Klimaforscher untersuchen die Fluchtursache Klimawandel
20. Mai 2016Äthiopien: Starkregen überschwemmt den Südosten des Landes - mehr als 40 Menschen sterben. Somalia: eine der schlimmsten Dürren seit Jahrzehnten zerstört den Feldanbau in mehren Provinzen. Malawi: bereits die zweite Ernte fällt aus, weil das Land von einer Dürreperiode in die nächste schlittert.
Es sind diese Meldungen der vergangenen Wochen, die Klimaforscher in Berlin umtreiben. Eine ungewöhnliche lange Dürreperiode hat das südliche und östliche Afrika erfasst. Laut UNICEF sind rund 50 Millionen Menschen direkt von diesen extremen Wetterbedingungen betroffen.
Migrationsforscherin Susanne Melde vom erst kürzlich in Berlin eröffneten Global Migration Data Analysis Centre (GMDAC) macht dies deutlich: Die Fluchtursache Klimawandel, hier sichtbar in Form von sich selbst verstärkenden Extremwetterlagen, gewinnt zunehmend an Bedeutung.
Aktuelle Studien des International Displacement Monitoring Centre aus Genf belegen, dass in den vergangenen acht Jahren mehr als 200 Millionen Menschen aufgrund von Naturkatastrophen ihre Häuser verlassen mussten oder evakuiert worden sind.
Flucht im eigenen Land
Doch die Zufluchtsorte für all jene, die vor Dürre, Starkregen oder Landerosion fliehen, liegen meist nicht in fernen Ländern, sagt Mariam Traore Chazalnoel. Sie ist Klimaexpertin bei der Internationalen Organisation für Migration (IOM) und beschäftigt sich mit den Migrationswegen all jener, die ihre Heimatregion verlassen müssen, weil kein Ackerbau, keine Subsistenzwirtschaft mehr möglich ist. Riesige Migrationsströme, ausgelöst durch Extremwetterbedingungen, hält sie für unwahrscheinlich.
Die meisten Migrationsbewegungen finden innerhalb des betroffenen Staats statt. Migrationsforscherin Susanne Melde kann das mit Blick auf verfügbare Statistiken bestätigen."Wenn man sich kein Busticket oder Flugticket leisten kann, kann man eben auch nicht woanders hingehen," erklärt sie. Die einzige Option sei daher oft die nächste Stadt, oder aber eine andere Provinz desselben Landes.
In Fallstudien hat die Wissenschaftlerin Anpassungsstrategien in sechs Ländern daraufhin untersucht, wann und in welchem Ausmaß Migration dabei eine Rolle spielt. Ihr Fazit: Umwelt- und Naturkatastrophen werden nur dann zur Fluchtursache, wenn lokale Behörden überfordert sind und die Bevölkerung gänzlich unvorbereitet ist. Melde verdeutlicht dies am Beispiel der beiden Länder Haiti und der Dominikanischen Republik, die sich in der Karibik eine Insel teilen.
Lebenswichtige Prävention
"Die Dominikanische Republik hat ausgeklügelte Evakuierungspläne, die sehr weit fortgeschritten sind", so Migrationsforscherin Melde. Die Behörden wüssten, was sie im Fall einer Naturkatastrophe machen müssten, und auch die Bevölkerung sei informiert. Das Gegenteil sei im angrenzenden Haiti der Fall. Hier fehlten entsprechende Vorkehrungsmaßnahmen, es fehle an Personal, Geld und Informationen. "Die Lage im Land hängt nicht nur vom Klima ab, sondern auch von der Fähigkeit, darauf zu reagieren", sagt Melde.
Wenn Menschen die Entscheidung träfen, wegen Dürren oder Überschwemmungen in eine andere Region zu ziehen, dann sei dies in vielen Fällen eine erfolgversprechende Strategie. Das zeigten die Fallstudien aus Haiti und der Dominikanischen Republik. Umweltmigranten gehörten zu jenen, die recht schnell wieder über Einkommen verfügten. Damit könnten sie zurückgebliebene Familienmitglieder unterstützen - deutlich schneller, als staatliche Hilfe dies leisten könne.
Für die Migrationsforscher bedeutet dies - auch mit Blick auf die aktuelle Dürreperiode in Teilen des südlichen Afrikas: Nachbarländer oder besonders betroffene Regionen sollten auf politischer Ebene aushandeln, wie Umweltmigranten geordnet umgesiedelt werden können. Auch entsprechende Visa seien dafür notwendig. Würde dieser Weg konsequent verfolgt, da sind sich Klimaexperten sicher, dann könne der Fluchtgrund Klimawandel sogar positive Folgen für Nachbarländer und die regionale Zusammenarbeit haben.