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"Mali aus der Geiselhaft von Terroristen befreien"

Fréjus Quenum / km17. Dezember 2015

Mali bleibt im Visier von Islamisten: Ende November wurden mehr als 20 Menschen bei einer Geiselnahme in Bamako getötet. Im DW-Gespräch verteidigt Versöhnungsminister Ould Sidi Mohamed Zahabi den Friedensprozess.

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Mali Islam Radikalisierung im Alltag (Foto: AFP)
Bild: Getty Images/AFP/J. Saget

DW: Im Sommer haben die malische Regierung und die Rebellengruppen, vor allem der Zusammenschluss der Bewegungen des Azawad (MAC), in Algier einen Friedensvertrag unterzeichnet. Wie kommt der Versöhnungsprozess voran?

Ould Sidi Mohamed Zahabi: Sehr gut. Und alle Malier - egal ob im Land selbst oder im Ausland- wünschen sich Frieden und Versöhnung. Denn wir sind ein Staat mit einer langen Tradition des Zusammenlebens und kultureller Harmonie - das war immer die Stärke Malis.

Und wie entwickelt sich der Norden, der von 2012 bis 2013 in den Händen islamistischer Terrorgruppen war?

Der Friedensvertrag ist dort besonders wichtig. Alle Bereiche der malischen Gesellschaft wurden eingebunden. Das unterscheidet diesen Vertrag von früheren, wo nur die Regierung und bewaffnete Gruppen verhandelten. Aber jetzt war auch die malische Zivilgesellschaft beteiligt. Bereits im Vorfeld haben sich Gremien mit der Dezentralisierung und der Frage des Nordens auseinandergesetzt. Das war sehr wichtig, sie haben Empfehlungen abgegeben und den Rahmen der Friedensverhandlungen abgesteckt.

Präsident Ibrahim Boubacar Këita hatte zuvor eine rote Linie festgelegt, also Prinzipien, die nicht zur Diskussion standen. Das sind die nationale Einheit Malis und die Trennung von Staat und Religion. Heute stehen alle Malier hinter diesem Friedensvertrag. Und er wird jetzt von vier Kommissionen umgesetzt: Sie befassen sich mit Sicherheit, dem Aufbau staatlicher Institutionen, Entwicklung sowie nationaler Versöhnung und humanitärer Hilfe.

Der Kommission für Gerechtigkeit und Versöhnung hat ihre Arbeit im Oktober aufgenommen, ihr Mandat ist auf drei Jahre festgelegt. Was soll sie in dieser Zeit konkret erreichen?

Zunächst einmal geht es darum, einen eigenen Ansatz zu formulieren, indem man sich auch andere Beispiele in der Region anschaut. Ziel ist, dass die Opfer zu Wort kommen, seien es Bewaffnete oder Zivilisten. Es ist wichtig, dass ihre Rechte anerkannt werden, dass es keine Straflosigkeit gibt, und dass sie entschädigt werden.

Versöhnung geht üblicherweise Hand in Hand mit der Justiz - also möglicherweise auch mit der Bestrafung von Milizionären. Fürchten Sie, dass das zu weiteren Konflikten führen könnte?

Ich kann die Entscheidungen der Versöhnungskommission nicht vorweg nehmen. Sie muss jetzt untersuchen, was wirklich passiert ist, die Opfer anhören, die Informationen abwägen und auch nachprüfen. Denn bei Konflikten geht es nicht nur um die bewaffnete Auseinandersetzung, sondern auch um den Krieg der Informationen.

Sidi Zahabi Minister für nationale Versöhnung in Mali (Foto: AFP)
Sidi Zahabi, Malis Minister für Nationale VersöhnungBild: Getty Images/AFP/F. Batiche

Ziel des Friedensvertrags war es auch, diejenigen zu isolieren, die das Land zu ihren Zwecken destabilisieren wollen - etwa um das Schmuggelgeschäft im Norden aufrechtzuerhalten. Hat sich da inzwischen etwas geändert? Schließlich verüben Terroristen nach wie vor Anschläge, wie zuletzt auf das Radisson Blue-Hotel in der Hauptstadt Bamako.

Es ist leider wahr, wir sind Opfer dieser Terroristen. Man muss zugeben, dass die mangelnde Kontrolle über die Gesamtheit unseres Staatsgebietes das Aufkommen dieser Gruppen und die organisierte Kriminalität begünstigt hat.

Diese Leute sind doch aber bekannt.

Die Entwaffnung der Milizen, die im Friedensvertrag festgelegt ist, muss jetzt zügig beginnen. Da sind wir uns mit der UNO einig. Dann werden wir genau sehen, wer den Friedensvertrag umsetzen will. Diese Leute muss man trennen von kriminellen Banden und Dschihadisten. Denn bei denen ist klar, dass sie sich niemals entwaffnen lassen, sie verfolgen ja andere Ziele. Deshalb ist die Entwaffnung so wichtig und wir treiben sie mit unseren Partnern von den Vereinten Nationen jetzt voran. Die Malier wollen, dass hier endlich was passiert.

Kurz vor dem Angriff auf das Radisson Blue Hotel in Bamako hat Iyad Ag Ghali, ein sehr bekannter Tuareg-Rebell diejenigen kritisiert, die den Friedensvertrag unterschrieben haben. In einer Botschaft hat er gesagt, er werde sie nicht gewähren lassen. Ag Ghali ist doch bekannt, warum kann er sich völlig frei bewegen, warum wird er nicht bestraft?

Diese Frage kann ich nicht beantworten. Wir können nur aufgrund dessen urteilen, was wir sehen. Laut seiner Botschaft ist er ganz deutlich nicht Teil des Friedensprozesses. Es ist klar, dass alle, die den Friedensprozess unterstützen, hier Verantwortung übernehmen und deutlich gegen die vorgehen, die keinen Frieden wollen.

Was den Friedensdialog in Mali betrifft: Fühlt sich die malische Regierung unwohl, weil sie nun mit Leuten in einen Dialog treten muss, mit denen sie das lieber nicht tun würde?

Hier sind wir sehr deutlich: Niemand kann die malische Regierung zu irgendetwas zwingen. Die malische Regierung hat sich immer für Frieden und die nationale Versöhnung ausgesprochen. Der Präsident hat gesagt: Wer sich dem Friedensprozess anschließen will, wer die Gewalt hinter sich lassen will, ist am Verhandlungstisch willkommen. Denn wir sind doch alle Malier. Aber all diejenigen, die das nicht wollen, müssen jetzt lernen, dass sie das malische Volk nicht ewig in Geiselhaft nehmen können - nur weil es einige Kriminelle gibt, die sie daran hindern, in ihrem eigenen Land zu leben. Die malische Regierung ist entschlossen, jede Form des Terrorismus zu bekämpfen. Die Terroristen dürfen sich nicht weiter ausbreiten, das werden wir verhindern - natürlich in Kooperation mit unseren internationalen Partnern, die vor Ort mit uns im Einsatz sind.

Ould Sidi Mohamed Zahabi ist seit Frühjahr 2014 Minister für Nationale Versöhnung und Entwicklung. Davor war er Außenminister in Mali und hat für die Vereinten Nationen in der Elfenbeinküste und im Sudan gearbeitet.

Das Interview führte Fréjus Quénum.