WTO nimmt neuen Anlauf
8. November 2005In den Verhandlungen der Welthandelsorganisation WTO ringen die EU, die USA und die Entwicklungsländer um einen Abbau der westlichen Subventionen und der Importzölle für landwirtschaftliche Produkte, die den Wettbewerb in armen Ländern behindern.
Hongkong: Ringen um neue Handelsregeln
Bei der Ministerkonferenz der WTO in Hongkong (13. bis 18. Dezember) soll den Handelsministern der 148 Mitgliedsländer ein detaillierter Entwurf für eine neue Handelsvereinbarung vorgelegt werden.
Um vor dem Treffen in Hongkong noch wichtige Hürden auszuräumen, traf EU-Handelskommissar Peter Mandelson am Montag (7.11.) in London mit Vertretern der USA, Japans, Brasiliens und Indiens zusammen. Am Dienstag wurden die Fünfergespräche in Genf mit WTO-Generaldirektor Pascal Lamy fortgesetzt. Mandelson warnte davor, die Erwartungen an die Welthandelsgespräche herunterzuschrauben. "Sobald die Erwartungen reduziert werden, droht Gleichgültigkeit aufzuziehen", sagte Lamy. Er reagierte damit auf jüngste Äußerungen Brasiliens und Indiens, dass möglicherweise die gesteckten Ziele in Hongkong nicht erreicht würden.
Ziel der Gespräche in London und Genf ist es, erste Entwürfe für ein gemeinsames Angebot zur Ministertagung in Hongkong aufzustellen. Angesichts der unterschiedlichen Interessen dieser fünf Parteien könnte ein gemeinsamer Vorstoß Signalcharakter haben, um im Kreis der WTO-Staaten einen Konsens zu erreichen. Doch die Chancen für eine Einigung stehen schlecht.
Problemfeld Landwirtschaft
Eine Schlüsselfunktion kommt nach wie vor dem Agrarsektor zu, dem bisher schwierigsten Feld. Mandelson hat den Handelspartnern angeboten, dass die EU ihre Exportsubventionen für Agrarprodukte um bis zu 46 Prozent und ihre Agrareinfuhrzölle um knapp 40 Prozent senkt. Damit soll vor allem Entwicklungsländern der europäische Markt für deren Produkte geöffnet werden. Im Gegenzug fordert die EU aber besonders von den USA ähnliche Schritte.
Frankreich blockiert die Verhandlungen
Frankreich dagegen geht das Angebot zu weit. Es will bei den Welthandelsgesprächen keiner Vereinbarung zustimmen, die die gegenwärtige Agrarpolitik der EU in Frage stellt. Das Land beharrt auf den hohen Subventionen aus Brüssel und hat wiederholt sein Veto gegen mögliche Zugeständnisse Mandelsons angedroht. "Niemand sollte in dieser Frage die Entschlossenheit Frankreichs bezweifeln", sagte Außenminister Philippe Douste-Blazy in einem Interview der Zeitung "Les Echos".
EU-Handelskommissar Mandelson dagegen sieht sich nach den Beratungen mit den EU-Außenministern am Montag bestätigt. Die Minister hätten seine Verhandlungsführung unterstützt. Frankreich sei das einzige Land, das Zweifel habe. Mandelson warnte davor, durch öffentliche Kritik an der Kommission ihren Stand in den Welthandelsgesprächen zu schwächen.
Brasilien und andere Agrarexporteure haben Mandelsons Angebot als unzureichend kritisiert. Sie werfen der EU vor, wichtige Produkte wie Rindfleisch, Geflügel und Zucker von hohen Zollsenkungen auszunehmen.
Nichtregierungs-Organisationen protestieren
Genau diese Ausnahmeregelungen ärgern auch Nichtregierungs-Organisationen wie Oxfam International. "Gerade diese Produkte sind für Entwicklungsländer wichtig", sagt Louis Bélanger. Er fragt sich daher, ob es sich bei Mandelsons Angebot überhaupt um ein ernst gemeintes Angebot handele.
Vor allem aber ärgere ihn die starre französische Haltung. "Frankreich behauptet immer, dass vor allem kleine Bauern von den Subventionen profitieren. Eine neue Studie zeigt aber das genaue Gegenteil," sagt Bélanger.
Tatsächlich veröffentlichte die Zeitung "La Tribune" Zahlen, wonach die größten französischen Agrarbetriebe den Löwenanteil der nach Frankreich fließenden EU-Agrarsubventionen verschlingen. Die zwölf größten Betriebe erhalten demnach jeweils mehr als 500.000 Euro pro Jahr an Subventionen.
Gegen eine weitere Liberalisierung
Auch andere NGOs kritisieren die EU-Exportsubventionen für Agrarprodukte. Die staatliche Mitfinanzierung führe zu Preisdumping auf Kosten der ärmsten Länder.
Die EU dürfe bei der WTO-Konferenz in Hongkong nicht weiter auf eine Liberalisierung der Märkte in Entwicklungsländern drängen, denn eine zu schnelle und umfassende Liberalisierung habe fast immer negative Auswirkungen auf Arbeitsbedingungen und Umwelt. Den ärmsten Ländern müsse das Recht zugestanden werden, selbst zu entscheiden, wie weit sie ihre Märkte öffnen, meinen die Sprecher von Oxfam und Action Aid.
Letztlich sind die Agrarsubventionen aber nur ein Streitpunkt zwischen den Welthandelsmächten. Ziel der Hongkong-Konferenz ist auch der Abbau der Zölle für Industriegüter und die Öffnung der nationalen Märkte für den Dienstleistungsmarkt. Bis zu einer Einigung in allen Fragen der Doha-Runde ist es noch ein weiter Weg.