"Wikileaks bedroht internationale Sicherheit"
30. November 2010Die US-Regierung versucht mit Hochdruck, die Urheber der Depeschen-Veröffentlichung durch die Enthüllungsplattform Wikileaks zu finden. Die USA würden aggressiv vorgehen, um jene zur Verantwortung zu ziehen, die die Daten gestohlen hätten, sagte Außenministerin Hillary Clinton am Montag (29.11.2010) in Washington. In ihrer ersten öffentlichen Stellungnahme nannte Clinton die Preisgabe der Informationen einen Angriff auf die USA und die internationale Gemeinschaft. "Sie bringt das Leben von Menschen in Gefahr, bedroht unsere nationale Sicherheit und untergräbt unsere Bemühungen, mit anderen Staaten bei der Lösung gemeinsamer Probleme zusammenzuarbeiten", sagte sie vor Pressevertretern im State Department. Im Einzelnen wollte Clinton nicht auf die konkreten Inhalte der veröffentlichten Dokumente eingehen.
Internationale Beziehungen sollen keinen Schaden nehmen
Die USA bedauerten zutiefst die entstandenen Peinlichkeiten, sagte Clinton weiter. Die Veröffentlichung könne das Vertrauen unter den Staaten zerstören. Sie sei jedoch zuversichtlich, dass die Beziehungen zwischen den USA und ihren Partnern die Herausforderungen bestehen würden, sagte Clinton.
Auch das Weiße Haus verurteilte die Veröffentlichung der Dokumente. Das Stehlen geheimer Unterlagen und ihre Veröffentlichung sei ein "schweres Verbrechen", sagte der Sprecher von US-Präsident Barack Obama, Robert Gibbs. Obama sei "nicht glücklich" über die Veröffentlichung - und das sei noch eine "Untertreibung".
US-Außenamtssprecher Philip Crowley spielte die Spionagevorwürfe gegen US-Diplomaten herunter. Berichten zufolge belegen einige der veröffentlichten Dokumente, dass Washington Mitarbeiter der Vereinten Nationen ausspionieren lässt - sogar UN-Generalsekretär Ban Ki Moon. Die Spionage-Direktive seien alle von US-Außenministerin Hillary Clinton unterzeichnet.
Die US-Regierung wies unterdessen die Behörden im Land an, dafür zu sorgen, dass Verschlusssachen entsprechend sicher behandelt würden und Mitarbeiter nur zu solchen Informationen Zugang hätten, die sie für ihre Arbeit benötigten.
Beziehung arabischer Staaten zum Iran offengelegt
Problematisch könnten die Dokumente für die Beziehungen zwischen dem Iran und den arabischen Ländern sein. Israel habe genauso wie arabische Verbündete die USA zu einem Militärschlag gegen den Iran gedrängt. Der saudische König Abdullah habe verlangt, "der Schlange den Kopf abzuschlagen". Staaten wie Bahrain und Ägypten hätten ähnliche Einschätzungen vertreten, enthüllte die britische Tageszeitung "Guardian". Irans Staatspräsident Mahmud Ahmadinedschad bezeichnete die Dokumente trotzdem als wertlos und wies Spekulationen über negative Folgen für die Beziehungen Irans mit den arabischen Ländern zurück. "Diese Dokumente verfolgen bestimmte politische Ziele. Sie sind eine gewisse Art von Geheimdienst-Spiel und haben deshalb keine einzige legale Grundlage", sagte Ahmadinedschad.
Israel hingegen wertete die bekannt gewordenen Informationen als Bestätigung seiner Einschätzung, dass von dem iranischen Atomprogramm eine große Gefahr für den gesamten Nahen Osten ausgehe.
Weltweite Kritik
Die Veröffentlichung zum Teil geheimer Unterlagen des US-Außenministeriums Wikileaks hat unterdessen weltweit Kritik hervorgerufen. Ausländische Politiker beklagten dabei weniger die enthüllten Vorgänge aus dem Innenleben der amerikanischen Diplomatie, als viel mehr den erlittenen Vertrauensverlust durch die Bekanntgabe teils sehr persönlicher Einschätzungen.
Der italienische Außenminister Franco Frattini sagte, die Veröffentlichungen seien "der 11. September für die Weltdiplomatie". Als verantwortungslos bezeichnete ein Sprecher des pakistanischen Außenministeriums die jüngste Wikileaks-Aktion. Aus den Dokumenten geht hervor, dass die USA befürchten, hochangereichertes Uran aus pakistanischen Atomanlagen könne in die Hände von Extremisten fallen.
Der irakische Außenminister Hoschjar Sebari sagte, die Veröffentlichungen seien unpassend und nicht hilfreich. In den Dokumenten äußerten sich US-Vertreter unter anderem besorgt über den iranischen Einfluss im Irak.
Wikileaks kündigt weitere brisante Veröffentlichungen an
Die Enthülungen von Wikileaks sind noch lange nicht am Ende. Wikileaks-Gründer Julian Assange kündigte in einem Interview des US-Magazins "Forbes" an, man wolle demnächst eine "große US-Bank" ins Visier nehmen. Seine Internet-Plattform werde Anfang 2011 zehntausende Geheimdokumente aus einer großen US-Bank veröffentlichen, "die ein oder zwei Banken in die Tiefe reißen" könnten. Sie würden zeigen, wie auf Führungsetagen der Banken gegen die Ethik verstoßen werde.
Autorin: Annamaria Sigrist (dpa, rtr, afp, ap)
Redaktion: Nicole Scherschun