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Politik

Wie Corona Menschen im Donbass trennt

20. März 2020

Die Anti-Corona-Maßnahmen treffen in der Ostukraine ausgerechnet diejenigen, deren Häuser oder Verwandte sich auf der anderen Seite der Front befinden. Neue Beschränkungen an den Kontrollpunkten verschärfen die Lage.

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Ukraine Konflikt Ost-Ukraine & Russland | Novotroitske | Coronavirus | Gesundheitskontrolle
Kontrolle an der Grenze zum Donezk GebietBild: Getty Images/AFP/S. Volsky

Fast menschenleer sind die Übergangsstellen im Donbass, die noch vergangene Woche täglich von Zehntausenden genutzt wurden. Laut Befehl des ukrainischen Militärs können jetzt nur noch diejenigen in das von den pro-russischen Separatisten oder umgekehrt in das von Kiew kontrollierte Gebiet gelangen, die dort ihren eingetragenen Wohnsitz haben.

Für Tausende von Binnenflüchtlingen und andere, die auf einer Seite der Front gemeldet sind, aber tatsächlich auf der anderen leben, war dies ein Schock. Denn sie können nicht mehr zu ihren Häusern oder Angehörigen gelangen, solange in der Ukraine die Maßnahmen zur Verhinderung der Ausbreitung des Coronavirus gelten.

Die Meldeadresse im Pass ist somit zu einem One-Way-Ticket geworden. Die Grenzbeamten lassen die Menschen ausreisen, aber nicht zurückkehren. "Was die Rückreise angeht, so gelten vom 16. März bis 3. April Beschränkungen und man wird nicht mehr durchgelassen", sagt Wolodymyr Oleksenko von der ukrainischen Organisation "Right to Protection", die Binnenflüchtlingen Rechtsbeistand gewährt. Er weist darauf hin, dass die selbsternannte "Volksrepublik Donezk" sogar angekündigt habe, vom 21. März an ihre Kontrollpunkte ganz zu schließen.

Viele Rentner sind betroffen

Die meisten, die normalerweise die Trennlinie im Donbass überqueren, sind Rentner. Viele von ihnen leben faktisch in den sogenannten "Volksrepubliken Donezk und Luhansk", sind aber zugleich als Binnenflüchtlinge in den von Kiew kontrollierten Gebieten des Donbass gemeldet, um dort Renten zu beziehen. Damit die Zahlungen nicht eingestellt werden, müssen sie ihren angeblichen Aufenthalt in den von Kiew kontrollierten Gebieten regelmäßig nachweisen und passieren daher alle 60 Tage die Trennlinie.

Ukraine Checkpoint Gnutowe
Jeden Tag überqueren zehntausende Menschen die Demarkationslinie im Donbass Bild: DW/M. Berdnyk

Am Montag hob das ukrainische Parlament nun diese Pflicht für die Zeit der Anti-Corona-Maßnahmen auf. Vizepremier Oleksij Resnikow, der für Fragen der Reintegration der von Kiew nicht kontrollierten Gebiete zuständig ist, versicherte, dass Renten und Sozialleistungen weiter gezahlt würden.

Doch laut Wolodymyr Oleksenko von "Right to Protection" löse diese Maßnahme das Problem der Rentner nur zum Teil. "Sie werden die Trennlinie nicht überqueren können, um Bargeld abzuheben", so der Menschenrechtsaktivist. Die Renten, die sie in den "Volksrepubliken" erhalten würden, seien miserabel.

Nicht nur Rentner haben Probleme

Aber auch viele andere Menschen, die auf einer der Seiten der Trennlinie leben, dort aber nicht gemeldet sind, wurden von den neuen Regelungen überrascht. Es gibt Menschen, die aus den "Volksrepubliken" raus wollen, aber auch solche, die dorthin wollen. Zum Beispiel Studenten, die in einem von Kiew kontrollierten Gebiet studieren, dort in einem Wohnheimen angemeldet sind, aber tatsächlich in den "Volksrepubliken" wohnen und nun zurück zu ihren Familien wollen.

Zwar hieß es aus Kiew am Dienstag, das ukrainische Militär werde in "wichtigen Ausnahmefällen" erlauben, die Trennlinie zu passieren. Das dies nicht immer funktioniert, bekam der 27-jährige IT-Fachmann Oleksandr zu spüren. Er war lange vor dem Krieg nach Donezk gezogen. Aber er sei, wie er der DW sagte, immer noch in einem Ort gemeldet, der unter der Kontrolle Kiews steht.

Vergangenen Samstag fuhren er und seine Frau von Donezk aus zu Freunden. Am Montag war ihnen der Rückweg plötzlich versperrt, da sie über keine Meldeadresse in Donezk verfügen. "Am Kontrollpunkt hieß es, ich solle zurück zu dem Ort fahren, wo ich gemeldet sei. Aber das Haus dort ist nicht mehr bewohnbar", so Oleksandr, der mit seiner Frau in einem Hotel unterkommen musste. "Uns geht das Geld aus, ich weiß nicht, was ich machen soll", klagt er.

Flexible Lösungen nötig

Der Vertreter des ukrainischen Menschenrechtsbeauftragten für die Regionen Donezk und Luhansk, Pawlo Lysjanskyj, räumt ein, dass an den Kontrollpunkten Beschränkungen nötig seien. Die Warteschlangen, in denen meist ältere Menschen stünden, würden allerdings ein hohes Infektionsrisiko bergen. Gleichzeitig kritisierte er, dass die Grenzer den tatsächlichen Wohnort der Menschen nicht berücksichtigten. "Es wäre gut, sie zumindest zu ihrem faktischen Wohnort durchzulassen, damit sie dort die Zeit der Anti-Corona-Maßnahmen verbringen", sagt er.

Kiew - Geldautomat
In den Gebieten, die von Separatisten kontrolliert werden, gibt es keine Möglichkeit Geldautomaten aufzustellenBild: picture-alliance/ZB

Lysjanskyj plädiert auch dafür, Personen aus den "Volksrepubliken", medizinische Hilfe zu gewähren, wenn diese sie brauchen. "Diese Menschen müssen Zugang zur medizinischen Versorgung in den von Kiew kontrollierten Gebieten haben, wenn sie die Grenzbeamten darum bitten", sagt der Vertreter des Menschenrechtsbeauftragten und fügt hinzu: "Natürlich können sie sich auch an uns wenden. Wir werden unser Bestes tun, um ihnen zu helfen."

Was das Abheben der Renten in den von Kiew kontrollierten Gebieten durch Rentner aus den "Volksrepubliken" angeht, ist laut Lysjanskyj noch keine Lösung in Sicht. Solange es in den von Kiew nicht kontrollierten Gebieten des Donbass illegale bewaffnete Gruppierungen gebe, sei es unmöglich, dort Geldautomaten aufzustellen oder mobile Filialen ukrainischer Banken einzurichten.

Mykola Berdnyk Leiter des DW-Büros in der Ukraine