Westlicher NGO gelingt Umfrage in Turkmenistan
8. Februar 2007Die in Turkmenistan von der Nichtregierungsorganisation Eurasian Transition Group (ETG) durchgeführte Meinungsumfrage gilt als inoffiziell - der Leiter der ETG, Michael Laubsch, erläuterte im Gespräch mit der Deutschen Welle warum: "Inoffiziell deswegen, weil wir natürlich von Seiten der Regierung keine Unterstützung hätten erwarten können. Wir mussten das geheim durchführen. Dennoch hatten wir die Möglichkeit, insgesamt 1145 Bürgerinnen und Bürger Turkmenistans zu befragen." Dutzende Freiwillige aus verschiedenen Bevölkerungsgruppen in allen Regionen des Landes haben Laubsch zufolge von der ETG eine Liste mit Fragen bekommen. Jene Fragen hätten die Freiwilligen dann Personen aus ihrem eigenen Umfeld gestellt.
Vorsichtiges Vorgehen
Laubsch von der ETG erklärte, seine Organisation habe darauf geachtet, die Beteiligten an der Meinungsumfrage nicht zu gefährden: "Wir haben uns bei der Umfrage darauf konzentriert, nicht direkt nach persönlichen politischen Vorlieben zu fragen oder Fragen zu stellen, wo wir die Befürchtung gehabt hätten, dass wir die Befragten in irgendeiner Art und Weise hätten gefährden können. Aus diesem Grund wurden die Fragen ziemlich allgemein gehalten. Wir haben zum Beispiel gefragt, ob man sich als Ergebnis der kommenden Präsidentschaftswahlen am 11. Februar einen demokratisch legitimierten Präsidenten wünscht oder einen Präsidenten aus dem alten Machtapparat."
Regionale Unterschiede
Die ETG hat bewusst in allen Regionen Turkmenistans die Umfrage gestartet, so auch in der Hauptstadt. Es sei sehr interessant zu sehen, wie aufgrund der aktuellen politischen Lage in den verschiedenen Regionen auch unterschiedlich abgestimmt werde, betonte Laubsch: "Wir haben in unseren internen Informationen schon früher feststellen können, dass der Geheimdienst Turkmenistans, auch Redschepows Leute, besonders in der Region Mary aktiv sind, um dort eine totale Kontrolle über die Bürgerinnen und Bürger zu haben. Unsere Meinungsumfrage hat gezeigt, dass die Bürger in Mary sich neben der Region von Aschgabad besonders kritisch zum aktuellen politischen Stand im Land geäußert haben, sodass man sagen kann, dass Mary und Aschgabad die Regionen sind, wo die Bürgerinnen und Bürger am meisten politisch interessiert sind und sich auch insofern engagieren."
Zivilgesellschaftliche Haltung
Nach Angaben der ETG hat die Umfrage die im Westen verbreitete Annahme widerlegt, das turkmenische Volk habe durch die lange Nijasow-Ära die Fähigkeit verloren, politisch, zivilgesellschaftlich zu denken. Über das Ergebnis der Umfrage sagte Laubsch: "Man kann grundsätzlich sagen, dass im gesamten Turkmenistan die Bevölkerung zu über 85 Prozent einen wirklich demokratisch legitimierten neuen Präsidenten sehen will, und nur eine verschwindend kleine Minderheit sagt, dass es ihr egal ist. Das gleiche gilt auch für die Frage, die wir gestellt haben, ob die Bürgerinnen und Bürger in Turkmenistan glauben, dass ihre Stimme, ihre Abstimmung am Wahltag überhaupt zählt und von den Machthabern zur Kenntnis genommen wird. Auch eine Mehrheit hat gesagt, sie sei sich nicht sicher, ob ihre Meinung überhaupt zähle."
Bedeutung der Ergebnisse
Die Ergebnisse der Umfrage könnte man Laubsch zufolge insofern noch verändern, wenn soziologisch-wissenschaftliche Aspekte wie beispielsweise Angst in die Analyse einbezogen würden: "Wenn man die Angst davor, eine Frage zu beantworten, weil hinter jeder Ecke ein Sicherheitsmitarbeiter stecken könnte, berücksichtigt, könnten diese Antworten noch viel stärker das unterstützen, was unsere Organisation schon seit längerem sagt, dass die turkmenische Bevölkerung sehr wohl weiß, wie es im Staate um sie steht." Auch wenn das Ergebnis der Umfrage nicht als absolut verlässlich bezeichnet werden könne, sei es dennoch von Bedeutung. "Da die OSZE es aus formellen Gründen abgelehnt hatte, eine offizielle Wahlbeobachtung nach Turkmenistan zu schicken, ist es gerade für den Westen umso wichtiger, halbwegs verlässliche Zahlen aus Turkmenistan zu bekommen. Ich denke, dazu haben wir unseren Beitrag geleistet", unterstrich Laubsch.
Vitali Volkov
DW-RADIO/Zentralasien, 6.2.2007, Fokus Ost-Südost