„Wir werden es Europa versüßen“
5. September 2008Tschechische Persönlichkeiten von internationalem Rang, die Eurohymne und ein kleines Stückchen Würfelzucker – eine tschechische Erfindung von 1843, die um die Welt gegangen ist. Das sind die Zutaten für den TV-Werbespot, mit dem die Tschechische EU-Ratspräsidentschaft vor allem bei den eigenen Bürgern Aufmerksamkeit erregen soll.
Alles auf Zucker
Eishockey-Star Jaromír Jágr schießt das Stück Würfelzucker mit einem Teelöffel auf Star-Torhüter Petr Čech, der es lässig mit einer Hand auffängt. Die Primaballerina Daria Klimentová lässt den Zucker Piruetten drehen und der Chemiker Antonín Holý experimentiert mit der Löslichkeit von Zucker im Kaffee. Daneben baut die Architektin Eva Jiricina konzentriert einen Zuckerwürfelturm.
Schnell greift das neben ihr sitzende Supermodel Tereza Maxová nach dem letzten Stück, schiebt es sich schuldbewusst in den Mund und lächelt verschworen dem Dirigenten Libor Pešek zu. Der hebt den Zucker– nicht den Taktstock – an und lässt ihn dann in seinen Kaffee plumpsen, wo er eine große Welle schlägt. So endet der TV-Spot, dessen Idee auf das persönliche Konto des Vizepremiers für Europa-Angelegenheiten, Alexandr Vondra, geht. Dieser ist auch für das Motto der TV-Kampagne verantwortlich: "Wir werden es Europa versüßen!"
Zucker macht stark
Der Vizepremier für Europa-Angelegenheiten widerspricht Kritikern seiner Werbung heftig: "Einige Skeptiker behaupten, dass wir uns beim EU-Vorsitz auflösen würden, wie ein Stück Zucker im Tee. Wir sind jedoch kein Stückchen Zucker, sondern haben den Würfelzucker erfunden."
Mit ein wenig Übertreibung und Augenzwinkern wolle Tschechien seine starke Seite zeigen, erklärte Vondra. Man nehme sich selbst nicht immer bierernst, sondern schaue mit ein wenig Abstand auf die Situation. Das sei die Stärke der tschechischen Politik und er sei froh, dass es gelungen ist, genau das in diesem TV-Spot zu vermitteln.
Ein Berg Arbeit
Die Botschaften sind also Leichtigkeit und ein beherztes "Wir schaffen das!". Und zu schaffen gibt es während des halben Jahres viel. Es stehen die Wahlen zum EU-Parlament, das Ende der amtierenden EU-Kommission, der Kaukasus-Konflikt und der Vertrag von Lissabon an. Die Iren haben ihn abgelehnt und die Tschechen beim Verfassungsgericht vorerst auf Eis gelegt.
Ist da das Motto "Wir werden es Europa versüßen" nicht zugleich auch eine ironische Stichelei in Richtung EU? Premier Mirek Topolanek ist sich der Zweideutigkeit durchaus bewusst und räumt ein, dass die Tschechen generell etwas verrückt seien. Er glaube, das gehört zum Nationalcharakter. Die Tschechen sollten sich aber auf das Positive konzentrieren. Europa erlebe eine heftige Zeit und schwierige Verhandlungen zu nordatlantischen Fragen. Die Tschechen hätten sich nun entschieden, die Diskussionen ein wenig zu versüßen und angenehmer zu gestalten. Und das sei der positive Aspekt dieses Mottos.
Unbequemer Nachfolger
Doch die Tschechen gelten bei manchen EU-Politikern als widerspenstig und unbequem. Präsident Vaclav Klaus ist stolz auf seinen Euro-Skeptizismus. Und die regierenden Bürgerdemokraten, denen Premier Topolanek angehört, sind dafür verantwortlich, dass der Lissabon-Vertrag ein langwieriges Prüfungsverfahren mit ungewissem Ausgang durchlaufen muss.
Der Premier will aber nicht, dass Tschechien als ein Land wahrgenommen wird, das sich immer über irgendetwas beschwert. Er wäre froh, wenn sich die Menschen in Tschechien - auch dank der Ratspräsidentschaft – in der Europäischen Union einlebten. Und das mit allen Vorzügen und manchmal auch Unzulänglichkeiten, welche die EU mit sich bringt. Der Premier wünscht sich, dass sein Volk einen so vernünftigen Blick auf die EU hat, wie zum Beispiel die Niederländer oder die Dänen. Diese seien zwar europäische Länder, aber ihre Eigenheiten und nationalen Interessen verteidigten sie anständig und mit Nachdruck.
Mit Selbstbewusstsein und Humor will die tschechische Regierung die EU-Ratspräsidentschaft angehen. Und das hofft Vizepremier Vondra auch während des halben Jahres durchhalten zu können: "Ich gehe nicht davon aus, dass wir während der Ratspräsidentschaft vom Zucker auf das Salz übergehen."