Wie Museen Kunst sichern
28. Juli 2014Auf einmal sind da nur noch helle Flecken. An dieser Stelle sollten eigentlich weltberühmte Gemälde hängen: die romantischen "Nebelschwaden" von Caspar David Friedrich und die geheimnisvollen Bilder "Schatten und Dunkelheit" und "Licht und Farbe" von William Turner. Doch am 29. Juli 1994 sind die Bilder aus der Frankfurter Schirn Kunsthalle verschwunden. Räuber hatten sich in der Nacht zuvor einschließen lassen, überwältigten einen Wachmann und stahlen die drei Bilder. Ein Schock für das renommierte Ausstellungshaus und einer der spektakulärsten Raube der Kunstgeschichte.
"Mit einer integrierten Sicherheitslösung, dem Einsatz von Mensch und Technik, könnte so etwas heute nicht mehr passieren", glaubt Bernd Weiler vom Sicherheitsdienst "Securitas". Der Konzern kümmert sich weltweit um den Schutz von Einkaufscentern, Flughäfen und auch von Museen und Galerien. In Deutschland sichert das Unternehmen zum Beispiel das Städel Museum in Frankfurt oder das Grassi-Museum in Leipzig. Heutzutage gebe es viel mehr Technik als früher, sagt der Sicherheitsexperte. "Es gibt Lichtschrankenvorhänge, die sofort Alarm geben, wenn jemand dem Kunstwerk zu nahe kommt, Bewegungsmelder und Sensoren, die auf Licht und Erschütterungen reagieren. Es gibt sogar hochauflösende Kameras, die sich nur dann einschalten, wenn sich etwas Warmes bewegt. Dann wertet ein Computerprogramm aus, ob es nur eine Maus ist oder ob Menschen den Exponaten zu nahe kommen." Wenn das der Fall ist, wird die Leitstelle alarmiert. Die schickt eine eigene Streife vorbei oder verständigt die Polizei.
Ohne Menschen geht's nicht
Da stellt sich die Frage, ob so viel Technik nicht auch anfällig für Hacker oder banale Stromausfälle ist. "Die Systeme sind dagegen gut geschützt. Und sie haben auch eine autarke Stromversorgung und können eine Nacht lang funktionieren, selbst wenn jemand hinten den Stecker zieht", sagt Weiler. Trotzdem - ein Museum ganz ohne Wachleute wird es wohl nie geben. Denn schon deren Präsenz kann Diebe abschrecken.
Dass Museen und Galerien ihre Exponate ausreichend schützen, dafür sorgen auch die Versicherungen. Denn bevor sie einen Fall übernehmen, prüfen sie nicht nur seinen Wert, sondern auch, wie das Werk bewacht wird. "Wir schauen, ob es zum Beispiel eine Meldeanlage gibt, sonst versichern wir nicht", sagt Bernd Ziegenrücker von der "Artekuranz". Die Versicherung betreut vor allem Galerien und Kunstvereine. Seit dem Schirn-Raub seien die Kunstwerke besser gesichert, sagt er - und spricht trotzdem eine Warnung aus: "Es gibt noch Schwachstellen. Der Standard ist besser, aber den hat nicht jeder."
Raub aus den eigenen Reihen
Spektakuläre Diebstähle sind eher selten, denn weltbekannte Kunstwerke wie die von Turner oder Friedrich lassen sich nicht leicht verkaufen. Häufig tauchten die Stücke nach ein paar Jahren wieder auf, erzählt Ziegenrücker. Auch die Bilder aus dem Schirn-Raub sind inzwischen wieder zurück in den Museen - wenn auch gegen Geldzahlung an dubiose Unterhändler. Der Versicherungsmakler sieht die Probleme vor allem bei kleineren, unbekannteren Stücken: "Wenn die Museen keine Inventare haben, kann es leicht passieren, dass Gegenstände verschwinden. Ein Mitarbeiter vom Schloss Charlottenburg hat jahrelang Porzellanteller mitgenommen und versteigert."
In solchen Fällen springt die Versicherung ein. In Deutschland gibt es für Kunstobjekte sogenannte "Allgefahrenversicherungen". Die decken nicht nur Diebstähle ab, sondern jegliche Form der Zerstörung, also auch durch Feuer, Leitungswasser oder Vandalismus. "Sie gelten auch für Transporte, Auf- und Abbau. Deshalb nennt man sie auch 'von Nagel zu Nagel'-Versicherung", erklärt Experte Ziegenrücker. Es gibt allerdings Ausnahmen: Bei Schäden durch Krieg oder Kernenergie wird keine Haftung übernommen.
Schutzlose Kunst
Auch die gestohlenen Gemälde aus der Schirn Kunsthalle waren mit umgerechnet rund 35 Millionen Euro versichert. Doch das hilft nicht gegen den kulturellen Verlust einzigartiger Werke. Viele haben allerdings nicht einmal diesen monetären Schutz: "Die staatlichen Museen sind gar nicht versichert, das macht der Staat grundsätzlich nicht. Da trägt der Steuerzahler das Risiko", sagt Ziegenrücker. "Zum Teil sind auch die Kommunen nicht versichert und viele Privatleute auch nicht." Dabei seien die Prämien trotz des Kunstbooms in den letzten Jahren nicht teurer geworden. Inzwischen gebe es mehr Versicherer auf dem Markt, so dass die Prämien sogar fielen. Einzige Ausnahme: Terrorgefahr. "Wenn zum Beispiel ein Bild nach London geht und dort war kurz vorher ein Anschlag, dann wird es teurer."
Die meisten Versicherungsfälle treten allerdings bei Transporten auf. "Wir bekommen wöchentlich Schäden gemeldet. Aber meistens liegen sie unter 10.000 Euro", berichtet Ziegenrücker. Auch aus Sicht des Sicherheitsexperten Bernd Weiler sind Diebstähle nicht das größte Problem. Häufiger komme Vandalismus vor, Säureattacken zum Beispiel: "Das kann man versuchen zu verhindern, indem man am Eingang Flüssigkeiten detektiert, ähnlich wie am Flughafen. Aber eine hundertprozentige Sicherheit gibt es nicht", so Weiler. Hinzu kommen für die Kunstwerke noch ganz alltägliche Probleme: "Unachtsame Besucher - und schokoladenverschmierte Kinderhände."