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Gemeinsam gegen Machismo und Gewalt

8. Juni 2010

Südafrika hat eine der höchsten Vergewaltigungsraten der Welt. Frauen und Kinder, aber auch Männer selbst, werden Opfer von Gewalt. Dagegen kämpft die Nichtregierungsorganisation Sonke.

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Teilnehmer an einem Seminar der südafrikanischen Nichrregierungsorganisation SONKE. Sie singen zur Einstimmung auf ihren Lehrgang ein Lied. (Foto: Christoph Marx)
Neue Rollenbilder lernen: Sonke-Seminar in KapstadtBild: DW

Bei der Nichtregierungsorganisation Sonke in Kapstadt herrscht viel Betrieb. Telefone klingeln, Mitarbeiter laufen über die Flure, in einem langgestreckten Büro sitzen mehrere junge Leute an Computern und aus einem Schulungsraum dringt fröhliches Gelächter; hier findet gerade ein Seminar statt. Patrick Godana sitzt in seinem geräumigen Büro, er trägt Jeans und eine graue Schirmmütze auf dem kahlen Kopf. Godana ist Theologe, Sozialarbeiter, Gender-Aktivist - und einer der führenden Mitarbeiter von Sonke, dem südafrikanischen Netzwerk für Geschlechtergerechtigkeit. "Sonke ist ein afrikanisches Wort aus der Nguni-Sprache", erklärt er. Auf Deutsch heißt sonke "zusammen" oder "gemeinsam".

Heute leitet Godana die Sonke-Projekte im Ostkap, seiner Heimatregion. In den 80er- und 90er-Jahren kämpfte er hier gegen die Apartheid. Er wurde verwundet und kam ins Gefängnis. Noch heute trägt er die Spuren der Folterungen, denen er während seiner fünfjährigen Haftzeit ausgesetzt war. Sein Engagement für Gleichberechtigung von Frauen versteht er als die Fortsetzung des Freiheitskampfes: "Wir kämpften für ein Land, in dem alle Menschen gleich behandelt werden, unabhängig von ihrem Glauben und ihrem Geschlecht", betont er. Dafür habe er in der Zeit der Rassentrennung sein Leben eingesetzt, dafür sei er ins Exil gegangen, dafür sei er verhaftet und angeschossen worden. Das sei es, was ihn antreibe.

Ein Land ohne Gewalt

Der Gründer von SONKE, Dean Peacock (links) und Patrick Godana Arm in Amr in ihrem Büro in Kapstadt. Foto: Christoph Marx
Dean Peacock (l.) und Patrick GodanaBild: DW

Godana lächelt. Er ist ein fröhlicher Mann, freundlich und offen und voller Leidenschaft für seine Arbeit. Seine Überzeugungen lebe er auch seinen zwei Kindern vor, sagt er. Sie lernten zuhause, dass ihre Eltern liebevoll und voller Respekt miteinander umgingen. Sein Sohn wisse, dass er Gewalt verabscheue und werbe selbst schon in der Schule für Versöhnung und Gewaltfreiheit."Südafrika soll ein Land sein, in dem es Gerechtigkeit für alle gibt", ist Godanas Devise, ein Land, in dem auch Frauen und Kinder nicht mehr länger der Gewalt und Willkür ausgesetzt seien.

Doch bis dahin ist es noch ein weiter Weg. Mehr als 15 Jahre nach Ende der Apartheid leidet die Regenbogennation unter extremer sozialer Ungleichheit, unter Korruption, Armut und Gewalt und vor allem unter der Auflösung der Familienstrukturen. Die Kriminalitätsstatistik für 2009 zählte 20.000 Morde und mehr als 70.000 Fälle sexueller Gewalt. Forscher gehen jedoch davon aus, dass nur jede vierte Vergewaltigung angezeigt wird und dass jede halbe Stunde eine Frau von ihrem Sexualpartner ermordet wird. Die Vergewaltigungsrate ist eine der höchsten der Welt und sechs Millionen Menschen sind HIV-positiv oder AIDS-krank.

Machismo verlernen

Logo der Nichtregierungsorganisation Sonke, die sich gegen Gewalt gegen Frauen und Kinder einsetzt. (Foto: Christoph Marx)
Bild: DW

Das sind die Themen der Männer von Sonke. "Wir Männer sind die Gewalttäter, wir müssen uns und unsere Gesellschaft verändern", sagen sie. Die Organisation will Männer und Jungen darum dazu bringen, ihre Einstellungen zu ändern und Mädchen und Frauen mit Respekt zu behandeln. "Patriarchat, Machismo und männliche Dominanz sind destruktiv", unterstreicht Godana. Die Arbeit von Sonke konzentriere sich daher auf Jungen und Männer. "Wir wollen eine gesunde Gesellschaft schaffen, in der sich Frauen und Kinder frei bewegen können, ohne Angst, dass sie von einem Mann oder einem Jungen vergewaltigt werden."

Sonke Gender Justice Network wurde im Jahr 2006 von Bafana Khumalo und Dean Peacock gegründet, zwei Aktivisten, die in der Zeit der Rassentrennung gegen die Apartheid gekämpft hatten und inzwischen für ihre Arbeit mehrfach ausgezeichnet wurden. Seit ihrer Gründung wächst die Organisation beständig. Ihr Ziel ist es, die Rollenbilder in Südafrika zu verändern, die Männer dazu zu bewegen, dass sie Frauen als Partnerinnen ansehen und Kinder gewaltlos erziehen. "Wir wollen eine Gesellschaft schaffen, in der es nicht cool ist, eine Frau zu schlagen oder sie herabzuwürdigen", betont Patrick Godana. Geschlechtergewalt sei nicht Bestandteil des genetischen Codes, es sei ein erworbenes Verhalten. "Es wurde erlernt und man kann es auch wieder verlernen."

Ein Mann fängt an…

Teilnehmer an einem Seminar der südafrikanischen Nichrregierungsorganisation SONKE. Sie singen zur Einstimmung auf ihren Lehrgang ein Lied. Foto: Christoph Marx
Männer lernen neue Rollenbilder beim SONKE-Seminar in KapstadtBild: DW

Im Schulungsraum am Ende des Flurs sind ein Dutzend Männer gerade dabei, den männlichen Chauvinismus zu verlernen. Sie nehmen an einem Kurs teil, bei dem sie lernen sollen, wie sie die Botschaft der Gleichberechtigung in ihre Heimatgemeinden tragen können, wie sie in ihren Dörfern, Stadtvierteln und Townships die Jugend zur Gewaltlosigkeit erziehen können. Wenn sie den Lehrgang absolviert haben, werden sie als Multiplikatoren fungieren. Sie werden Aktionsteams bilden, sie werden den Opfern von Gewalt beistehen, sie zum Gericht und zum Arzt begleiten und vor allem: sie werden versuchen, andere Männer zu überzeugen. Doch bevor es losgeht, bringen sich die jungen Männer erst einmal mit einem Lied in Stimmung. "One man wants to teach equality – Ein Mann will Gleichheit lehren", singen sie und klatschen dabei rhythmisch in die Hände. Ein Mann will sich einsetzen für die Gleichheit der Geschlechter, für Gewaltlosigkeit und Gerechtigkeit. Und dann geht das Lied weiter: zwei Männer tun es, drei, vier und zehn – bis sich die Botschaft überall in Südafrika verbreitet.

Autorin: Bettina Marx

Redaktion: Sven Töniges