1. Zum Inhalt springen
  2. Zur Hauptnavigation springen
  3. Zu weiteren Angeboten der DW springen

"Wie ein Flaschenhals" - Schulbildung für Mädchen in Ghana

26. April 2006

Nur jedes elfte Schulkind auf Ghanas weiterführenden Schulen war 1987 ein Mädchen. Seitdem hat die Regierung einiges getan. Aber Schulbildung liegt für viele Mädchen immer noch außer Reichweite.

https://p.dw.com/p/770q
Privilegiert: eine Klasse der SOS-Hermann-Gmeiner-Schule in TemaBild: dpa

Sie verkaufen Nüsse, Sonnenbrillen oder ihren Körper. Zur Schule gehen diese Mädchen am Hafen von Tema nicht. Sie müssen Geld verdienen in der Industriestadt im Südosten Ghanas. Manche von ihnen kommen von weit her, aus den Dörfern im Landesinnern. Die Mädchen wissen nicht, dass sie ein Recht auf Bildung haben. Und auch das Versprechen der Regierung, mehr für die Schulbildung von Mädchen zu tun, kennen sie nicht.

Der Jungsbonus

Bis Ende 2005 sollen alle Mädchen und Jungen in Ghana kostenlos eine sechsjährige Grundschulbildung bekommen - soweit der Anspruch der Regierung. Aber in den meisten Schulen sind die Mädchen immer noch in der Unterzahl. "In unserer afrikanischen Familienstruktur kommt es auf das Geschlecht an bei der Frage, welches Kind eine Ausbildung erhält", sagt die Lehrerin Lucy Kwapong in der Hauptstadt Accra. "Wenn Eltern zwischen einem Jungen und einem Mädchen wählen müssen, fällt die Entscheidung fast automatisch zugunsten des Jungen". Das traditionelle Bild der "Frau am Herd" behindert die Schulbildung der Mädchen.

Das Mädchenhandicap

Die Bildungslücke zwischen Jungen und Mädchen klafft immer weiter auseinander, je höher die Schullaufbahn führt: in der dreijährigen unteren Sekundarstufe nach der Grundschule sind nur noch 40 Prozent Mädchen; und in der oberen Sekundarstufe - der Voraussetzung für einen Studienplatz - lernen nur noch 30 Prozent Mädchen mit. "Das ist wie bei einem Flaschenhals", sagt Lucy Kwapong. Am schlimmsten ist die Lage in den ländlichen Regionen. Dort hat die "Bildungsflasche" keinen Hals - schon der Besuch der Grundschule ist für die Mädchen nicht selbstverständlich. "Wenn ich arm bin und Eiswasser verkaufen muss, um meine Kinder zu ernähren", sagt Allhaji Ibrahima "dann muss ich meinem Mädchen sagen: "Bitte geh auf den Markt und nicht in die Schule. Denn wenn Du in die Schule gehst, werden wir hungrig schlafen gehen müssen."" Allhaji Ibrahima ist Lehrer in Tamale. Die Provinzhauptstadt liegt im Norden von Ghana, wo die Armut besonders groß ist.

Die Ursachen

Der Hauptgrund dafür, dass Mädchen sooft die Schule abbrechen, sei die Armut der Eltern, stellt Comfort Regina Ametame, Bildungspolitikerin in der Goldgräber-Stadt Obuasi, fest. Zwar müssen die Eltern in Ghana keine Schulgebühren bezahlen, aber Geld für Schuluniform und Schreibhefte haben sie nicht. Trotzdem unterscheidet die Bildungsbeamtin Mia Mokesotu in Tamale echte Armut von falschen Prioritäten der Eltern: "Meistens wird das Geld für Beerdigungen ausgeben, Männer geben Geld für Frauen und Alkohol aus, Frauen für teure Kleider. Es liegt eben nicht nur an der Armut, dass wir zu wenig Geld für Bildung ausgeben." Mia Mokesotu beobachtete noch eine weitere Ursache für die häufigen Schulabbrüche von Mädchen: frühe Schwangerschaften. Nach der Entbindung kehren die Teenager-Mütter aus Scham und Angst vor den Hänseleien ihrer Mitschüler nicht wieder in die Schule zurück.


Die Lösungsansätze

Die Regierung wirbt schon seit den 1980er Jahren dafür, dass mehr Mädchen zur Schule gehen. Und seit 1997 hat sie in den Städten und Gemeinden sogenannte "Girl’s Education Units" (GEU) -Schulbildungseinheiten für Mädchen - eingerichtet. Dort bemühen sich Bildungsbeamtinnen wie Mia Mokesotu darum, Mädchen gezielt zu fördern. In Sommerkursen der Regierung können die Mädchen außerdem ihre Kenntnisse in den naturwissenschaftlichen Fächern verbessern. Das Projekt zeigt zarte Erfolge, denn die Bildungsbeamten stellen fest, dass viele Erwachsene inzwischen sensibilisiert sind für die Probleme der Mädchenschulbildung. Chancengleichheit für Jungen und Mädchen ist in Ghana aber immer noch weit weg. Die Lehrerin Lucy Kwapong glaubt dennoch daran, dass es besser werden wird mit den Bildungsmöglichkeiten der Mädchen: "Es ist ein langsamer Fortschritt", sagt sie, "langsam, aber sicher".