FDP: Westerwelle stiehlt Rösler die Schau
13. November 2011Bravo-Rufe mischten sich in den donnernden Applaus, zahlreiche Delegierte erhoben sich von ihren Sitzen. Der Jubel galt einem Mann, der bis Mai 2011 Vorsitzender der Freien Demokratischen Partei (FDP) war. Außenminister Guido Westerwelle hatte mit einer leidenschaftlichen Rede davor gewarnt, die Zukunft der europäischen Gemeinschaftswährung aufs Spiel zu setzen. Die Begeisterung über Westerwelles Auftritt am Samstag (12.11.2011) sagt viel über den Zustand der FDP, die auf ihrem außerordentlichen Parteitag in Frankfurt am Main die Wende zu besseren Wahl- und Umfrage-Ergebnissen schaffen will. Da traf einer den Nerv der Partei, der gleichzeitig verantwortlich gemacht wird für den beispiellosen Absturz der Liberalen seit der Bundestagswahl 2009.
Damals strotzten Westerwelle und die FDP vor Kraft und Selbstbewusstsein. Kein Wunder bei einem Wahlergebnis von 14,6 Prozent. So viel Zuspruch für liberale Politik hatte es deutschlandweit noch nie gegeben. Zwei Jahre später stecken die Liberalen nach fünf teilweise verheerenden Niederlagen bei Landtagswahlen in einer existenziellen Krise. In Umfragen verharren sie seit Monaten bei maximal vier Prozent. Mit einem solchen Ergebnis würde die FDP bei der Bundestagswahl 2013 in der außerparlamentarischen Opposition landen.
Westerwelle sorgt sich um die Zukunft Europas
Es ist zwar auch die Angst vor der möglichen politischen Bedeutungslosigkeit in zwei Jahren, aber mehr noch die Sorge um die Zukunft Europas, die Außenminister Westerwelle umtreibt. Und diese Sorge hat einen höchst aktuellen Hintergrund. Denn bis Mitte Dezember muss sich die FDP-Basis entscheiden, ob sie für oder gegen den dauerhaften Euro-Rettungsschirm (ESM) ist. Der Mitgliederentscheid ist bindend. Deshalb wäre es wohl das Ende der Regierungskoalition von Angela Merkels Konservativen und der Liberalen, wenn sich die Euro-Skeptiker um den Bundestagsabgeordneten Frank Schäffler durchsetzen sollten.
Deutschlands Partner in der Euro-Zone beobachten den Richtungsstreit aufmerksam. Die FDP sei eine "pro-europäische" Partei, versuchte Parteichef Philipp Rösler Zweifel an der Verlässlichkeit einer deutschen Regierungspartei zu zerstreuen. Die FDP müsse dem Eindruck entgegenwirken, man sei gegen Europa, weil man über Europa streite, sagte der seit sechs Monaten amtierende Nachfolger Westerwelles im Parteivorsitz. Für seine einstündige Rede erntete der 38-Jährige zwar längeren freundlichen Beifall, mitreißen konnte er die Mehrheit der über 600 Delegierten aber nicht.
Trost vom niederländischen Ministerpräsidenten
Inhaltlich blieb Rösler allgemein und unverbindlich. Für die Finanzmärkte müsse man eine "kluge Regulierung auf den Weg bringen". Derlei wohlfeile und vage Formulierungen waren vielen zu wenig, wie in der mehrstündigen Aussprache deutlich wurde. Am meisten Zuspruch erhielt Rösler für seinen Appell, gemeinsam zu kämpfen. Den Zustand der FDP verglich er mit dem eines angeschlagenen Boxers, der am Boden liegt. Wer liegen bleibe, werde angezählt, mahnte Rösler. "Wir bleiben niemals liegen, wir stehen auf, wir werden kämpfen für Freiheit und Verantwortung, für die Menschen in diesem Land. Jetzt erst recht", sprach Rösler sich und der FDP Mut zu.
Wie nötig die Liberalen aufmunternde Worte haben, wurde schon zu Beginn des Parteitags deutlich. Als Gastredner trat in Person des niederländischen Ministerpräsidenten Mark Rutte der zurzeit wohl erfolgreichste liberale Politiker Europas auf. Auch er habe schwierige Zeiten erlebt. Um in die Erfolgsspur zurückzufinden, komme es aus seiner Sicht auf drei Dinge an: Gemeinsamkeit, Optimismus, Geduld.
Autor: Marcel Fürstenau
Redaktion: Thomas Kohlmann