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Musik

Zum Tod von Lee Scratch Perry

30. August 2021

Dub- und Reggae-Pionier, Produzent für Bob Marley und die Beastie Boys: In seiner 70-jährigen Karriere hat Lee Scratch Perry Musikgeschichte geschrieben.

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Lee Scratch Perry, jamaikanischer Musikproduzent und Musiker, auf der Bühne.
Jamaika verliert eine seiner wichtigsten Persönlichkeiten: Lee Scratch Perry ist am 29. August 2021 verstorbenBild: Carsten Thesing/imago images

Man nannte ihn den "Wizard of Reggae" oder den "Salvador Dali des Dub" - an Spitznamen für diese schwer fassbare und einflussreiche Figur der Musikgeschichte mangelt es nicht. Jetzt ist der Weggefährte von Bob Marley und Produzent u.a. der Beastie Boys im Noel Holmes Hospital auf Jamaika mit 85 Jahren verstorben, wie Premierminister Andrew Holness auf Twitter mitteilte: "Jamaika hat einen großen Pionier der Musik verloren: den unvergesslichen Lee 'Scratch' Perry."

Rainford Hugh "Lee" Perry wird 1936 in Kendal, Jamaika, geboren. Bereits mit 15 verlässt er die Schule: "Ich habe in der Schule nichts gelernt. Ich habe alles auf der Straße gelernt", erzählt Perry 1984 in einem Interview mit dem britischen Rockmagazin New Musical Express (NME)."Mein Vater arbeitete auf der Straße, meine Mutter auf dem Feld. Wir waren sehr arm."

Seine Karriere im Musikbusiness beginnt in den 1950er-Jahren. Zunächst arbeitet er als Assistent, dann als Talentsucher, DJ, Filialleiter und schließlich als Aufnahmekünstler für zwei verschiedene Label, bevor er seine eigene Band "The Upsetters" gründet. In den 1960er-Jahren zieht es ihn in die Hauptstadt, nach Kingston.

Musiker, Produzent, Schamane

Bald wird er auch als Produzent tätig: Anfang der 1970er-Jahre ermutigt er den damals eher schüchternen, heute legendären Reggae-Musiker Bob Marley, aus sich herauszukommen. Der britische Guardian zitiert Marleys Sohn Ziggy mit folgenden Worten: "Scratch hat meinem Vater geholfen, tiefer in sich selbst hineinzuschauen (...) [er] war entscheidend für die Karriere meines Vaters." Die Aufnahmen der beiden Künstler aus den Jahren 1970 und 1971 gelten heute als Meilenstein der Musikgeschichte Jamaikas. 

Perry, der mit "Black Ark" 1973 sein eigenes Studio gründet, arbeitet im Laufe seiner Karriere mit vielen weiteren berühmten Künstlern zusammen: In den späten 1970er-Jahren etwa produziert er die Single "Complete Cotrol" der britischen Band "The Clash", außerdem zwei Songs für Paul und Linda McCartney. Auch die Hip-Hop-Pioniere "Beastie Boys" arbeiten mit dem Jamaikaner zusammen und behalten ihn in sehr guter Erinnerung.

So schreibt Mike D. von den Beastie Boys zu Perrys Tod auf Twitter: "Wir senden Lee Perry, der heute verstorben ist, die größte Liebe und den größten Respekt, den wir ihm entgegenbringen können, an seine Familie, seine Lieben und die vielen, die er mit seinem Pioniergeist und seiner Arbeit beeinflusst hat. Wir sind sehr dankbar dafür, dass wir von dieser wahren Legende inspiriert wurden und mit ihr zusammenarbeiten durften."

Lee Scratch Perry, der seinen Spitznamen einer seiner ersten Scheiben "The Chicken Scratch" von 1965 verdankt, war eine schillernde und exzentrische Persönlichkeit, der die Musikwelt nachhaltig beeinflusst hat. In seiner sieben Jahrzehnte umspannenden Karriere war Perry einer der produktivsten Künstler der Musikbranche. "Man kann Lee Perry nie richtig einordnen - er ist der Salvador Dali der Musik", sagte Rolling-Stones-Gitarrist Keith Richards 2010 dem Musikmagazin Rolling Stone. "Er ist ein Mysterium. Die Welt ist sein Instrument. Man muss nur zuhören. Er ist mehr als nur ein Produzent, er weiß, wie er die Seele des Künstlers inspirieren kann (...) Scratch ist ein Schamane.

Und so sah Perry auch sich selbst - als jamaikanischer Schamane. Vor seinen Auftritten bläst er Marihuana in das Mikrofon, um die bösen Geister zu vertreiben. Auf der Bühne ist Perry eine Erscheinung, die man nicht so schnell vergisst - ob solo oder mit seiner ersten Band "The Upsetters".

Vor allem seine Kopfbedeckungen stechen ins Auge: indianische Federn im Stil des Fernen Westens, Seetang frisch aus dem Meer oder Mützen, die mit Anhängern oder Spiegeln überladen sind. Seine Schuhe zeigen auf der einen Seite ein Porträt des äthiopischen Kaisers Haile Selassie, der von den Rastafari als Messias angesehen wird, und auf der anderen Seite eine sorgfältig geschützte Skizze der Königin von England.  

Lee Scratch Perry mit einem Joint im Mund auf der Bühne.
Geistervertreibung auf der Bühne: Perry bläst Marihuana in die LuftBild: Hardy Schiffler/jazzarchiv/picture alliance

Ende der 1970er-Jahre brennt das Black-Ark-Studio ab. Perry behauptet, er habe vergessen, eine Kerze auszupusten. Bis zuletzt bleibt unklar, ob er es selbst angezündet hat, etwa um den Satan auszutreiben. Offiziell gilt ein Kurzschluss als Ursache. 2015 brennt allerdings auch sein zweites Studio, das "Secret Laboratory", in der Schweiz ab. 

Bis zuletzt macht Perry Musik: In einigen Monaten sollte mit "Lee 'Scratch' Perry's Guide to the Universe" ein neues Album erscheinen. Doch das wird Schamane Perry nicht mehr erleben - zumindest nicht auf Erden. Der berühmte Musiker starb am 29. August mit 85 Jahren in Jamaika.

 

Annabelle Steffes-Halmer | provisorisches Kommentarbild
Annabelle Steffes-Halmer Autorin, Redakteurin, Videojournalistin und Trainerin