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Wenn Viren vom Tier auf Menschen überspringen

Gudrun Heise
16. Juli 2020

Viele Krankheiten werden vom Tier auf den Menschen übertragen. Manche sind harmlos, andere tödlich. Bislang sind etwa 200 Zoonosen bekannt und es werden mehr. Ein Grund: Wir dringen in für uns fremde Lebensräume ein.

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Indischer Falscher Vampir Ghost False Vampire bat
Bild: picture-alliance/Mary Evans Picture Library

Zwischen 60 und 70 Prozent aller Infektionskrankheiten stammen ursprünglich von Tieren. "Auch die Masern gehören dazu", erklärt Isabella Eckerle. Am Uniklinikum Genf leitet sie das Zentrum für neue Viruserkrankungen. "Man vermutet, dass durch die Domestizierung von Tieren vor vielen tausenden von Jahren das Masernvirus diesen Sprung auf den Menschen geschafft hat". Eine solche Vergangenheit, meint Eckerle, haben wahrscheinlich viele Viren.

Viren, Bakterien, Parasiten oder Prionen sind Auslöser für Zoonosen. Tollwut und Tuberkulose gehören dazu, aber auch HIV und Toxoplasmose, die von Katzen übertragen wird, oder auch die Pest. Sie ist eine der bislang weltweit schlimmsten Zoonosen. Im 14. Jahrhundert tötete sie über 50 Millionen Menschen. Die Pest wird durch Rattenflöhe übertragen. In Europa ist sie ausgerottet, in einigen Regionen in Afrika, Asien, Süd-, Mittel- und Nordamerika aber gibt es noch immer Fälle dieser verheerenden Infektionskrankheit. Madagaskar beispielsweise verzeichnete im Jahr 2017 noch immer 120 Pest-Tote.

Pestarzt Doktor Schnabel von Rom 1656
Millionen von Menschen fielen dem "Schwarzen Tod" zum OpferBild: Imago/Imagebroker

Viele Übertragungswege

Eine Zoonose kann nicht nur durch direkten Kontakt vom Tier auf den Menschen überspringen, sie kann auch über die Luft transportiert werden oder über kontaminierte Lebensmittel. Solche Krankheitserreger können in tierischen Produkten wie Milch, Fleisch oder Eiern stecken. Wenn Lebensmittel nicht ausreichend erhitzt oder unter unhygienischen Bedingungen zubereitet werden, können sie zur gefährlichen Infektionsquelle werden. Salmonellen zum Beispiel haben dann einfaches Spiel.

Eine weitere Variante sind sogenannte Vektoren. Sie transportieren den Erreger vom Wirt auf den Menschen, erkranken aber selbst nicht. Zecken sind solche typischen Vektoren. Wenn sie sich festbeißen, kann es passieren, dass sie die Erreger der Frühsommer-Meningoenzephalitis (FSME) und der Borreliose (Lyme-Krankheit) an den Menschen weitergeben. Stechmücken sind ebenfalls Vektoren. Einige von ihnen übertragen Malaria, andere zum Beispiel die Schlafkrankheit.

 

Neuseeland Regenwald & Oparara River
Gut funktionierende Ökosysteme sind selten gewordenBild: picture-alliance/united-archives/mcphoto

Wildtiere

Spätestens seit SARS im Jahr 2003 beschäftigen sich Wissenschaftler mit Wildtieren, in denen verschiedene Krankheiten ihren Ursprung haben. Dabei sind vor allem Nagetiere und Fledermäuse in den Fokus der Wissenschaftler geraten. 

"Es gibt sehr viele Fledermausarten und über tausend Arten von Nagetieren, die Krankheitserreger in sich tragen. Es sind natürlich immer welche dabei, die in ihrem ursprünglichen Wirt bleiben, aber es gibt auch solche, die den Menschen infizieren", sagt Eckerle.

Mensch-gemacht

Globalisierung, weltweiter Handel und Reiselust haben dazu geführt, dass sich Menschen aus verschiedenen Kulturen und Kontinenten näher kommen. Und wir brauchen mehr und mehr Rohstoffe und Platz. Wir roden Regenwälder, zerstören Ökosysteme und nehmen damit vielen Wildtieren den Lebensraum. "Die natürliche Grenze zwischen Menschen und exotischen Tieren, die es früher einmal gab, existiert nicht mehr", sagt Eckerle.

Viele neue Zoonosen entstehen, weil Ökosysteme aus dem Gleichgewicht geraten. "Wenn es ein intaktes Ökosystem mit vielen verschiedenen Tierarten gibt, hat ein Virus wenig Gelegenheit, seinen Wirt zu wechseln und direkt auf den Menschen überzuspringen", erklärt Eckerle. 

Nutztiere und Haustiere

Angus-Rinder auf einem Demeter-Bauernhof
Rinder sind ideale ZwischenwirteBild: picture-alliance/Presse-Bild-Poss

Aber auch in unserer nahen Umgebung sind wir nicht vor gefährlichen Erregern gefeit. Rinder etwa sind Zwischenwirte. Wenn es ein Erreger erst einmal in eine Nutztierpopulation geschafft hat, ist es wahrscheinlich, dass er auch den nächsten Schritt geht, es in den Körper von Menschen schafft und dass schließlich auch eine Ansteckung von Mensch zu Mensch möglich ist.

Aber nicht nur Nutztiere, auch Haustiere - Hund und Katze zum Beispiel - können eine Quelle von Zoonosen sein. Die gefährliche Toxoplasmose, die von Katzen übertragen wird, ist ein Beispiel. "Es gibt verschiedene Bakterien und Parasiten, die man von Haustieren bekommen kann. Diese Zoonosen kennen wir aber sehr gut, weil wir Haustiere schon sehr lange untersuchen", so Eckerle.

Das Risiko sei überschaubar, betont die Virologin, man könne sich zum Beispiel schützen, indem man Haustiere nicht im eigenen Bett schlafen lässt und sich oft die Hände wäscht.

Symbolbild Toxoplasmose
Kuscheln mit der Katze? Besser nicht.Bild: Colourbox

Besondere Gefahren

"Ich glaube, die häufigsten Zoonosen sind die, von denen wir gar nicht so viel hören, weil sie nicht von Mensch zu Mensch weiter übertragen werden. Für die Person, die infiziert wird, ist es meist tragisch oder folgenreich, aber für die gesamte Population ist es kein größeres Risiko", erläutert Eckerle.

Denn viele Erreger haben nur ein geringes Potential, von einem Menschen zu einem anderen zu gelangen. Diese Zoonosen lassen sich recht gut eindämmen, denn Ärzte können einzelne Personen relativ einfach testen. Anders sieht es aus, wenn sich eine Pandemie entwickelt, so wie bei Corona. "Jetzt ist es ein Corona-Virus, in ein paar Jahren ist es vielleicht ein anderes Virus. Das Problem ist vielmehr, was wir daraus machen", resümiert Eckerle.

Man müsse sich darüber im Klaren werden, wie sich Menschen von Wildtieren oder Krankheitserregern fernhalten können. "Wir müssen dafür sorgen können, dass Ökosysteme erhalten bleiben", fordert Eckerle. "Es ist eine ähnliche Situation wie beim Klimawandel. Man weiß, dass man so nicht weitermachen kann und dringend Schritte unternehmen muss. Aber man schafft es irgendwie nicht, nimmt es nicht ernst, bis es dann irgendwann zu spät ist."

Zoonosen - wie gefährlich sind sie?