen, haben die Bürger des Landes wichtigere Sorgen. 23 Prozent Arbeitslosigkeit, ein korrupter Staatsapparat - solche Gedanken belasten die Spanier weit mehr als die Unfähigkeit der politischen Elite, eine neue Regierung zu formen, so zumindest die Kernaussage des staatlichen Meinungsforschungsinstituts "Centro de Investigaciones Sociologicas" in Madrid.

Die Politikwissenschaftler Coasno und Orriols Galve stimmen beide darin überein, dass der viermonatige politische Stillstand das Land nicht wirklich ausgebremst hat. Der Haushalt für das Jahr 2016 war lange vor der Wahl im Dezember beschlossen worden und "wird die Regierungsgeschäfte weiter laufen lassen". Dennoch merkt man den Madrider Politologen den Frust an: "Es gibt Reformen und Themen, die einfach angegangen werden müssen, ganz unabhängig davon, welche politischen Kräfte daran kein Interesse haben. Und viele von diesen sind derzeit unnötig aufgeschoben", so Cosano.