Home-Schooling in Afrika: Zu Hause offline
10. April 2020In weiten Teilen Afrikas haben Regierungen Ausgangssperren verhängt. So wollen sie ihre Bevölkerungen schützen und schließlich die Ausbreitung von COVID-19 stoppen - dem Virus, dass sich mehr und mehr auch südlich der Sahara ausbreitet. Besonders hart betroffen: Südafrika. Hier wurden laut Angaben der US-amerikanischen Johns-Hopkins-Universität bis Mittwoch 1749 Fälle gezählt.
Seit dem 27. März gelten in Südafrika weitreichende Ausgangsbeschränkungen. Die Schulen bleiben seitdem geschlossen. Viele Lehrer versuchen, ihren Unterricht über das Internet zu organisieren. Auch die sieben und elf Jahre alten Töchter von Everton Stream erhalten ihre Hausaufgaben per E-Mail. Die Familie lebt in in Stellenbosch, 50 Kilometer östlich von Kapstadt.
Doch um die Aufgaben abzurufen, brauchen sie Internet. Und das ist keine Selbstverständlichkeit. Das mobile Internet sei langsam, die Telefonanbieter ließen sich Datenpakete zudem teuer bezahlen, berichtet Familienvater Stream. Bei den täglichen Aufgaben gehe das ins Geld - und oft sei das Guthaben zu früh aufgebraucht.
Der einzige Ausweg für Stream: "Wir müssen an Orte mit WLAN-Netz gehen. Aber die meisten dieser Anlaufstellen sind jetzt geschlossen. Es ist eine echte Herausforderung." Etwas Gutes hat die Sache für ihn dann aber offenbar doch: Da auch die Copyshops geschlossen seien und sie die Aufgaben aus den E-Mails von Hand abschreiben müssten, bekämen seine Töchter immerhin ein bisschen Schreibpraxis.
Internetzugang abhängig vom Einkommen
Nur rund ein Drittel der Bevölkerung südlich der Sahara habe Zugang zum Internet, sagt Chenai Chair, Forschungsmanagerin an der World Wide Web Foundation des Internet-Erfinders Tim Berners-Lee. Da stehe Südafrika mit rund 53 Prozent relativ gut da. Grundsätzlich gebe es einen Zusammenhang zwischen dem Einkommensniveau und dem Zugang zum Netz, sagt sie - das gelte für ländliche Gebiete genauso wie für die Städte.
"Am schlechtesten angebunden sind die Menschen in den armen Regionen, außerdem Gruppen, die in der Gesellschaft marginalisiert sind: Frauen, junge Menschen und solche, die sehr abgeschieden leben", sagt Chair. In Ballungsräumen seien vor allem die benachteiligt, die in Gebieten ohne Internetleitung lebten und daher vom mobilen Netz abhängig seien. Die Politik müsse Möglichkeiten für bezahlbares Internet schaffen, fordert sie.
Chair stellt aber auch infrage, ob die Mobilfunkanbieter überhaupt in der Lage sind, eine flächendeckende, gute Datenanbindung zu gewährleisten - in Zeiten, in denen viele Menschen auf mobiles Arbeiten angewiesen sind. "Die Krise macht deutlich, dass wir alternative Internetquellen brauchen", sagt sie. In der Provinz Eastern Cape etwa gebe es bereits Netzwerke, die von den Anwohnern gemeinsam betrieben würden - so zum Beispiel die "Zenzeleni Community Networks" in Mankosi.
Die Rückkehr des Radios
Auch in Kenia sind seit Mitte März Schulen und Universitäten wegen der Pandemie geschlossen. Sowohl Schülern als auch Lehrern fehlt zu Hause oft der Zugang zum Internet. Das bedeute ein enormes Problem, sagt die kenianische Autorin und Juristin Nanjala Nyabola - denn sie könnten ihre Bildung nun nicht komplett auf Online-Unterricht umstellen.
Nur zwölf Prozent aller Kenianer verfügen über einen eigenen Computer; das Internet wird zu 70 Prozent mit Smartphones genutzt. Der Gebrauch von mobilen Geräten habe zugenommen, räumt Chair ein. Doch für die Umstellung eines ganzen Landes auf Online-Unterricht reiche das noch lange nicht aus. Auch deshalb, weil viele Kenianer sich ihren Zugang mit kleinen Datenpaketen sicherten. Für relativ geringe Datenmengen, etwa bei der Nutzung von Facebook und Whatsapp, reiche das zwar aus. Nicht aber für Anforderungen digitaler Bildung: "Akademische Webseiten zu nutzen, geht oft mit großen Datenmengen einher", sagt die Expertin aus Nairobi. "Viele Menschen sind dazu nicht in der Lage."
In dieser Lage wenden sich manche wieder verstärkt traditionellen Medien zu - allen voran das Radio. Das ist in den meisten Haushalten ohnehin vorhanden - und bietet den Hörern oft auch Bildungsprogramme. Für Nanjala Nyabola liegt hier ein großes Potenzial - gerade dann, wenn Menschen die Vorzüge von Radio oder Zeitung mit digitaler Kommunikation, etwa über Messenger-Dienste wie Whatsapp, verbinden. Ein Lehrer oder Universitätsdozent könne Vorlesungen über das Radio anbieten, schlägt Nyabola vor. Die Hörer könnten ihre Fragen dann per Messenger schicken.
Besonders an der achtjährigen staatlichen Grundschule mit ihren standardisierten Lehrplänen hält sie das für machbar. An Universitäten müsse zusätzlich über den Verleih einfacher Laptops nachgedacht werden. Alles in allem beklagt Nyabola, dass es nicht genügend Koordination gebe, um die bestehenden Ansätze zu verbinden.
Kommunikation ist zentral
Viele Unternehmen bemühen sich ihrerseits, den Betrieb aus dem Homeoffice bestmöglich aufrechtzuerhalten. So auch Kobo 360, ein auf dem ganzen Kontinent tätiges Logistikunternehmen aus Nigeria. Chefstrategin Kagure Wamunyu ist es gewöhnt, mit schlechten Internetverbindungen umzugehen. Doch jetzt gehe es um neue Dimensionen, berichtet sie.
Kobo 360 funktioniert wie Uber - nur für Güterverkehr. Eine App ermöglicht die Kommunikation zwischen Kunden, Fahrern und Logistikmitarbeitern. Stabile Internetverbindungen sind eine Voraussetzung, damit das Geschäftsmodell funktioniert. "Normalerweise kommen unsere Mitarbeiter mit einem Gigabyte Datenvolumen aus, weil sie das WLAN im Büro nutzen können", sagt die Kenianerin Wamunyu. "Jetzt denken wir darüber nach, dieses Volumen mehr als zu verdoppeln." Damit steigen die Internetkosten auf mehr als das Doppelte - bei rund 200 Mitarbeitern ein ernstzunehmender Kostenfaktor.
Wenn die halbe Welt auf einen Schlag auf Homeoffice und Homeschooling umsteigen muss, sind die Hürden zahlreich, die Lösungsansätze vielfältig. In Afrika gibt es viele Konzepte, um die Auswirkungen der Krise zu begrenzen - der begrenzende Faktor ist jedoch der Ausbau der digitalen Infrastruktur.