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Wie Games Lesben und Schwule repräsentieren

13. Dezember 2018

Queere Charaktere in Games - also lesbische, schwule oder transsexuelle Protagonisten - sorgen noch immer für große Aufregung. Dabei sind sie da, seit es Videospiele gibt. Das zeigt jetzt erstmals eine Ausstellung.

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Screenshot aus dem Videospiel „The Last of Us Part 2“
Bild: Naughty Dog

"So ein tolles Spiel... ruiniert von Lesben. Widerlich."

"Danke, dass ihr Leute wie mich in eure Geschichten einbezieht. Es bedeutet mir sehr viel."

"Bitte hört auf, unsere geliebten Videospiele zu politisieren!"

"Danke euch, dass ihr uns LGBTQ [Lesben, Schwule, Bisexuelle, Transgender, Queers, Anm. d. Red.] so in eure Spiele einbaut, wie wir im echten Leben sind - nicht anders als jeder andere, sehr menschlich, sehr real."

"Ihr Leute seid so ein Dreck."

"Als Teil der LGBT-Community bin ich so glücklich."

Als im Juni 2018 der Trailer für das Spiel "The Last of Us Part 2" auf der E3, der wichtigsten Videospielemesse der Welt in Los Angeles vorgestellt wurde, drehte das Netz durch. Denn in dem knapp zwölf Minuten langen Film küsst die Protagonistin Ellie eine Frau. Nicht das Gameplay, nicht die düstere Welt, nicht die erbarmungslose Brutalität, sondern ein Kuss war der Auslöser für üble Beschimpfungen und Freudentränen.

Spiele geraten schnell in Vergessenheit

Dabei tauchen lesbische Charaktere seit 30 Jahren in Videospielen auf. "Dass das Thema im Mainstream angekommen ist und trotzdem emotional immer noch etwas macht, genau das ist eine Sache, über die wir immer wieder gestolpert sind", sagt Sarah Rudolph, Co-Kuratorin der Ausstellung"Rainbow Arcade" im Schwulen Museum in Berlin. "Die Spiele, die schon da waren, wurden ganz schnell vergessen." Viele Produktionen aus den 1990er Jahren sind heute verschollen.

Zum einen sind Videospiele ein vergleichsweise junges Medium, das langsam erst beginnt, als Kulturträger ernst genommen zu werden. Zum anderen ist die Archivierung ein großes Problem, da es noch keinen verlässlichen Weg gibt, digitale Medien zukunftssicher zu speichern. Auch die Hardware entwickelt sich rasant weiter. Wer hat heute noch ein Diskettenlaufwerk?

Umfangreiche Sammlung: LGBTQ Video Game Archive

Immerhin gibt es seit 2015 das "LGBTQ Video Game Archive", gegründet von der US-amerikanischen Medienwissenschaftlerin Adrienne Shaw, ebenfalls Kuratorin der Berliner Ausstellung. Inzwischen hat sie mit ihrem Team mehr als 1000 Spiele zusammengetragen, die in irgendeiner Form queeren Content beinhalten, seien es Charaktere, Orte oder Geschichten. Queer ist ein Oberbegriff für Schwule, Lesben, Bi-, Trans- und Intersexuelle sowie für alle, die sich nicht als heterosexuell bezeichnen.

Kuratoren-Team der Berliner Ausstellung "Rainbow Arcade"
Die Ausstellungsmacher Pixel-Look: Sarah Rudolph, Jan Schnorrenberg, Nicolas Simoneau, Iliane Kiefer und Adrienne ShawBild: Schwules Museum Berlin/N. Simoneau

Die ersten Spiele mit queeren Inhalten kamen Mitte der 1980er Jahre heraus und waren zum Teil zutiefst homophob. Ziel von "Mad Party Fucker" (1985) ist es beispielsweise, mit so vielen Frauen wie möglich Sex zu haben ohne sich, so die Spielregel, "bei Schwuchteln mit AIDS anzustecken".

Bösewicht oder Witzfigur

In 30 Jahren Videospielgeschichte hat sich die Darstellung von queeren Figuren verändert. Trotzdem fällt auf, dass bis heute "eine ganze Menge Bösewichte queer sind", sagt Sarah Rudolph. "Die Figuren werden ekelhaft, gruselig oder bedrohlich dargestellt. Oder lächerlich, als eine Person über die man lachen kann, die niemand ernst nimmt." Die "Grand Theft Auto"-Reihe gehört zu den kommerziell erfolgreichsten Videospielproduktionen. Sie beinhaltet erstaunlich viele queere Charaktere - stellt sie aber größtenteils negativ dar. Die Hauptfigur Trevor aus dem jüngsten Ableger der Reihe schläft mit Frauen, Männern und Teddybären und ist völlig irre, jähzornig und gnadenlos.

Die meisten queeren Figuren sind in Abenteuer-, Action- und Rollenspielen zuhause - wobei nicht jeder Spieler zwingend auf eine queere Story stößt. Zwar gab es die Ehe für alle in manchen Spielen schon bevor entsprechende Gesetze eingeführt wurden, aber das erfuhr der Spieler nur, wenn er es ausprobierte.

Manche Spiele stellen Homosexualität implizit dar. So sieht der eine Spieler in Figuren, die als beste Freundinnen charakterisiert werden, zwei junge Frauen, die einfach nur miteinander befreundet sind, wie Max und Chloe oder Chloe und Rachel in "Life is strange" (2015) oder Lara und Sam in "Tomb Raider" (2013). Ein anderer Spieler erkennt eindeutig eine Liebesbeziehung zwischen den Frauen. Dass es sich dabei nicht nur um Fan-Fantasien handelt, zeigen Interviews mit Entwicklern oder Fortsetzungen, die noch näher auf die Figuren eingehen.

In-Game Fotos Tomb Raider
Toughe Abenteurerin: Lara Croft in "Tomb Raider" (2013)Bild: Crystal Dynamics/Square Enix/Sebastian Radtke

Queere Indie-Game-Szene

Seit einigen Jahren gibt es eine eifrige queere Indie-Szene. Indie-Games sind Spiele, hinter denen kein großes Unternehmen steht. "Anfang der 2010er gab es einen großen Selbstrepräsentationsboom in den Indie-Spielen", sagt Sarah Rudolph. "Das lässt sich darauf zurückführen, dass plötzlich die Tools da waren." Man musste keine Programmiersprache beherrschen, sondern konnte mit einfachen Computerprogrammen eigene Spiele kreieren.

Was zunächst gut klingt, hatte aber einen faden Beigeschmack. "Viele wollen mit den Spielen, die sie zu der Zeit gemacht haben, nichts mehr zu tun haben, weil die Reaktionen darauf so massiv waren - positiv und negativ - dass sie wirklich ihr ganzes Leben auf den Kopf gestellt haben." Sie wurden mit Hass überschüttet oder missverstanden.

Spiele von und über Transmenschen wurden in Hochschulen genutzt, um Empathie zu lehren, ein Versprechen, das sie gar nicht einlösen konnten. "Natürlich weißt du nach dem Spiel nicht, wie es ist als Transfrau zu leben", sagt Sarah Rudolph. "Nach zehn Minuten spielen, weißt du nicht, wie sich das den ganzen Tag anfühlt, dass es unangenehm ist, in eine öffentliche Toilette zu gehen, weil du nicht weißt, ob du verprügelt wirst."

"Kampf um jedes Filzelchen positiver Repräsentation"

#Gamergate im Jahr 2014 wurde zur Zäsur. Der Hashtag steht für eine Debatte, die mit einer Hass-Kampagne gegen eine Spieleentwicklerin begann, der ein Verhältnis mit einem Spielejournalisten nachgesagt wurde. Anschließend prangerten Feministinnen das sexistische Frauenbild in Videospielen an, was ihnen Morddrohungen von aufgebrachten Gamern einbrachte.

Seitdem scheinen auch die großen Studios mehr zu wagen. Heute gibt es zum Beispiel viel mehr Spiele mit weiblichen Protagonisten als noch vor einigen Jahren. Auch die queere Sichtbarkeit in Videospielen nimmt zu. "Es gibt eine Menge queere Entwickler und Entwicklerinnen, die für jedes Filzelchen positiver Repräsentation kämpfen", sagt Sarah Rudolph. "Je mehr Leute in die Industrie drängen und sich nicht verdrängen lassen, desto mehr positiver Inhalt wird in den Spielen sein", ist sie überzeugt. "Es zeigt sich ja auch, dass es sich verkauft." Der Vorgänger von "The Last of Us Part 2", der in einer Erweiterung auch schon deutlich machte, dass Ellie auf Frauen steht, ging weltweit mehr als 17 Millionen Mal über die Ladentheke.

Die Ausstellung "Rainbow Arcade - Queere Videospielgeschichte 1985-2018" ist vom 14. Dezember 2018 bis 13. Mai 2019 im Schwulen Museum in Berlin zu sehen.