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Windows fürs Handy

Detlev Karg26. Februar 2003

Microsoft wirft den Hut in den Ring: Windows soll künftig auch die Funktelefone antreiben. Die Handyhersteller müssen sich warm anziehen. Der Wettbewerbsdruck könnte deren Kartell der Gemütlichkeit kräftig erschüttern.

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Bill Gates: Knallharte Visionen hinter verbindlichem LächelnBild: AP

Angedeutet hatte es sich schon vorher, was die Unternehmen T-Mobile und Microsoft Mitte Februar 2003 auf der Mobilfunkmesse 3 GSM in Cannes verkündeten. Dennoch sorgte die Nachricht für Wirbel und Gesprächsstoff im Vorfeld der weltgrößten IT-Messe CeBIT. Beide bestätigten, dass T-Mobile in den größten Mobilfunkmärkten im Sommer 2003 ein so genanntes Smartphone mit Windows-Software auf den Markt bringen wollen.

Zwei natürliche Verbündete

Die Mobilfunktochter der Deutschen Telekom und der Softwarehersteller aus Redmond hatten schon vor rund einem Jahr vereinbart, bei der Entwicklung von Mobiltelefonen und Mobilfunkanwendungen zusammenzuarbeiten. Microsoft ist schon seit längerem scharf darauf, mit seinem bei Computern weltweit dominierenden Betriebssystem Windows auch den Mobilfunkmarkt zu erobern.

Telekom Chef Kai-Uwe Ricke
Telekom-Chef Kai-Uwe RickeBild: AP

Das kommt den Mobilfunkbetreibern gerade recht. Sind sie derzeit doch allzusehr von den Herstellern der Geräte abhängig. Denn die können nicht immer alles, was sich die Netzbeitreiber wünschen - heimsen aber das große Markenimage ein und verlangen Höchstpreise für Ihre Geräte. Damit soll nun Schluss sein. Man habe Nokia & Co. lange genug die Macht über die Handys überlassen, so wird Telekom-Chef Kai-Uwe Ricke zitiert. Der oberste Telekom-Angestellte, nun seit über 100 Tagen im Amt, will und muss aufräumen in der Schuldenbilanz der Bonner: Geld muss rein.

Die Macht der Marken brechen

Die Idee dahinter: Statt dass der Markenname des Herstellers auf dem Gerät prangt, steht dort künftig der Betreiber. Ein Vorbild für das aufgebohrte Windows-Handy gibt es schon. Denn in Europa ist neben T-Mobile der vor allem in Großbritannien und Frankreich aktive Mobilfunknetzbetreiber Orange Partner von Microsoft. Bislang setzte Orange von seinem seit Ende 2002 vermarkteten Smartphone SPV mit Windows-Software jedoch deutlich weniger als 100.000 Stück ab. T-Mobile verspricht sich von der Kooperation mit Microsoft eine bessere Akzeptanz bei den Kunden.

Ericsson R300 Handy Mobiltelefon.
Bild: Ericsson

Denn die Art, wie man ein Smartphone bedient, wird immer gleich sein. Kein ärgerliches Umdenken mehr, weil jeder Hersteller seinen Geräten nach Gutdünken ein eigenes Menü verpasst. Vielmehr kennt im Zweifel - fast - jeder Anwender das Look & Feel von seinem PC - und so ein Smartphone ist eben auch ein richtiger Computer.

Bewährtes für den Anwender

Was nach neuem Microsoft-Monopol riecht, könnte sich für den Einzelnen in puncto Bedienerfreundlichkeit und Internetzugang auszahlen. Alle bisherigen vollmundigen Versprechen der Handyhersteller in dieser Hinsicht waren Flops.

Schon der erste Versuch, das WAP-Protokoll für das Internet auf dem Handy, scheiterte kläglich. Zu klein, zu langsam, zu spaßfrei. Auch der mühselige Versuch, via schnellem GPRS auf dem Handy ins Web zu blicken, kann PC-verwöhnte Anwender nicht wirklich überzeugen. Dann deckten sich die Mobilfunker in vielbeachteten Auktionen mit sündhaft teuren UMTS-Lizenzen ein – und werden nun von den Schulden erdrückt.

Die jetzigen Geräte können - streng betrachtet - nur wenig mehr als ihre Vorgängermodelle von vor zehn Jahren. Wer gar, zum Beispiel, von einem Nokia-Handy zu einem Modell von Siemens oder Motorola wechselte, kann sich über die Unterschiede in der Bedienung nur ärgern. Mit einem – wie auch immer aussehenden – Windows auf dem Gerät wird sich das ändern. Bill Gates hat es wiederholt propagiert und wurde oft belächelt: Informationen, so der Visionär des Jedermann-Computing, werde dereinst überall verfügbar sein "anytime, anywhere, on any device." Seine Versprechen hat er bisher, wenn auch mit Anlaufschwierigkeiten, immer gehalten.

Internet im Taschenformat
Bild: AP

Ein weiterer Pluspunkt: Mit dem schnellen UMTS-Standard wird die Funkverbindung künftig richtig schnell. Jeder kann damit, wie im festen Netz, stets online bleiben. Und wenn auf dem PC daheim eine Nachricht eintrudelt, erscheint sie sofort auf dem Gerät in der Hosentasche.

Die Front der Hardwareproduzenten

Nokia Handy
Bild: AP

Nun müssen sich die Big Five des Handy-Geschäfts, Nokia, Motorola, Siemens, Sony-Ericsson und Samsung, auf eine alternative Strategie verständigen. Deren Joint-Venture Symbian entwickelt ebenfalls Smartphone-Betriebssysteme. Eine vergleichbare Popularität wie Microsoft auf dem PC hat diese Plattform jedoch bisher nicht erreicht.

Ähnlich wie seinerzeit bei den Internet-Browsern, deren Beginn der jetzige Marktführer Microsoft völlig verschlafen hatte, könnte es nun auf dem Handy-Markt sein. Mit 45 Milliarden Dollar auf der hohen Kante ist Microsoft eines der reichsten Unternehmen der Welt und besitzt den nötigen langen Atem.

Die Reaktionen der Handyhersteller ließen nicht auf sich warten. Lothar Pauly, Mitglied des Siemens Bereichsvorstandes Information and Communication Mobile (ICM), sagte zum Streit um die Plattformen: "Es gibt eine klare Tendenz in der Mobilfunkindustrie, auf die Symbian-Plattform zu setzen. Wir wollen eine Dominanz von Microsoft, wie in der Welt der Personal Computer, nicht noch einmal erleben." Da stünden alle "sehr, sehr fest" zusammen. Anders der US-Hersteller Motorola: Der Chef der Handy-Sparte des Unternehmens, Tom Lynch, erwartet, dass es zu einer Zusammenarbeit mit Microsoft kommen werde.

Quo vadis, Nokia, Siemens & Co.?

Siemens Handy S40, Quiz

Das Nachdenken in der erfolgsverwöhnten Branche hat zumindest eingesetzt. Nicht jeder kann - wie bisher - sein eigenes Süppchen kochen. In der bisher fehlenden Zusammenarbeit sieht etwa auch Siemens-Vorstand Rudi Lamprecht eine der fundamentalen Schwierigkeiten. "Endverbraucher nehmen die Anwendungen nicht an, weil es zu wenig Integration zwischen den Marktteilnehmern gibt", sagte Lamprecht. Als einen Schritt zur Wiederbelebung der Nachfrage kündigte er daher eine enge Entwicklungsarbeit mit den Mobilfunkbetreibern an. Ähnliche Töne sind auch schon vom Marktführer Nokia zu vernehmen.