1. Zum Inhalt springen
  2. Zur Hauptnavigation springen
  3. Zu weiteren Angeboten der DW springen

Gute Nachbarn

21. Oktober 2009

Kurz nach der Wende hatten einige Luxemburger Angst vor einem Großdeutschland. Heute ist das Verhältnis aber entspannt.

https://p.dw.com/p/KBrc
Blick auf Luxemburg (Foto: AP)
Ein Nachbar im Westen: LuxemburgBild: AP

Im Interview: Professor Jean-Marie Majerus, Historiker am Robert-Schuman-Zentrum für Europäische Studien und Forschung in Luxemburg.


DW-WORLD.DE: Professor Majerus, wie haben die Luxemburger vor 20 Jahren die Nachricht vom Mauerfall in Deutschland aufgenommen?

Jean-Marie Majerus, Luxemburger Historiker (Foto: DW/S.Henn)
Jean-Marie Majerus, Luxemburger HistorikerBild: DW / S. Henn


Jean-Marie Majerus: Gemischt. Das hängt auch davon ab, wann sie geboren wurden. Diejenigen, die vor dem Zweiten Weltkrieg geboren wurden, haben natürlich noch das Erlebnis des Kriegs, die Germanisierungspolitik, das Konzentrationslager und die Zwangsrekrutierungen im Kopf. Die glaubten: Jetzt kommt wieder Großdeutschland, das uns eingemeinden will.

Während die jungen Luxemburger das überhaupt nicht mehr haben: Die sehen deutsches Fernsehen, kaufen deutsche Produkte, fahren deutsche Autos. Sie haben ein viel entkrampfteres Verhältnis zu Deutschland. Ich glaube, unter dem Strich gesehen waren die Luxemburger trotzdem froh, dass der Kalte Krieg vorbei war.

Welche Themen haben das deutsch-luxemburgische Verhältnis zu diesem Zeitpunkt geprägt?

Da waren eben diese Zwangsrekrutierten. Auch unser Premierminister Junker ist ja ein Sohn eines Zwangsrekrutierten: Das sind die jungen Luxemburger, die nach August 1942 in die Wehrmacht eingezogen wurden, gegen ihren Willen. Sie haben nach dem Zweiten Weltkrieg immer wieder die Forderung gestellt, dass sie ein Recht auf eine Entschädigung hätten. Die deutsche Bundesregierung hat das abgelehnt mit dem Hinweis auf die Londoner Schuldenabkommen. Und das hat noch bis unter Ministerpräsident Thorn immer wieder die deutsch-luxemburgischen Beziehungen - die an sich sehr gut waren - irgendwie getrübt.

In Deutschland hat sich in den vergangenen 20 Jahren auch politisch vieles verändert. Inwieweit beeinflussen diese Veränderungen in Deutschland auch Luxemburg?

Ein deutscher Atomkraftgegner hält ein "Atomkraft Nein Danke"-Symbol in die Höhe (Foto: picture-alliance/dpa)
Aus Deutschland importiert: die Ablehnung der AtomkraftBild: picture-alliance / dpa


Da möchte ich besonders auf die Entwicklung der ökologischen Bewegung hinweisen: Die ganze Bewegung, die nicht nur die Ökologie als eine Naturschutzbewegung sondern als eine politische Bewegung erkennt, ist ganz eindeutig aus Deutschland hervorgegangen und hat ihren Weg nach Luxemburg gefunden. Auch die Ablehnung der Atomkraft, die sehr verbreitet ist in Luxemburg, kommt aus Deutschland. Da ist Luxemburg schon stark aus Deutschland beeinflusst.

Welche Erwartungen hat Luxemburg an Deutschland im EU-Kontext?

Ich glaube, Deutschland war immer ein Verfechter der Europäischen Vereinigung. Es war immer ein Verteidiger der Gemeinschaftsmethode, wo es um eine Gemeinschaft geht und nicht nur um eine Freihandelszone. Und das ist genau die Richtung, in die Luxemburg gehen will. Es versteht Europa als eine Ideengemeinschaft und nicht bloß als eine Freihandelszone.

Wenn man auf die Zeit des Mauerfalls vor 20 Jahren zurückschaut und auch auf das wiedervereinigte Deutschland heute, was ist aus Luxemburger Sicht typisch deutsch?

Deutschland und seine Nachbarländer: Luxemburg (DW-Grafik: Peter Steinmetz)
Bild: DW


Positiv gesehen würde ich sagen, dass die Luxemburger die deutsche Wirtschaft bewundern, die Leistungen deutscher Produkte. Die deutsche Kultur ist der luxemburgischen sehr nah. Es eine germanische Sprache.

Was negativ wäre, wäre vielleicht, dass man eine deutsche Großmannssucht eigentlich nicht liebt. Was man früher verachtete war der deutsche Militärismus, den es aber nicht mehr gibt, der mit dem Zweiten Weltkrieg gestorben ist. So dass im Großen und Ganzen das Verhältnis zwischen Luxemburgern und Deutschen ungetrübt ist.


Das Interview führte Susanne Henn.
Redaktion: Julia Kuckelkorn