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Wirtschaftsweise senken Wachstumsprognose deutlich

7. November 2018

Der wirtschaftliche Aufschwung in Deutschland schwächt sich aus Sicht der "Wirtschaftsweisen" ab. Auch angesichts der anhaltend hohen internationalen Risiken reduziert der Sachverständigenrat seine Konjunkturprognose.

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Deutschland Baustelle Albvorlandtunnel bei Kirchheim unter Teck
Bild: picture-alliance/dpa/S. Gollnow

Die fünf Wirtschaftsweisen erwarten für das laufende Jahr nun ein Wachstum des Bruttoinlandsproduktes (BIP) um 1,6 Prozent. Das geht aus dem Jahresgutachten des Sachverständigenrates zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung hervor. Im Frühjahr waren die Forscher noch von einem Wachstum von 2,3 Prozent ausgegangen. Für 2019 rechnen die Wirtschaftsweisen mit einem Zuwachs des BIP um 1,5 Prozent. Im März hatten sie hier 1,8 Prozent erwartet. Mit ihrer gesenkten Prognose sind Sachverständigen nun sogar pessimistischer als die Bundesregierung, die für beide Jahre 1,8 Prozent vorhersagt.

"Die ungewisse Zukunft der globalen Wirtschaftsordnung und der demografische Wandel stellen die deutsche Volkswirtschaft vor große Herausforderungen", erklärte der Vorsitzende des Sachverständigenrates, Christoph Schmidt. Die Bundesrepublik stehe deshalb vor "wichtigen wirtschaftspolitischen Weichenstellungen". 

Vielerlei Risiken

"Die deutsche Volkswirtschaft befindet sich in einer der längsten Aufschwungphasen der Nachkriegszeit", heißt es in dem Gutachten. Risiken seien allerdings der Zollstreit, ein ungeordneter EU-Austritt Großbritanniens oder ein Wiederaufflammen der Euro-Krise. "Aufgrund der Handelskonflikte, Produktionsproblemen in der Automobilwirtschaft und zunehmenden Kapazitätsengpässen ist mit einer Abschwächung des Wachstums zu rechnen", erklärte die Wirtschaftsweise Isabel Schnabel.

Deutschland Übergabe Jahresgutachten des Sachverständigenrates
Christoph Schmidt (rechts) bei der Übergabe des Gutachtens der Wirtschaftsweisen an Kanzlerin MerkelBild: Getty Images/AFP/T. Schwarz

Als geeignete Maßnahmen regen die fünf Ökonomen unter anderem an, den verschärften internationalen Steuerwettbewerb anzunehmen und den Solidaritätszuschlag vollständig abschaffen. Der Soli soll bisher für 90 Prozent der Zahler abgeschafft werden.

Angesichts der hohen Preisdynamik auf dem deutschen Immobilienmarkt seien Maßnahmen zur Ausweitung des Angebots angezeigt. "Die Mietpreisbremse setzt nur an Symptomen an und ist nicht zielführend. Sinnvoll sind Reformen der Grund- und Grunderwerbsteuer sowie eine Stärkung des Wohngelds. Der soziale Wohnungsbau sollte besser ausgestaltet werden", empfehlen die fünf Weisen.

Warnung vor Protektionismus

Wegen der aggressiven Handelspolitik von US-Präsident Donald Trump sollte die EU protektionistischen Tendenzen entgegentreten. Die Ökonomen erklärten aber auch: "Die EU sollte innerhalb der Regeln der Welthandelsorganisation Vergeltungsmaßnahmen in Betracht ziehen, um Regelverletzungen glaubwürdig zu bestrafen." Die Situation sei jedoch bislang nicht mit einem Handelskrieg wie in den 1920er- und 1930er-Jahren zu vergleichen.

Angesichts der hohen Schuldenstände in EU-Ländern wären aus Sicht der Experten Maßnahmen zur Stärkung und besseren Durchsetzbarkeit des finanzpolitischen Regelwerks in der Europäischen Union hilfreich. Gleiches gelte für eine Weiterentwicklung des Euro-Rettungsschirms ESM, so dass eine geordnete Umschuldung von staatlichen Verbindlichkeiten möglich werde.

Höheres Renteneintrittsalter

Vorbehalte äußerte der Sachverständigenrat gegenüber der von Finanzminister Olaf Scholz geforderten langfristigen Stabilisierung des Rentenniveaus. Wolle man die "doppelte Haltelinie" beim Beitragssatz und dem Sicherungsniveau bis 2040 bei gleichbleibendem Renteneintrittsalter festschreiben, würde das erheblich höhere Bundeszuschüsse nötig machen und vermutlich zu Steuererhöhungen führen. Stattdessen sei eine allgemeine Erhöhung des Renteneintrittsalters nötig.

Der Sachverständigenrat zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung wurde 1963 eingerichtet, um die Politik zu beraten. Vorsitzender ist derzeit der Ökonom Christoph Schmidt. Die fünf Mitglieder des Sachverständigenrats werden auf Vorschlag der Bundesregierung für jeweils fünf Jahre berufen. Ihr Jahresgutachten listet Empfehlungen auf. Diese sind für die Bundesregierung aber nicht bindend.

kle/sti (afp, dpa, rtr)