Wirbelstürme: Entstehung einer Naturgewalt
28. August 2017Es könnte sein, dass Hurrikan "Harvey" das Festland der USA bald wieder verlässt und auf den Golf von Mexiko hinauszieht, glauben Experten vom National Hurricane Center (NHC). Grund zur Erleichterung ist das allerdings nicht, denn das warme Wasser des Golfs ist mitverantwortlich für die zerstörerische Kraft der Wirbelstürme. "Harvey" könnte sich also noch einmal "aufladen", um dann mit neuer Wucht auf die Küste prallen. Das ist zwar ein Zukunftsszenario, doch auch gegenwärtig richtet der Hurrikan gewaltige Schäden an.
Aber von vorne: Wie entsteht so eine Naturgewalt wie "Harvey" überhaupt?
Rezept für einen Wirbelsturm
"Harvey" trat laut dem Deutschen Wetterdienst (DWD) bereits am 13. August als "tropisches Wellentief" auf. Er war zunächst ein harmlos anmutendes Tiefdruckgebiet, das sich allerdings in der Folge zu einem Tropischen Sturm entwickelte.
"Hurrikans brauchen einige Grundvoraussetzungen, um entstehen zu können", sagt Andreas Friedrich, Meteorologe und Tornadobeauftragter beim DWD. Zum Einen sei das eine Oberflächentemperatur des Meeres von mindestens 26 Grad Celsius. Das Gebiet mit dem warmen Meereswasser müsse zudem ausreichend, das heißt mehrere 100 Quadratkilometer groß sein.
Dazu fehlt dann noch ein Tiefdruckgebiet als weitere wichtige Voraussetzung. "Häufig ziehen kleine Tiefdruckgebiete von der Westküste Afrikas mit der Monsun-Strömung über den Atlantik in diese warmen Gewässer", sagt Friedrich. In der Entstehungsphase des Hurrikans dürfe es außerdem keine großen Windunterschiede dicht über dem Meer und in größeren Höhen geben. Die würden den Sturm auseinander treiben.
Kommt alles zusammen, kann aus einem Tiefdruckgebiet ein Wirbelsturm entstehen. Dabei steigt feuchtwarme Meeresluft nach oben, kondensiert in den kälteren Höhen und bildet Gewitterwolken. Durch die schnell aufsteigende Luft entsteht ein Unterdruck an der Meeresoberfläche, sodass weitere feuchte Luft aus der Umgebung angesogen wird.
Wie in einem Kamin werden die Luftmassen nach oben gezogen. Die Corioliskraft, die mit der Drehung der Erde zusammenhängt, versetzt die Luftmassen in Rotation. "In der Mitte dieses Wirbels entsteht das für einen Hurrikan typische 'Auge', in dem es ganz ruhig und wolkenlos ist, während sich die Wolken am Rand des Auges immer höher auftürmen", sagt Friedrich.
"Harvey" bewegt sich kaum vom Fleck
Je nachdem wie lange diese günstigen Wirbelsturm-Bedingungen anhalten, desto gewaltiger wird das, was sich da zusammenbraut. "Harvey" entwickelte sich so prächtig, dass ihn das NHC als einen Wirbelsturm der Kategorie vier von fünf einstufte. "Die Wirbelstürme bewegen sich mit Hilfe von Luftströmungen in fünf bis acht Kilometern Höhe. Sie bestimmen, wo der Wirbelsturm hinzieht", erklärt Friedrich. In "Harveys" Fall war es das texanische Festland: Mit Spitzenwindgeschwindigkeiten von 215 Kilometer pro Stunde traf der Wirbelsturm am Freitagabend auf die amerikanische Küste.
Normalerweise verlieren die Hurrikans nach ihrem "Landgang" schnell an Kraft: Die Luftströmungen der höheren Atmosphäre treiben den Sturm schnell ins Landesinnere und schneiden ihn so von seiner Hauptenergiequelle ab - der feuchtwarmen Meeresluft. Dort werden sie zu Tiefdruckgebieten abgeschwächt und verlieren ihre zerstörerische Kraft.
Nicht so jedoch "Harvey": "Es herrschen kaum Winde über dem Golf von Mexiko und in den Südstaaten. Deshalb verlagert sich "Harvey" nur sehr langsam", sagt Friedrich. Der Sturm werde in Küstennähe weiter von feuchter Meeresluft gespeist. Feuchtigkeit, die als sintflutartiger Regen wieder vom Himmel fällt.
Stärkere Hurrikans dank Klimawandel
Der Klimawandel sorge für insgesamt höhere Meeresoberflächentemperaturen und somit für noch bessere Bedingungen für Hurrikans. "Je größer die Meeresgebiete mit einer Temperatur über 26 Grad, desto größer sind auch die Gebiete, in denen sich Hurrikans bilden können", sagt Friedrich. Klimamodelle lassen befürchten, dass es in Zukunft nicht nur mehr, sondern auch stärkere Wirbelstürme geben wird, sagt der Meteorologe.