Wird Spaniens Olivenöl zum Luxusgut?
16. Dezember 2023Für den Olivenbaum fängt im Herbst der eigentliche Stress an. Die langen Dürreperioden von April bis September und plötzlichen Frost im November kann der olivar eigentlich gut ertragen, aber wenn er zwischen Oktober und Februar unter starkem Schütteln seine Früchte verliert und dann direkt beschnitten wird, "dann leidet er", sagt Rubén Gómez, der die Produktion und Ernte bei dem Traditionsunternehmen García de la Cruz überwacht. "Bisher durfte er sich ein Jahr ausruhen, aber das wird sich bald ändern", kündigt er an.
Auf seiner steinigen Plantage bei Toledo wird derzeit auch geerntet. Hier ist der Boden anders als im Oliven-Mekka Jaén in Andalusien nicht schön rotbraun, sondern eher langweilig grau. Seit Anfang Oktober sind Gómez Leute auf dem Feld aktiv. Ein Traktor mit einer speziellen Vorrichtung greift sich jeden Baumstamm und schüttelt ihn, gleichzeitig schlagen Männer mit langen Stöcken auf die Äste.
Je nach Reifegrad regnet es grüne, rosa oder schwarze Oliven auf das unter dem Baum ausgespannte schwarze Netz. "Für den Baum ist es ein enormer Stress. Das Vibrieren sollte deswegen nicht länger als 15 Sekunden dauern und das Schlagen sollte vorsichtig erfolgen", erklärt Gómez. In der Regel bringt jeder Baum rund 40 Kilo an Früchten.
Die Dürre und ihre Folgen
Die historische Dürre in einigen Regionen in Spanien führt vielerorts jedoch zu sehr schlechten Ernten. Der Olivenbaum braucht eigentlich kein Wasser, aber während der Blüte im Mai kann er zu viel Hitze nicht ertragen. 2023 passierte genau das. Die Preise schnellen deswegen seit Sommer in die Höhe.
García de la Cruz gehört dagegen zu den wenigen Produzenten in Spanien, die es durch eine besonders sanfte Technik des Erntens und einer teilweisen Bewässerung ihrer Plantage geschafft haben, dass ihre Bäume jedes Jahr Früchte tragen: "Das ist auch die Lösung für andere Bauern". 25 Prozent der Plantage wird inzwischen künstlich bewässert, wobei hier Sonden genau messen, wann und wie viel Wasser der Baum braucht.
Von Spanien hängt der Ölpreis ab
Das technische Wissen der Spanier beim Anbau und dem Auspressen des Olivensaftes ist inzwischen auf der ganzen Welt gefragt. Ihr Olivenöl gilt als das Beste - und sie produzieren das größte Volumen. Die Maschinen dafür kommen jedoch vor allem aus Italien und Deutschland.
Die Weltmarktpreise entscheiden sich aber im Oliven-Mekka in Jaén, wo die ganze Landschaft mit Olivenhainen überzogen ist. Derzeit liegt dort der Produzentenpreis bei rund acht Euro der Liter, im Geschäft kostet die Flasche Olivenöl ganze zehn Euro, das ist mehr als das Doppelte als noch vor zwei Jahren.
"Dennoch bleibt die Nachfrage auf dem Weltmarkt hoch", bestätigt Gómez, der in der aktuellen Situation auch eine enorme Chance sieht. Spanier haben inzwischen nicht nur Oliven-Plantagen mit ihren erfolgreichen Sorten in den USA angelegt, sondern liefern auch tonnenweise unverpacktes Olivenöl an den Konkurrenten und Zwischenhändler Italien.
Weil der das spanische Öl jedoch zur Hälfte weiter exportiert, verteuert sich das Produkt für den Endverbraucher, glaubt der Präsident der Genossenschaft Cooperativa San Sebastián-Aceites Umbrión, Antonio Cañadilla: "Spanien sollte deswegen seine Lieferkette selbst kontrollieren." Die Italiener verkauften das spanische Öl zudem unter ihren eigenen Marken, was dazu führe, dass viele in der Welt immer noch glaubten, dass sie und nicht die Spanier Marktführer beim Olivengeschäft seien: "Aber von den Genossen will keiner in Marketing und Vertrieb investieren."
Olivenöl wird zum Luxusgut
Problematisch ist auch, dass gerade die spanischen Agrar-Genossenschaften oft von veralteten Strukturen gezeichnet sind. In Spanien beherrschen sie aber 80 Prozent des Marktes. Frauen gibt es hier bisher noch wenig. Anders García de la Cruz. Das Unternehmen wurde vor 150 Jahre von einer Frau gegründet und ist eines der wenigen Olivenöl-Produzenten in Spanien, das seine Lieferkette komplett selber kontrolliert und sich damit nicht nur hohe Margen, sondern auch wettbewerbsfähigere Preise garantiert.
Sie exportieren fast ihre gesamte Produktion nach Japan und in die USA. Die Literflaschen konnten dort schon vor Jahren zum doppelten Preis als in der Heimat abgesetzt werden. Dagegen haben strukturelle Probleme auf dem spanischen Olivenmarkt und Ernteausfälle nun die Inflation in der gesamten spanischen Nahrungsmittelkette beschleunigt in den vergangenen zwei Jahren.
Auch in Spanien ist Olivenöl ein Luxusgut geworden. Nach einer Studie der Autonomen Universität von Madrid stiegen die Preise für Grundnahrungsmittel in Spanien bereits im vergangenen Jahr um 15,7 Prozent an und in diesem Jahr bleibt die Teuerungsrate ungefähr auf demselben Niveau. Als Konsequenz verändern die Spanier bereits ihre Gewohnheiten. "Der nationale Konsum von Olivenöl geht in diesem Jahr um 38 Prozent zurück", schätzt der Genossenschaftler Cañadilla.
Veraltete Vertriebsstruktur
Der spanische Ökonom Rafael Pampillón von der Madrider Universität San Pablo CEU ist überzeugt, dass an einigen Stellen spekuliert wird: "Fakt ist jedoch auch, dass das Olivenöl in Frankreich und Portugal deutlich billiger ist als bei uns." Der Grund dafür liege nicht nur darin, dass die klimatischen Verhältnisse dort besser waren, sondern auch, dass die Nachfrage hierzulande besonders hoch gewesen sei in der Vergangenheit.
In Spanien ist Olivenöl anders als in Deutschland kein Gourmet-Produkt, sondern ein Grundnahrungsmittel. Einige Supermarktketten wie die galizische Froiz oder der spanische Riese Mercadona importierten deswegen billigeres Olivenöl aus Portugal, um den Preisdruck zu reduzieren. Pampollón weist aber darauf hin, dass sie das nur können, weil sie in Portugal bereits traditionelle Vertriebsschienen aufgebaut haben: "Lieferketten können nicht einfach umgestellt werden, das kostet viel Geld." Er glaubt deswegen auch nicht, dass 2024 bei den aktuellen Klimaaussichten die Preise der Agrarprodukte in Spanien wieder sinken werden.
Warten auf 2025
Klar ist, dass der olivar dennoch der ideale Baum für Spanien ist, obwohl er unter dem Klimawandel leidet, wie der Direktor des Wasserinstituts von Kastilien-La Mancha, José María Tarujuelo Martín-Benito bestätigt: "Der Olivenbaum braucht eigentlich nur Regenwasser und hält Dürre aus. Es gibt Bäume, die schon seit mehreren hundert Jahren in Spanien sind."
Er glaubt, dass der Wassermangel in der spanischen Landwirtschaft durch Technologie behoben werden kann und Spanien seine Produktion nicht reduzieren muss. Er arbeitet selbst an Lösungen für mehr Produktivität ohne die Umwelt weiter zu belasten.
Enrique García-Tenorio geht sogar noch weiter. Der Gründer der Herkunftsbezeichnung (DO) für Olivenöl aus der Gegend "Monte de Toledo" glaubt, dass die Produktion von Olivenöl flexibler werden muss: "Nicht überall in Spanien fehlt Wasser. Wir hier in Toledo haben nicht so viel gelitten wie Jaén." Er rechnet zudem damit, dass sich der Markt 2025 erholen wird und damit auch die Preise für Olivenöl. García-Tenorio würde wetten, dass dann der Liter wieder zwischen drei und vier Euro im Laden kostet.