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Wie Saudi-Arabien zu den Winterspielen kam

Dana Sumlaji
13. Februar 2022

Eine Teilnahme an Olympischen Winterspielen war für Saudi-Arabien eher unwahrscheinlich: Temperaturen bis weit über 40 Grad, nirgends eine Schneepiste. Doch mit Geld und Weitblick hat der Wüstenstaat es geschafft.

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Skirennläufer Fayid Abdi trägt bei der Eröffnungsfeier der Olympischen Spiele in Peking die saudische Fahne ins Stadion
Debüt bei Olympischen Winterspielen: Skirennläufer Fayid Abdi trägt die saudische Fahne ins StadionBild: Jae C. Hong/AP/picture alliance

Wer bei Olympischen Spielen Geschichte schreiben möchte, muss nicht zwingend eine Goldmedaille gewinnen. Für einige Nationen ist schon allein die Teilnahme historisch. Jahrzehntelang waren die Olympischen Winterspiele den traditionellen "Wintersportnationen" vorbehalten, doch das ändert sich gerade. Immer mehr Sportlerinnen und Sportler aus Afrika, dem Nahen Osten oder Inselstaaten im Pazifik haben sich in den vergangenen Jahren für Olympiaqualifiziert. In Peking geben zwei weitere Länder, in denen es keinen echten Winter gibt, ihr Debüt bei den Winterspielen: Neben der Kairibikinsel Haiti ist auch Saudi-Arabien erstmals dabei.

Fayik Abdi ist der Mann, der für den Wüstenstaat in Peking Neuland betreten soll. Der 24-Jährige ist am Sonntag im alpinen Riesenslalom angetreten und erreichte den 44. Platz. "Ich bin sehr stolz darauf, der erste zu sein, der mein Land und die Golfstaaten bei den Winterspielen vertritt", sagte Abdi schon vor dem Rennen gegenüber der DW. "Viele Teilnehmer hier sind überrascht, dass ein saudischer Sportler bei diesen Olympischen Spielen Ski fahren wird. Aber ich fand ihre Reaktion normal, schließlich ist es unsere erste Teilnahme überhaupt."

Perfekte Bedingungen in Utah

Abdi entdeckte seine Leidenschaft für das Skifahren im Libanon, wo ihm seine Mutter mit vier Jahren beibrachte, wie man auf den Brettern den Hang herunterkommt. In seiner Kindheit war das Skifahren nur ein Hobby. Doch als Abdi älter wurde, wollte er den Sport ernsthaft betreiben und reiste auf der Suche nach Pisten in die Schweizer Alpen, weil seine Heimat keine Möglichkeiten bot.

Der saudi-arabische Skirennläufer Fayik Abdi posiert mit Skiern im Arm für die Kamera
Der 24-jährige Fayik Abdi vertritt seine Heimat Saudi-Arabien bei den Winterspielen Bild: Ritzau Scanpix/REUTERS

Im Jahr 2016 zog Abdi in den US-Bundesstaat Utah, um dort sein Studium fortzusetzen. Es war der perfekte Ort, um bis zu seinem Abschluss regelmäßig bei guten Bedingungen zu trainieren.

Bewerbung per Video

Auf Beschluss von Prinz Abdulaziz Bin Turki, dem Präsidenten des saudischen Olympischen Komitees, wurde im Jahr 2020 schließlich der saudische Wintersportverband gegründet. Wie die meisten Sportverbände und -vereine im Königreich werden auch die saudischen Wintersportler von der königlichen Familie unterstützt.

Im Mai 2021 startete der Verband einen Aufruf an Skifahrer und Snowboarder, die das Königreich in Peking vertreten wollten. Auf Grundlage eingereichter Videos wurden einige Wochen später sieben Athleten ausgewählt. Die meisten Bewerber hatten bereits Wintersporterfahrung und lebten außerhalb Saudi-Arabiens.

Qualifikation unter Zeitdruck

"Im Juli haben wir unser Trainingslager begonnen, zunächst in Österreich, dann in der Schweiz, in Schweden, Italien und schließlich in Montenegro", erklärt Abdi. "Sie haben zwei Trainer für uns engagiert: Daniel Sanz aus Spanien und Lukas Partl aus der Tschechischen Republik. Sie sollten uns helfen, die erforderlichen Punkte für die Qualifikation zu sammeln. Sanz und Partl haben eine große Rolle bei unserem Erfolg gespielt und unsere Fähigkeiten auf ein neues Niveau gehoben."

Fayik Abdi auf der Skipiste während des Trainingslagers in Montenegro
Trainingslager im Schnee von Montenegro: Fayik Abdi bereitet sich auf Olympia vorBild: Fayik Abdi/Handout/REUTERS

Die Zeit war mit gerade einmal elf Monaten Vorlauf bis zur Eröffnung der Olympischen Winterspiele sehr knapp. Zusätzlich hatten Abdi und seine Teamkollegen mit den Auswirkungen und Einschränkungen durch die Corona-Pandemie zu kämpfen. Von den ursprünglich sieben Athleten erreichten schließlich drei die erforderliche Punktzahl und lösten das Olympia-Ticket. Allerdings durften nicht alle drei anreisen. Wegen der späten Teilnahme am Qualifikationsverfahren erhielt Saudi-Arabien letztlich nur ein Ticket für Peking und Abdi war der Auserwählte.

Ausbau des Wintersports in der Wüste

Doch Abdis Teilnahme soll nicht nur für ihn persönlich zum Erlebnis werden, sondern auch Auswirkungen in der Heimat haben. Die angebliche Vision des saudischen Kronprinzen Mohammed bin Salman besteht darin, neue Industrien zu erkunden und die Menschen in Saudi-Arabien zu mehr Aktivität zu ermutigen - auch im Wintersport. Im Norden Saudi-Arabiens ist eine Touristenstadt geplant. Mit Hilfe von Geldgebern aus der Wirtschaft soll dort unter anderem ein Indoor-Skigebiet entstehen, das saudischen Kindern und Jugendlichen den Zugang zum Training erleichtern würde. Weitere Wintersport-Projekte, wie der Bau der größten überdachten Skipiste der Golfregion in einem Einkaufszentrum in Riad, sind ebenfalls geplant.

Saudi-Arabiens Kronprinz Mohammed bin Salman geht vor dem  Formel-1-Rennen in Riad mit Offiziellen des Motorsport-Weltverbands durch die Startaufstellung
Positive Bilder mit Hilfe des Sports: Kronprinz Mohammed bin Salman vor dem Formel-1-Rennen in RiadBild: SONG Irwen/ATP/picture alliance

Neben der Wirkung nach innen, vervollständigt das Betreten der olympischen Winterbühne aber auch das Bild, das Saudi-Arabien in den vergangenen Jahren nach außen von sich selbst als Sportnation zeichnet. Während die weltweite Kritik am saudischen Königshaus wegen der prekären Menschenrechtslage im Land und nach dem Mord an dem Journalisten Jamal Kashoggi im Jahr 2018 anhaltend und laut ist, investiert Saudi-Arabien in den Sport: Das Formel-1-Rennen in Riad, die Rallye Dakar, ein WM-Kampf im Schwergewichtsboxen zwischen Anthony Joshua und Andy Ruiz Jr. im Jahr 2019, zuletzt das Engagement beim englischen Premier-League-Klub Newcastle United und die Saudi-Tour im Radsport - laut einem Bericht der Menschenrechtsorganisation Grant Liberty hat sich Saudi-Arabien dieses "Sportswashing" bislang rund 1,5 Milliarden US-Dollar kosten lassen.

Botschaft an die neue Generation

Für Fayik Abdi spielten Politik und Wirtschaft allerdings keine Rolle, als er bei der Eröffnungsfeier voller Stolz die grün-weiße Flagge seines Landes ins Pekinger Vogelnest trug. Er hofft, eine Botschaft an die neue Generation Saudi-Arabiens zu senden.

"Ich wünsche mir, dass unsere Anwesenheit bei den aktuellen Spielen in Peking die Saudis bereits ermutigt hat, neue Sportarten im Allgemeinen und Wintersportarten im Besonderen auszuprobieren", sagt er. "Ich hoffe, dass der Wintersport in Saudi-Arabien und in den Golfstaaten zunehmen wird und dass wir bei den nächsten Olympischen Winterspielen mehr Teilnehmer aus meinem Land sehen werden."

Dieser Text wurde aus dem Englischen adaptiert.