Wie Chinas Kunst politisch wurde
Mit Chinas Öffnung nach der Kulturrevolution standen den Künstlern plötzlich neue Wege offen. Pfade, die immer wieder an Mauern endeten - sie umgingen sie subtil oder räumten sie gar aus dem Weg. Bilder aus 30 Jahren.
Ai Weiwei: "Mao" (1986)
Mao starb 1976. Sein Tod markierte auch das Ende der Kulturrevolution. Als sich Mitte der 1980er Jahre moderne Künstler in ihren Bildern experimentell mit der Figur Mao auseinandersetzten, war das noch immer ein Wagnis. Wollte man ihn hinter Gittern sehen oder ganz nah an ihn herantreten? Auch Ai Weiwei arbeitete sich, inspiriert von Andy Warhol, in seinen "Mao Images" am Idol Mao ab.
Geng Jianyi: "Two people under a light"
Geng Jianyi, geboren 1962, war einer der Avantgardisten der modernen Kunst in China. Er gehörte zu einer der vielen freien Künstlergruppen, die sich Mitte der 1980er Jahre bildeten. Als er als Abschlussarbeit seines Studiums in Hangzhou das erste Mal ein Paar malte, wurde das Bild als zu "kalt" abgelehnt, es entsprach nicht dem positiven Menschenbild. Der weltweit ausgestellte Künstler starb 2017.
Wang Guangyi: "Great Criticism" (1992)
Wang Guangyi, geboren 1957, gehörte in den späten 1980er Jahren der "Gruppe des Nordens" an, die sich viel mit Texten der westlichen Philosophie auseinandersetzte. Die Verbindung von Propaganda-Kunst der Kulturrevolution mit Pop-Art-Ästhetik brachte seinen Werken das Etikett "Politischer Pop" ein. "Great Criticism" ist seine bekannteste und paradoxerweise kommerziell erfolgreichste Serie.
Yue Minjuns lachende Fratzen
Auch Yue Minjun, geboren 1962, gehört zu den Führern der Avantgarde in China - und inzwischen zu den Stars internationaler Auktionen. In seinen irre lachenden Fratzen sind oft auch seine eigenen Gesichtszüge zu erkennen. Sein "Zynischer Realismus" prägte nach den Ereignissen auf dem Pekinger Tiananmen-Platz 1989 eine wichtige Stilrichtung innerhalb der gesellschaftskritischen Künstlerbewegung.
Fang Lijun: Zynischer Realismus
Der 1963 geborene Maler und Holzschnittkünstler gehörte 1989 zu den Künstlern der bahnbrechenden Ausstellung "China Avant-Garde" in Peking. Glatzenmänner vor einem Hintergrund von Meer oder Himmel wurden in den 1990ern zu seinem Markenzeichen und zum programmatischen Bild des Aufbruchs in der Kunst. Immer wieder zeigt er Menschen als Teil einer Massengesellschaft, gelangweilt und zornig zugleich.
Feng Mengbo: "Der Große Vorsitzende"
Der "Große Vorsitzende" gibt auf dem Bild von Feng Mengbo seinem Doppelgänger die Hand. Feng wurde 1966 in Peking geboren, als die Kulturrevolution ausbrach. Der Video- und Installationskünstler setzte sich schon als Student in seinen Bildwelten subversiv mit dem revolutionären Idol auseinander. Feng recycelt die Bilder der Mao-Ära später auch in seinen Videos und Animationen.
Zeng Fanzhi: "Das Abendmahl" (2001)
Zeng Fanzhis vier Meter breites Gemälde "The Last Supper" erzielte 2013 bei einer Versteigerung in Hongkong mit 23,3 Millionen Dollar eine Rekordsumme für asiatische Kunst. In Zengs Werk sind die Jünger Jesu, wie sie in da Vincis Vorbild zu sehen sind, durch Pioniere mit roten Halstüchern ersetzt. Nur "Judas" trägt eine westliche Krawatte, ein Hinweis auf Chinas Hinwendung zum Kapitalismus.
Cao Fei: "Live in RMB City" (2009)
Cao Fei ist Chinas bedeutendste Medien-Künstlerin und in den wichtigsten internationalen Ausstellungen vertreten. Ihre Werke - hier ein Standbild aus einem Video - sind oft eine subjektive Mischung aus Fiktion und Dokumentation. Sie setzt sich auf diese Weise mit dem Hochgeschwindigkeitsurbanismus auseinander, aber auch mit neuesten Technologien und ihren sozialen Folgen.
Huang Yongping: "Leviathanation" (2011)
Huang Yongping, geboren 1954, gehörte zu den frühesten Künstlern der chinesischen Avantgarde. 1986 gründeten er und andere die Gruppe "Xiamen Dada", die ihre Bilder nach den Ausstellungen öffentlich verbrannte. 1989 nahm er als einer der ersten chinesischen Künstler an einer Ausstellung in Frankreich im Centre Pompidou teil. Nach dem 4. Juni 1989 blieb er in Paris, wo er auch heute noch lebt.
"Nut Brother" in Beijing (2015)
100 Tage war Wang Renzheng alias "Nut Brother" 2015 in Peking unterwegs, um mit einem Industriestaubsauger den Smog-Staub aus der Luft zu sammeln. Am Ende ließ der Künstler-Aktivist aus Shenzhen die eingesammelten Partikel in einer Ziegelfabrik mit Lehm vermischt zu Blocksteinen backen. Luftverschmutzung zum Anfassen - und sein Kommentar zum Verhältnis Mensch und Natur, ließ "Nut Brother" wissen.