Verspätete Auszeichung
8. Mai 2013"Ich widme diesen Preis allen Menschen auf der Welt, die die neuen Technologien nutzen, um ihre Wirklichkeit zu erzählen und zu verbessern", bedankte sich Yoani Sánchez in einer kurzen Rede auf Deutsch. Vor ihrer Zeit als Netzaktivistin hatte sie zwei Jahre in der Schweiz gelebt. Die Verleihung fand im Rahmen der Vorstellung der sechs diesjährigen Bobs-Gewinner " The Bobs' Six Winners" auf der Internetkonferenz re:publica in Berlin statt.
Den Preis erhielt Yoani Sanchéz aus den Händen von DW-Chefredakteurin Ute Schaeffer (Artikelbild). "Die Welt braucht Menschen wie Sie, Yoani. Menschen mit Mut, einer klaren Vision und einer poetischen Stimme", sagte Ute Schaeffer in ihrer Laudatio. "Die Deutsche Welle ist stolz, Blogger und Internetaktivisten wie Sie im Kampf für Menschenrechte und freie Meinungsäußerung unterstützen zu können."
Seit 2007 schreibt sie auf ihrem Blog "Generacion Y" über den Alltag in Kuba. Ein Jahr später zeichnete die Bobs-Jury Sánchez dafür mit dem "Best Blog"-Award aus. Doch die kubanischen Behörden verhinderten ihre Ausreise. Fünf Jahre lang konnte sie den Preis nicht entgegennehmen. Nun strahlte die Frau mit den sanften Gesichtszügen und den hüftlangen schwarzen Haaren stolz von der Hauptbühne der re:publica ins Publikum herab. Außer ihr gab es an diesem Abend noch sechs andere Gewinner, deren Projekte durch die Bobs-Jury vorgestellt wurden - ausgewählt aus über 4200 Einreichungen aus der ganzen Welt.
Best Blog
Der chinesische Buchautor und Kolumnist Li Chengpeng gewinnt den Preis für das beste Blog. In China ist er zur Galionsfigur der Anti-Zensur-Bewegung geworden. Auf der Lesereise für sein neues Buch "Die ganze Welt weiß Bescheid" verboten ihm die Behörden das Wort. Bei seinen "stummen Lesungen" trat Li Chengpeng mit Mundschutz und einem T-Shirt mit dem Aufdruck "Ich liebe euch alle" auf. Das T-Shirt und der Mundschutz sind zu Symbolen des Widerstandes in China geworden - millionenfach nachgeahmt. "Er ist ein Vorbild für die jüngere Generation. Er ermutigt sie, sich einzumischen und gegen Zensur einzustehen", begründete Jury-Mitglied und Blogger Hu Yong die Entscheidung.
Best Social Activism Campaign
Die marokkanische Jugendinitiative 475 erhält für ihren Einsatz für die Rechte vergewaltigter Frauen einen Bob für die beste Internetkampagne. In Marokko kann ein Vergewaltiger laut Artikel 475 des Gesetzbuches straffrei davonkommen, wenn er sein Opfer heiratet. Die Geschichte von Amina, die 2012 im Alter von 16 Jahren Selbstmord beging, ist Thema des Films "475" und der Social-Media-Kampagne auf Facebook und Flickr. Der Kampf gegen das Gesetz sei auch im Hinblick auf die jüngsten Vergewaltigungsfälle in Indien "ein wichtiges Signal für Aktivisten auf der ganzen Welt, die sich für die Rechte von Frauen einsetzen", so die Jury.
Best Innovation
Einen Einblick in das Zensurverhalten der chinesischen Regierung zu geben, ist das Ziel des Microblogging-Dienstes FreeWeibo.com. Die Plattform bietet einen zensurfreien Zugang zu SinaWeibo.com, eines der meist genutzten sozialen Netzwerke in China. Dank FreeWibo.com können User nachvollziehen, welche Nachrichten von den Behörden gelöscht werden. Die Jury: "Die systematische Zensur ist eines der größten Probleme im heutigen China. Nur, wenn sie sichtbar gemacht wird, können die Menschen auch etwas dagegen tun."
Reporters Without Borders
Auch in diesem Jahr zeichnen die Bobs in Zusammenarbeit mit der Organisation "Reporter ohne Grenzen" Blogs aus, die sich in herausragender Weise für die freie Meinungsäußerung einsetzen. In diesem Jahr gewinnt den Spezial-Preis die junge Bloggerin und Menschenrechtsaktivistin Fabbi Kousassi aus dem westafrikanischen Land Togo. Sie nutzt ihren Blog, um über die extreme Polizeigewalt gegen Journalisten in dem autoritär regierten Land zu berichten.
Global Media Forum Award
Die Herausforderungen der globalen Wirtschaft - das ist das Thema des diesjährigen Deutsche Welle Global Media Forums vom 17. bis 19. Juni 2013 in Bonn. Die Bobs widmen sich dem Schwerpunkt mit einer eigenen Kategorie. Durchgesetzt hat sich das Sozialprojekt "Infolady" aus Bangladesh. "Infoladies" sind junge Frauen, die mit dem Fahrrad entlegene und vom Internet abgeschnittene Dörfer besuchen. Ausgerüstet mit Netbooks und Smartphones helfen sie den Bewohnern, Antworten auf Fragen rund um Gesundheit, Landwirtschaft und Entwicklung zu finden. Für die Jury sei es "ein revolutionäres Projekt, das den Ärmsten in Bangladesh lebenswichtige Informationen zur Verfügung stellt."
Most Creative & Original
Welche Spuren hinterlassen wir im Internet? Mit dieser Frage beschäftigt sich das Projekt "Me and My Shadow". Die Webseite bringt Nutzern auf spielerische Weise bei, sich sicher im Internet zu bewegen und gibt praktische Tipps - zum Beispiel für die Veränderung von Browser-Einstellungen. Hinter der Webseite steht die internationale Vereinigung Tactical Technology Collective, die weltweit Menschenrechtsaktivisten im Umgang mit den neusten Netztechnologien schult. Gerade in Staaten, die Überwachung und Zensur betreiben, sei es wichtig, vorsichtig zu sein, betonte die Jury. "Schließlich geht es in manchen Fällen um Leben oder Tod", stellte Jury-Mitglied Georgia Popplewell aus Trinidad und Tobago fest.
"The Bobs - Best of Online Activism" wurde von der Deutschen Welle 2004 ins Leben gerufen - mit dem Ziel, die Meinungsfreiheit im Internet voranzutreiben und einen offenen Austausch ohne Zensur zu fördern. Neben der Jury konnten auch Internetnutzer an der Bobs-Abstimmung teilnehmen. Die Gewinner der einzelnen Publikumskategorien kann man auf der Webseite der Bobs nachlesen.