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"Wir können uns nicht ewig auf die USA verlassen"

20. August 2010

DW-Redakteur Emad Ghanim stammt aus der südirakischen Stadt Maysan und lebt seit 2004 in Deutschland. Er hält den Abzug der amerikanischen Kampftruppen aus dem Irak für überfällig.

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DW-Redakteur Emad M. GhanimBild: Emad M. Ghanim

Es ist höchste Zeit, dass die US-Kampfeinheiten den Irak verlassen. Als gebürtiger Iraker bin ich der Überzeugung, dass dieser Schritt größte Bedeutung hat für die Wiederherstellung der Koexistenz von Schiiten und Sunniten - der beiden größten Konfessionen im Lande. Die Präsenz der US-Truppen war ein wichtiger Grund für ihre Spaltung.

Zudem war ihre Präsenz immer ein Vorwand für die Anschläge terroristischer Gruppen. "Ziel dieses heldenhaften Aktes waren die Kreuzfahrer", heißt es danach oft auf einschlägigen Internetseiten. Aber die Opfer von solchen Anschlägen sind neben Soldaten und Polizisten meist einfache Bürger in Krankenhäusern, Schulen oder auf Märkten.

Der Rückzug der US-Truppen könnte überdies die Beziehungen des Irak zu den arabischen Nachbarländern positiv beeinflussen. Viele waren nach dem Irak-Krieg 2003 auf Distanz gegangen - wegen der amerikanischen Besatzung, aber auch wegen des schiitischen und durchaus auch iranischen Einflusses in Bagdad. Eine stärkere arabische Einbindung des Irak - daraus könnte sich ein wertvolles Gegengewicht zum iranischen Einfluss in der Region entwickeln.

Die jüngste blutige Gewaltwelle im Irak ist erschreckend. Sie zeigt aber auch, dass die amerikanischen Truppen schon jetzt weniger mit der akuten Sicherheitslage im Land zu tun haben, als allgemein angenommen wird. Aus den irakischen Städten, die immer wieder von Terror geplagt werden, waren sie schon Ende Juni vergangenen Jahres abgezogen. Die irakischen Sicherheitskräfte hatten praktisch mehr als ein Jahr lang Zeit, sich auf die neuen Herausforderungen einzustellen.

Rückschläge sind zu befürchten, politische Konflikte müssen gelöst werden und die mutmaßlich bestens aus dem Ausland finanzierten Terroristen werden nicht klein beigeben - das sind gewaltigen Herausforderungen für den Irak. Und es stimmt: Die Politiker lassen noch längst nicht die nötige Reife dafür erkennen - aber es gibt auch Anzeichen dafür, dass die unterschiedlichen Gruppen und Parteien letztlich einen Konsens finden werden. Ich bin jedenfalls überzeugt: Wir können uns nicht ewig auf die USA verlassen. Die Iraker müssen diese Herausforderungen jetzt alleine meistern.

Autor: Emad M. Ghanim
Redaktion: Rainer Sollich