Wie drei Flüchtlinge in Berlin durchstarten
2016 hätte der Syrer Haidar Darwish wohl nie geglaubt, dass er gute zwei Jahre später einmal in Berlin leben und dort bei der Performance einer Drag Queen tanzen würde. Die Geschichte dreier Flüchtlinge in Bildern.
Wie ein Geschäftsmann
Wenn Joseph Saliba durch die Straßen Berlins geht, könnte man meinen, er sei ein Geschäftsmann. Und das war der Syrer auch einmal. Als er neun Jahre alt war, schickte sein Vater ihn nach Damaskus, um für einen Freund zu arbeiten, der Holz wieder aufbereitet. Das hat ihm so viel Spaß gemacht, dass er sich damit selbständig machte. Sein Geschäfte boomte - bis 2011 in Syrien der Krieg ausbrach.
Ein Künstler besteigt die Kanzel
Joseph Saliba hatte Angst, von der syrischen Armee eingezogen zu werden - und so floh er vor drei Jahren nach Europa. Als er - später dann in Deutschland - mit seinem Deutsch-Sprachkurs einen Ausflug zum Berliner Dom machte, spürte er sofort eine Verbindung. Er bot an, freiwillig bei der Restauration zu helfen. Bereits ein Jahr später bot ihm die Kirche einen Job an.
Heimat Kirche
Der Berliner Dom wurde schnell Salibas Heimat, Deutschland hingegen nicht. Die Berliner Behörden wollen ihm keine Papiere ausstellen und verweisen ihn an die syrische Botschaft in Berlin. Die Botschaft des Landes zu betreten, vor dessen Regierung er geflohen ist - das möchte er nicht. Deshalb verklagt er Deutschland. Wie es für ihn in Deutschland weitergeht, ist offen.
Alis Asylantrag, ein Schicksalstag
Sein Geburtsdatum kennt Ali Mohammad Rezaie nicht. Seine Eltern hatten es sich nie aufgeschrieben. Dafür kennt der rund 26-Jährige ein anderes Datum umso besser: den 15. Oktober 2015. Da kam der Afghane in Berlin an und stellte einen Asylantrag. Berlin war das Ziel seiner zweimonatigen Reise von Afghanistan über den Balkan nach Deutschland. Dort angekommen, hat er viel gemacht - auch Musik.
Musik und Motorräder
Ali Mohammad Rezaie tritt einem Chor bei. Dort lernt er Chris Wachholz kennen. Sie lädt ihn zu sich nach Hause ein, um dort zusammen mit ihrem Mann zu kochen und Deutsch zu lernen. Dabei zeigte sich: Ali Mohammad Reazaie und der Mann von Chris haben dieselbe Leidenschaft - Motorräder. Das verbindet. Er hat die beiden in sein Herz geschlossen. "Sie sind wie Mutter und Vater für mich", sagt er.
Treffpunkt Sprach-Café
In Deutschland hat Ali Mohammad Rezaie schon einige Praktika und kleine Jobs gemacht - im Altenheim, in einer Bäckerei, und in Hotels und Restaurants. In seiner freien Zeit, versucht er sein Deutsch zu verbessern - zum Beispiel in einem Berliner Sprachcafé (Foto).
Angst vor der Abschiebung
Wenn Ali Mohammad Rezaie nicht in der Lufthansa-Lounge am Flughafen Berlin Tegel Essen vorbereitet oder sauber macht, trifft er sich gerne mit Freunden in einer Bar. Aber das Damoklesschwert Abschiebung schwebt über ihm: "Ich habe eine Wohnung und kenne viele nette Menschen. Wenn sie mich abschieben, verliere ich alles." Denn sein Asylantrag wurde abgelehnt. Aktuell wird er nur "geduldet".
Vom Bombenhagel ins bunte Nachtleben
Wie Haidar Darwish stellen sich die meisten wohl keinen syrischen Flüchtling vor. Aber er ist einer. 2016 floh er wegen des Krieges. Als er 2017 in einem Schwulen-Club in Berlin tanzte, sprach ihn Judy La Divana an, israelischer Student und Drag Queen. Er bot ihm an, in seiner Show aufzutreten. In Syrien hatte Haidar Darwish noch nie auf einer Bühne getanzt.
Ungewöhnliche Jobs
Judy La Divana überzeugte ihn. Und seitdem läuft es rund. "Viele Leute fragen, wann und wo ich auftrete, um dann vorbeizukommen", sagt er stolz. Um sein Einkommen aufzubessern, arbeitet er noch in einem Mode- und Erotik-Geschäft für Schwule (Foto). Der Geschäftsführer hatte zuvor seine Shows besucht.
Frei entfalten
Haidar Darwish (l.) hilft seinem Chef Frank Liedtke (r.) auch bei Veranstaltungen von Schwulen und Lesben in Berlin. Sein Leben in Syrien wäre ein deutlich anderes als das, was er in Berlin führt: ein buntes, freizügiges, angstfreies. In Berlin kann er sich frei entfalten. Und Berlin ist wieder ein Stück bunter geworden.