Züngelnde Zeitbomben
30. Oktober 2002Lava-Fontänen schießen mehrere hundert Meter in die Höhe. Glühende Gesteinsmassen wälzen sich ins Tal, schmelzen Stützpfeiler von Skiliften und Seilbahnen. Der Ätna, Europas aktivster Vulkan, hat sich nach einjähriger Feuerpause zurückgemeldet. Die Bevölkerung rund um den mehr als 3300 Meter hohen Berg, der seit dem 27. Oktober 2002 aktiv ist, wurde evakuiert. Italienische Zeitungen beziffern den Schaden derzeit auf mehrere Millionen Euro.
Gefahr nicht unterschätzen
2002 zählt bereits jetzt zu den aktiven Vulkanjahren. Nach dem Ausbruch in der kongolesischen Grenzstadt Goma im Januar und den Eruptionen des mexikanischen Feuerberges Colima im April, kam es bereits zu rund 16 Vulkanausbrüchen. Besondere Aufmerksamkeit richten Wissenschaftler momentan auf den italienischen Vesuv, der nur wenige Kilometer von Neapel entfernt liegt, den Mauna Lona auf Hawaii und den Fujii-Vulkan in Japan. Alle drei Berge weisen Ausdehnungen der Erdoberfläche auf: klassische Anzeichen von möglichen bevorstehenden Ausbrüchen.
Vulkanen sind nicht zu unterschätzen, so warnen Experten. "Eine Risikoanalyse für die Zeit nach einem Ausbruch des Fujii veranschlagt wirtschaftliche Verluste in Höhe von 20 Milliarden Dollar", erläutert Professor Hans-Ulrich Schmincke im Gespräch mit DW-WORLD. Als Vergleichsmaßstab nennt der Experte des Forschungsinstituts Geomar in Kiel das Erdbeben in Kobe von 1995. "Der Schaden in Kobe, der schlimmsten Umweltkatastrophe des Jahrhunderts, betrug vergleichsweise geringe fünf Milliarden Dollar."
Unberechenbare Natur
Neue Messtechniken haben die Möglichkeit zur Prognose von bevorstehenden Vulkanausbrüchen zwar deutlich verbessert. So ist manch ein Vulkan inzwischen seismographisch verkabelt wie ein Patient auf der Intensivstation. Doch trotz Satelliteneinsatz und physikalischen Vulkanmodellen im Labor bleibt die Vorhersage oft vage. - Auch wenn die Forschungsaktivitäten an den 16 gefährlichsten Feuerbergen der Welt im Rahmen eines Programms der Vereinten Nationen deutlich intensiviert wurden. "Es handelt sich hier schließlich um ein äußerst komplexes System mit einer Vielzahl von Variablen", erklärt Schmincke.
Bei aller Wissenschaft erweist sich die Natur jedoch einfach häufig unberechenbarer als zunächst angenommen. Der Vulkan St. Helena in Kanada beispielsweise brach zwar am angekündigten Tag aus, aber völlig anders als erwartet. "Lavafontänen drangen aus der Bergseite und nicht aus der Spitze", weiß Dr. Armin Freundt, wissenschaftlicher Mitarbeiter am Geomar in Kiel zu berichten.
Vulkan-Ausbruch in Deutschland 2035 oder 3057?
Auch einen Vulkanausbruch in Deutschland schließt Freundt nicht aus. Eine Eruption des Laacher-See Vulkans in der Ost-Eifel würde "zu katastrophalen Situationen in Rheinland-Pfalz und Hessen führen", erklärt der Wissenschaftler. Ob ein Ausbruch allerdings in 100 oder erst in 1000 Jahren stattfindet, lässt sich auch mit modernster Technik noch nicht vorhersagen.