Werder Bremen spielt wie ein Absteiger
18. Mai 2020Viele leichte Fehler im Aufbau, kein Flügelspiel, schwache Verteidigung bei Standards und hohen Bällen, wenig Tempo und - wenn es dann tatsächlich mal eine der seltenen Tormöglichkeit gab - auch noch mangelnde Chancenverwertung. Im Grunde hat Werder Bremen im "Geister-Montagabendspiel" gegen Bayer 04 Leverkusen (1:4) alles gezeigt, was es braucht, um aus der Bundesliga abzusteigen.
Dabei hatte vor der Partie bei den Grün-Weißen durchaus noch Hoffnung bestanden: "Die elektrisierende Stimmung auf den Straßen, die man sonst vor jedem Bundesligaspiel merkt, die war natürlich heute nicht da", räumte Werder-Trainer Florian Kohfeldt vor dem Anpfiff bei DAZN ein, schob aber direkt nach: "Aber die innere Anspannung im Bus, die war sehr hoch. Ich bin mir sicher, dass wir auch die Anspannung auf den Platz bringen werden."
Trostloser Auftritt
Taten folgten nach dieser Ansage aber so gut wie keine. Die Leverkusener, deren Trainer Peter Bosz in der Startelf auf den erst 17-jährigen Debütanten Florian Wirtz vertraute (dazu unsere Bildergalerie am Ende dieses Textes), hatte das Spiel mehr oder weniger über die gesamte Spielzeit im Griff. Nur nach dem einzigen Werder-Tor des Abends zum zwischenzeitlichen 1:1 nach einer halben Stunde wirkten die Bremer kurz selbstbewusst. Ansonsten war ihr Spiel ähnlich trostlos wie die Atmosphäre in der leeren Arena.
Und als Erklärung für die hohe Heimniederlage kamen anschließend nur Phrasen, die ebenfalls eine gewisse Hilflosigkeit offenbarten: "Leverkusen hat eine sehr gute Mannschaft mit viel Qualität", sagte Bremens Kapitän Niklas Moisander auf DAZN. "Wir haben alles gegeben, aber es hat nicht gereicht." Kampfgeist, ein Aufbäumen gegen die drohende Pleite war zuvor auch auf dem Platz meist nicht zu sehen gewesen.
Bremen ist mit dem ersten Spiel nach der Corona-Zwangspause gleich wieder dort, wo es vorher schon war: Tief im Abstiegskampf. Der erhoffte Reset durch die Pause, der Start einer Aufholjagd, er blieb aus. Und nach der siebten Heimpleite in Folge wird es auch immer schwieriger sich vorzustellen, dass es insgesamt noch reichen könnte für den einstigen Spitzenklub und vierfachen deutschen Meister. Zu schwach war der Auftritt, zu prekär ist die Gesamtsituation acht Spieltage vor Schluss - auch wenn Bremen wegen des Nachholspiels gegen Eintracht Frankfurt eine Partie mehr vor der Brust hat, also noch neun Chancen besitzt, zu punkten.
Ende einer Ära?
Bremen ist mit nur fünf Zählern schwächstes Heimteam der Liga. Die Bremer haben den zweitschwächsten Angriff (27 Tore) und die schlechteste Abwehr der Liga (59 Gegentore). Allein 18-mal landete der Ball nach Standard-Situationen im Werder-Tor. Der Relegationsplatz, derzeit gehalten von Fortuna Düsseldorf, ist fünf Punkte entfernt, das rettende Ufer bereits neun Zähler. Werder ist seit 1981 ununterbrochen in der 1. Liga, eine Ära, die im Sommer nach fast 40 Jahren wohl zu Ende gehen wird.
Schwacher Trost kam vom überlegenen Gegner, auch wenn das Gesagte die Werderaner kaum trösten wird, denn nichts ist schlimmer als Mitleid. "Man muss Bremen respektieren. Das sind tolle Jungs, ein großer Verein", lobte Leverkusens Torschütze zum 4:1-Endstand, Kerem Demirbay, den Gegner im TV-Interview, nachdem er zuvor einige Minuten lang hatte erklären dürfen, wo sein eigenes Team überall besser gewesen war. Es klang schon ein wenig wie ein Abgesang.