Wie kommen Wildtiere mit Hitzewellen zurecht?
19. Juli 2024In Mexiko fallen Brüllaffen dehydriert von Bäumen. An den Küsten Kanadas gehen im Sommer Austern, Miesmuscheln und Krebse im zu warmen Wasser ein. In Argentinien sterben an einem Tag hunderte Magellanpinguine. Weltweit häufen sich solche Fälle bei vielen Tierarten. Die Ursache ist in allen Fällen gleich: Extreme Hitze.
Die globalen Temperaturen sind in den letzten Jahrzehnten durch zunehmende Treibhausgase in der Atmosphäre gestiegen. 2023 war bisher das heißeste Jahr seit Beginn der Wetteraufzeichnung. Auch extreme Hitzewellen werden durch den Klimawandel immer stärker und häufiger.
Wie genau sich das auf Tiere auswirkt, hängt zum einen davon ab, in welcher Umgebung sie leben, und ob sie erhöhten Temperaturen längerfristig ausgesetzt sind, oder nur kurzzeitige Hitze erleben. Und natürlich spielt eine Rolle, wie gut eine spezielle Tierart mit veränderten Bedingungen klarkommt.
Vögel und Flughunde fallen tot vom Himmel
In den extremsten Fällen kann Hitze zu Massensterben führen. "Das passiert vor allem in heißen und trockenen Regionen, wo Tiere nicht noch mehr zusätzliche Hitze aushalten können,” so Andreas Nord, Ökologe an der Lund Universität in Schweden. Ein typisches Beispiel sei Australien. "Dort sprechen wir von Folgen biblischen Ausmaßes. Vögel und Flughunde fallen dort buchstäblich vom Himmel.”
Selbst wenn die Hitze die Tiere nicht tötet, kann sie Einfluss auf Verhalten und die Populationsgröße, also die Anzahl der Tiere, haben. Es gibt eine "heimtückische Art des Sterbens, bei der es keine Leichen gibt", sagt Eric Ridell, Ökologe an der Universität von North Carolina in Chapell Hill in den USA.
"Weil sie vielleicht an Wassermangel leiden oder nicht aktiv genug werden, weil es zu heiß ist, können sich beispielsweise in einem Jahr nicht fortpflanzen", so der Experte. "Die Tiere überleben zwar, aber sie bringen keine Jungen zur Welt." Eine Studie aus dem Jahr 2023 zeigte beispielsweise, das sich Totengräber-Käfer weniger erfolgreich fortpflanzten, wenn eine Hitzewelle in die Paarungszeit fiel.
Anpassen an die Hitze geht nicht unbegrenzt
Wenn Tiere ihr Verhalten ändern, um kühl zu bleiben oder sich aufzuwärmen, nennen Wissenschaftler dies "thermisches Regulationsverhalten". Bei Hitzewellen kann das bedeuten, dass sie sich im Schatten aufhalten, sich im Wasser abkühlen oder einfach mehr ausruhen.
Koalas in Australien schmiegen sich bei extremer Hitze etwa an kühle Baumstämme. Bären in Kalifornien kühlen sich manchmal auf unkonventionelleren weise ab: Videos zeigen, wie sie in Swimmingpools von Leuten baden, wenn die Temperaturen besonders hoch sind.
Allerdings ist nicht klar, bis zu welchem Grad Tiere ihr Verhalten ändern können, um mit der zunehmenden Erwärmung des Planeten Schritt zu halten. "Wir wissen nicht wirklich, ob Tiere in 100, 1000 oder 10.000 Generationen besser an die Hitze angepasst sein werden oder extreme Temperaturschwankungen besser vertragen können", so Nord. "Aber es sieht nicht so gut aus. Es scheint, als ob viele Tiere bereits an der Grenze dessen leben, was sie physisch verkraften können."
Keine Schweißdrüsen - Vögel besonders in Gefahr
Zwar reagieren viele Arten empfindlich auf steigende Temperaturen. Vögel sind dabei mit am meisten betroffen, so die Wissenschaftler. "Sie haben im Vergleich zu anderen Tieren relativ schlechte Möglichkeiten, ihren Körper zu kühlen. Vögel haben keine Schweißdrüsen. Das ist nicht gut wenn es sehr heiß wird", so der schwedische Ökologe Nord.
Das hat sein US-Kollege Riddell auch in seiner Studie aus dem Jahr 2021 festgestellt. Darin wurden über mehr als hundert Jahre erhobene Daten über kleine Säugetiere und Vögel in der kalifornischen Mojave-Wüste analysiert. Obwohl alle im selben Ökosystem lebten, dieselbe Nahrung und Wasser zur Verfügung hatten, reagierten sie unterschiedlich auf steigende Temperaturen.
Die Zahl der Säugetier-Arten blieb während des gesamten Jahrhunderts stabil. Dagegen ging die Zahl der Vogelarten in der Wüste um 43 Prozent zurück. Unklar ist, ob die Vögel in andere Gebiete abgewandert oder gestorben sind. Klar ist allerdings, dass sie bei einem Temperaturanstieg im Nachteil sind.
"Säugetiere leben größtenteils unter der Erde. Sie sind meist nachtaktiv. Vögel dagegen sind überwiegend tagaktiv und leben über der Erde. Sie sind der Sonne ausgesetzt, und die Hitze setzt ihnen stärker zu", so Riddell. "Diese Unterschiede spielten bei den Reaktionen auf denKlimawandel in den letzten 100 Jahren wirklich eine große Rolle."
Langfristig denken um Wildtiere zu schützen
Es gibt nur wenige Möglichkeiten, wie Menschen den Wildtieren im Notfall helfen können, mit extremen Temperaturen fertig zu werden. Einige Naturschützer haben beispielsweise versucht, Tiere mit Wasser zu besprühen, oder ihnen einen einen schattigen Unterschlupf zu geben, aber solche kurzfristigen Maßnahmen sind nur Notpflaster für ein viel größeres Problem.
Doch noch wichtiger sei es, natürliche Lebensräume langfristig zu erhalten, sagen Nord und Riddell. Denn natürliche Lebensräume verfügten über die Ressourcen, die nötig sind, um die schlimmsten Auswirkungen brütender Hitze abzufedern.
Das können schattenspendende Bäume, Wasser, Nahrung und Rückzugsgebiete sein. "Die Auswirkungen des Klimawandels und der extremen Hitze auf die Tier-und Pflanzenwelt werden umso schlimmer, je weniger davon übrig ist", so Nord.
Der Artikel wurde aus dem Englischen adaptiert.
Redaktion: Tamsin Walker