Die Macht der Waffen
24. April 2018Faustin Archange Touadera zeigt sich bemüht um Versöhnung. Der Präsident der Zentralafrikanischen Republik sprach mit Repräsentanten der politischen Gruppen und Rebellenbewegungen. Touadera bietet den Kämpfern, die offiziell längst Vertreter in der zivilen Regierung haben, die "ausgestreckte Hand". Am Montag betonte er, dass er Kämpfer schneller demobilisieren und entwaffnen will.
In den letzten Wochen hat es eine Vielzahl an blutigen Konflikten gegeben. Im muslimisch dominierten Geschäftsviertel PK5 der Hauptstadt Bangui haben Kämpfer zu den Waffen gegriffen. Sie behaupten, die Belange der muslimischen Bevölkerung im Land würden nicht ernstgenommen.
Als Blauhelmtruppen in der Hauptstadt Bangui schwerbewaffnete kriminelle Gruppen entwaffnen und festnehmen wollten, wurde ein Blauhelmsoldat getötet und acht weitere verletzt. Anfang April starben bei Gefechten mit MINUSCA-Soldaten laut lokalen Quellen mindestens 21 Menschen. Bislang konnte nicht geklärt werden, ob es sich dabei um zivile Opfer oder Mitglieder der bewaffneten Gruppen handelt.
Blauhelme ohne robustes Mandat
"Die Gewalt in PK5 hält schon zu lange an. Kriminelle Gruppen haben sich dort eingerichtet, die Gewalt gegenüber der Bevölkerung dort ist inakzeptabel. Und sie verfügen über eine Menge Waffen", sagt MINUSCA-Chef Parfait Onanga-Anyanga der DW. Er betont, die UN hätten auf Hilferufe aus der Bevölkerung reagiert.
Doch viele im Land verlangen mehr von den Blauhelmen — sie wollen, dass die UN-Truppen gezielt gegen die Rebellen vorgehen. Doch die MINUSCA verfügt über kein robustes Mandat und kann nur durchgreifen, wenn sie direkt bedroht ist. Die nationale Armee hingegen gilt als unterfinanziert und schlecht ausgerüstet — auch wegen eines internationalen Waffenembargos, das die Milizen erfolgreich umgehen.
Ohnmacht des Staats
Zwei Jahre ist Präsident Touadera nun schon im Amt, ebenso lange ist der Konflikt offiziell beigelegt und die Übergangsregierung durch eine souveräne Regierung abgelöst. Heute seien alle Provinz- und Distriktgoverneure wieder auf ihren Posten, sagt Premierminister Simplice Sarandji der DW. Die Staatsmacht sei auf dem ganzen Gebiet garantiert. Doch die Krise dauert an.
Hunderttausende Flüchtlinge belasten die ohnehin angespannte Region Zentralafrika. Von wahrer Staatsgewalt könne da nicht die Rede sein, sagt Antoinette Montaigne, die ehemalige Versöhnungsministerin und Beraterin der Übergangspräsidentin Catherine Samba-Panza, im DW-Gespräch.
"Die nationale Wirtschaft liegt am Boden, aber die bewaffneten Gruppen florieren wie noch nie und erheben Zölle, die eigentlich dem Staat zustünden. Der Staat hingegen kann seinen Pflichten wegen der leeren Kassen nicht nachkommen."
Angst vor Frieden?
"Wenn die Menschen so lange im Krieg gelebt haben wie in der Zentralafrikanischen Republik, sitzt das Trauma tief", sagt Kag Sanoussi. Der Togoer leitet die Nichtregierungsorganisation Institut International de Gestion des Conflits. "Manche haben geradezu Angst vor dem Frieden. Sie provozieren kriegerische Auseinandersetzungen — dabei hat der Krieg diesem Land nie etwas gebracht."
Die Internationale Gemeinschaft könnte helfen. Doch die MINUSCA ist in Verruf geraten — zuletzt wegen eines UN-Soldaten, dem vorgeworfen wird, Rebellen mit Waffen und Munition versorgt zu haben. Missionsleiter Onanga-Anyanga spricht von der unwürdigen Tat eines Einzelnen, die eine harte Bestrafung verdiene. Doch der Imageschaden ist da.
Dass auch die Demobilisierung sehr langsam vorangeht, macht die Sache nicht besser — auch wenn der MINUSCA-Chef davon ausgeht, dass bis zu 240 Kämpfer von 12 Milizen bereits in die nationale Armee integriert worden seien. Manche Zentralafrikaner hoffen nun auf russische Militärausbilder, die mit dem Segen des UN-Sicherheitsrats bereits Waffen ausgeben — zu Ausbildungszwecken.
Die ungleiche Verteilung von Waffen
Diese Hilfe geht Sanoussi aber nicht weit genug. Eine Aufhebung des Embargos sei überfällig, auch angesichts der großen Menge an Gewehren und Munition, die in der Region im Umlauf seien: "Ein Staat kann es nicht mit Gruppen aufnehmen, die sich kontinuierlich über den Schwarzmarkt mit Waffen versorgen, wenn er selbst nicht einmal über die Mittel der militärischen Abschreckung verfügt, um die Verhandlungen gelingen zu lassen." Hierbei gehe es nicht um Kriegsführung, sondern um die Sicherung des staatlichen Gewaltmonopols, ohne das der Dialog zum Scheitern verurteilt sei.
Mit den jüngsten Kämpfen in Bangui droht eine erneute Polarisierung des Konflikts entlang religiöser Linien. Muslimische Milizen im Land drohen seit vergangener Woche mit einem Vormarsch auf die Hauptstadt, christliche Gruppen haben nachgezogen. Die weitere Entwicklung hängt nun davon ab, ob es gelingt, den Konflikt auf die politische Bühne zu verlagern.
Mitarbeit: Eric Topona