Westerwelle Nordafrika
9. Januar 2012Ein fester Händedruck und freundliche Hilfsangebote - Bundesaußenminister Guido Westerwelle bemühte sich auf seiner Reise durch Nordafrika sichtlich um gute Stimmung bei seinen Gesprächspartnern. Algerien, Libyen und Tunesien standen in den vergangenen drei Tagen auf dem Programm. Vor allem in Tripolis ging es dem deutschen Außenminister bei seinem ersten Besuch nach dem Tod des Machthabers Muammar al-Gaddafi darum, Präsenz zu zeigen. "Das ist für Libyen die Stunde Null", sagte Westerwelle nach einem Treffen mit dem Ministerpräsidenten der Übergangsregierung, Abdurrahim el-Kib, und fügte hinzu: "Wir wollen dabei sein."
Nach der umstrittenen Enthaltung Deutschlands im Weltsicherheitsrat im Frühjahr 2011, als es um ein militärisches Eingreifen in Libyen ging, suchte Westerwelle nun bewusst den Kontakt zu den neuen Machthabern des Übergangsrates. Und die scheinen der Regierung in Berlin ihre damalige Entscheidung nicht nachzutragen. "Wir reden über die Zukunft", sagte Außenminister Aschur bin Chaial bei seinem Treffen mit Westerwelle.
"Für die Libyer ist das Thema vom Tisch", meint auch Marco Overhaus, Nordafrika-Experte der Stiftung Wissenschaft und Politik (SWP). Die SWP ist ein Think-Tank in Berlin, der unter anderem die Bundesregierung in Fragen der Außenpolitik berät. "Die Herausforderungen der Zukunft sind in Libyen so gewaltig, dass man dort gar keine Kapazitäten hat, vergangene Dissonanzen aufzuarbeiten", so das Fazit von Overhaus.
Das Geschäftliche im Vordergrund
Westerwelle hatte noch während der Kämpfe zwischen Rebellen und dem Gaddafi-Regime ein Verbindungsbüro in Bengasi eröffnet. Nun ist ein Goethe-Institut für den kulturellen Austausch geplant. Außerdem hatte Deutschland die medizinische Versorgung von rund 1000 verletzten Kämpfern der Aufständischen übernommen und Millionenbeträge für den Wiederaufbau versprochen. Bei seinem jetzigen Besuch ging es Guido Westerwelle vor allem um wirtschaftliche Zusammenarbeit. "Das stabilisiert auch politisch", erklärte er. Vor allem in den Bereichen Gesundheitswesen, Energie und Infrastruktur vereinbarten beide Länder eine enge Kooperation.
Für seine Enthaltung im Sicherheitsrat der Vereinten Nationen hatte der deutsche Außenminister damals sogar Kritik von Seiten des eigenen Koalitionspartners eingesteckt. "Wir hätten zustimmen sollen", erklärte beispielsweise der CDU-Außenpolitiker Ruprecht Polenz.
Westerwelle verteidigt die Entscheidung dagegen bis heute. "Wir haben auf die internationale Isolierung gesetzt, auf vor allen Dingen die politischen und wirtschaftlichen Sanktionen, und diese Sanktionspolitik war augenscheinlich erfolgreich", hatte er jüngst erklärt. Die Zeit scheint ihm recht zu geben – auf seiner jüngsten Reise in die Region verlor niemand mehr ein Wort darüber.
Autorin: Friederike Schulz
Redaktion: Thomas Kohlmann