"Nicht nur Entwicklungsländer sind betroffen"
7. April 2015Am 7. April ist "World Health Day 2015", dieses Jahr unter dem Motto: "safe food". Hier geht es aber nicht darum, die Menschheit darauf aufmerksam zu machen, weniger Fast Food zu essen und sich ausgewogen zu ernähren, sondern darum, dass sichere Lebensmittel - ohne Keime, Viren und Chemikalien - ein elementarer Bestandteil unserer Ernährung sein sollten. Gar nicht so leicht, wenn man bedenkt, dass unsere Lebensmittel heute oft vom anderen Ende der Welt kommen.
Deutsche Welle: Frau Tritscher, auf Ihrer Webseite haben Sie ein schönes Video zum heutigen "World Health Day". Es beginnt damit, dass sichere Lebensmittel ausmacht, dass sie keine Keime, Viren und Chemikalien enthalten. Wo und wie geraten die in unsere Nahrung?
Angelika Tritscher: Es gibt eine ganze Reihe von Bakterien, die in die Lebensmittel gelangen können. Am bekanntesten sind Salmonellen, oder E.coli, die durch Kontamination in Lebensmittel geraten können und dann die Leute einfach krank machen: Man isst was, danach fühlt man sich schlecht, danach erbricht man oder bekommt Durchfall. So etwas ist am meisten bekannt.
Es gibt auch eine Reihe von Viren, die lebensmittelverursachte Krankheiten hervorrufen können. Häufig kommt das Norovirus über kontaminiertes Wasser in die Lebensmittel, zum Beispiel auf Feierlichkeiten oder auf großen Schiffen - Kreuzfahrten etwa.
Und es gibt eine ganze Reihe Chemikalien, die über die Umwelt in die Lebensmittel geraten. Zum einen gibt es Substanzen wie Dioxine, die oft über industrielle Prozesse in die Umwelt kommen und dann in den Lebensmitteln enden. Das führt dann nicht zu akuten Erkrankungen - wie bei Bakterien - sondern langfristig zu Krankheiten, wenn die Aufnahme über eine gewisse Dauer stattfindet. Etwa Krebs oder Herz-Kreislauf-Erkrankungen.
Zählen dazu auch Chemikalien, die durch Verpackungen in unsere Lebensmittel kommen können?
Chemikalien, die über Verpackungen in die Lebensmittel geraten - oder auch zugesetzt werden - sind ganz anders geregelt. Die werden untersucht, und die Menge wird gesetzlich geregelt und kontrolliert. In Deutschland und Europa gibt es da zum Beispiel ganz klare Grenzwerte. Hier gibt es also Maßnahmen, damit sie ein gesundheitsgefährdendes Maß nicht überschreiten.
Wenn wir von Umweltchemikalien reden, die keiner absichtlich produziert und in Kontakt mit Lebensmitteln bringt, ist die Kontrolle viel schwieriger. Da sind die gesundheitlichen Konsequenzen gravierender und deshalb sind diese Arten von Chemikalien auch von größerer Bedeutung.
Irgendwie hat man aber doch immer den Eindruck, dass solche Lebensmittelprobleme eher ein Problem in Entwicklungs- als in Industrieländern sind. Stimmt das?
Nein, Krankheiten aufgrund von kontaminierten Lebensmitteln und irgendwelche Infektionen gibt es überall auf der Welt. Besondere Ausbrüche hat es in den letzten zehn Jahren auf jedem Kontinent, in jedem Land irgendwo irgendwann einmal gegeben.
Das wird auch durch den Handel verstärkt. Kontaminierte Lebensmittel können heute ganz schnell global verteilt werden und viel größere Folgen haben als es noch vor zehn bis zwanzig Jahren der Fall war.
Es ist natürlich schon so, dass in manchen Ländern die gesetzliche Infrastruktur und die Kontrollen nicht ganz so strikt sind wie in Europa und in Deutschland. Und es kann schon sein, dass einige Länder stärker durch pathogene Kontamination betroffen sind als andere. Das haben wir auch bei verschiedenen Pathogenen untersucht. Da gibt es Hinweise, dass zum Beispiel in der afrikanischen Region die Durchfall-auslösenden Bakterien häufiger vorkommen als in anderen Regionen der Welt. Das heißt aber nicht, dass andere Regionen vollkommen geschützt sind. Auch da gibt es Krankheitsausbrüche durch unsichere Lebensmittel.
Aber sind da die Auswirkungen der Ausbrüche vielleicht weniger schlimm, weil man sie schneller wieder in den Griff bekommt?
Das spielt sicher auch eine Rolle. Aber da gibt das Beispiel von dem E.coli-Ausbruch in Deutschland 2011. Wo dann ganz schnell acht andere Länder in Europa und Nordamerika betroffen waren. Und wo leider auch 53 bekannte Todesfälle vorgekommen sind und Unzählige erkrankt sind. Auch in Deutschland kann so etwas auftreten. Hier ist es nur so, dass die Überwachung besser ist und es nachvollziehbarer ist. Die Untersuchungen und Zahlen werden besser erfasst als in manchen anderen Ländern. Insofern hat man hier vielleicht genauere Daten, aber vorkommen können solche Fälle überall. Selbst mit dem besten etablierten Lebensmittelsystem gibt es nie hundertprozentige Sicherheit.
In Ihrem Onlinevideo zum 7. April kommt auch ein kleines Mädchen vor, das singt "Unsafe food can cause disease, malnutrition and even death". Natürlich, Mangelernährung - besonders in Afrika - ist auch ein großes Thema. Aber im Zusammenhang mit unsicheren Lebensmitteln - sind das nicht zwei verschiedene Paar Schuhe?
Nein, das hängt alles sehr eng zusammen: Genügend Lebensmittel zu haben, sichere Lebensmittel und auch Lebensmittel mit den richtigen Nährstoffen. Wenn jetzt unter- oder mangelernährte Kinder noch dazu Lebensmittel kriegen, die kontaminiert sind mit Krankheitserregern, die dann noch Durchfallerkrankungen auslösen, dann verschlimmert das diesen schlechten Ernährungszustand nur noch weiter, weil noch weniger Nährstoffe aufgenommen werden. Deshalb können Sie die oben genannten drei Elemente nicht trennen. Wenn ich jetzt eine gesicherte Ernährung für die Weltbevölkerung haben will - mit den besten Nährstoffen - kann das nur über sichere Lebensmittel gehen.
Okay, wenn es dann aber um die Verteilung auf der Welt geht. Was ist die größere Herausforderung: Die Lebensmittel richtig lagern, oder sie richtig zu verpacken und mit Schiffen oder Flugzeugen um die Welt zu schicken?
Es kann auf jedem Schritt der ganzen Lebensmittelkette etwas passieren. Darum ist es absolut wichtig, dass in jedem einzelnen Schritt - von der Produktion über die Verpackung über den Transport und Verkauf - die Aspekte der Lebensmittelsicherheit strikt beachtet werden. Jeder Mensch in den einzelnen Schritten trägt Verantwortung dafür. Man kann nicht sagen, dass ein Schritt wichtiger ist als der andere.
Beim Transport in großen Containerschiffen muss zum Beispiel beachtet werden, was vorhin darin transportiert wurde und dass sie geeignet sind, Lebensmittel zu transportieren. Dazu müssen Temperatur und Feuchtigkeit auf dem Schiff beachtet werden, um das Wachstum von Keimen zu verhindern,…
Wenn ich Deutschland zum Beispiel mit den USA vergleiche, dann hat man aber einen ganz unterschiedlichen Eindruck vom Umgang mit Lebensmitteln - und auch von dem steril halten. Während in Deutschland zum Beispiel noch oft mit den Händen gearbeitet wird und nicht jeder ein Haarnetz trägt, fasst in den USA wahrscheinlich kein einziger Koch, keine Bedienung, kein Mitarbeiter mein Essen mit den bloßen Händen an. Einerseits könnten ein paar Keime aber doch abhärten. Wie stehen Sie dazu?
Auf jeden Fall muss die Handhabung hygienisch ablaufen - ob ich nun Handschuhe anziehe oder nicht. In jedem Fall muss die Handhygiene so sein, dass ich nichts kontaminiere. Die Leute - in Restaurants oder bei Caterings etwa, die Lebensmittel herrichten, die müssen gesund sein. Wenn irgendwelche Infektionskrankheiten oder Wunden da sind, dann sollten diese Leute diese Lebensmittel einfach nicht anfassen, auf keinen Fall ungeschützt jedenfalls - ohne Handschuhe.
Aber Handschuhe sind nicht zwingend vorgeschrieben, wenn die Leute gesund sind und Handhygiene und sonstige Hygiene eingehalten wird. Der Hauptpunkt ist eher: Welche Maßnahmen sind da, um zu garantieren, dass Lebensmittel hygienisch vorbereitet und hergerichtet werden.
Nun hat man hier in Deutschland aber schon den Eindruck, als hätten die Behörden und die Öffentlichkeit ein Auge auf die Lebensmittelsicherheit. Dazu kommt die EU als weitere Absicherung, die Maßnahmen trifft. Aber wie ist das woanders auf der Welt? Nicht überall kann man ja auf solche Regulierungen setzen. Welche Chance haben die Verbraucher dann, um sich in punkto Lebensmittel abzusichern?
Die Konsumenten müssen sich als erstes informieren, wer in ihrem Land zuständig ist für die Lebensmittelsicherheit. Wo Maßnahmen ergriffen werden, und welche Probleme da sind.
Wir haben zusammen mit der FAO eine ganze Reihe von Empfehlungen für Regierungen zusammengestellt: Zu sicheren Lebensmitteln, zu Systemen, die im Land da sein müssen, Gesetzgebungen, Kontrollmaßnahmen, um sicherzustellen, dass die Nahrungsmittel, die an den Verbraucher kommen, sauber sind. Dadurch versuchen wir, auch die Verbraucher zu unterstützen. Damit sie möglichst damit auch Druck ausüben können, wenn etwas nicht richtig läuft.
Glauben Sie, das Thema ist so weit bei allen auf dem Schirm, wie Sie sich das wünschen?
Das hoffe ich schon. Das ist ganz wichtig um einfach mal die Öffentlichkeit darauf aufmerksam zu machen: Lebensmittelsicherheit ist ein ganz, ganz wichtiger Aspekt von Gesundheit. Es wird oft nicht thematisiert, es wird oft als selbstverständlich hingenommen. Aber natürlich ist das Essen ein ganz wichtiger Bestandteil. Man will sich da keine Sorgen, keine Gedanken darüber machen. Aber es ist tatsächlich wichtig, dass man das nicht einfach als gegeben hinnimmt, sondern dass Verbraucher und Regierung verstehen, dass Lebensmittelsicherheit ein integraler Bestandteil von Gesundheit ist und so auch behandelt werden muss.
Doktor Angelika Tritscher ist zuständige Koordinatorin für "Risk Assessment and Management" und "Department of Food Safety and Zoonoses".
Das Interview führte Hannah Fuchs.