Wer wird neuer Präsident von Guinea-Bissau?
28. Dezember 2019Große Banner hingen an den Gebäuden der Hauptstadt Bissau. Tagelang trugen die Anhänger T-Shirts mit dem Bild ihres favorisierten Kandidaten. Es ist die politische K.o.-Runde der Präsidentenwahl in Guinea-Bissau: Am 29. Dezember sind die verbliebenen zwei Kandidaten, Domingos Simões Pereira und Umaro Sissoco Embaló, in dem westafrikanischen Land zur Stichwahl angetreten. "Domingos hat keine Chance", gab sich Embaló in einem Interview mit der Deutschen Welle vor dem Urnengang siegesgewiss. Doch wer tatsächlich gewinnen wird, ist nach wie vor offen. Sicher ist jedoch, dass die Guineer im kommenden Jahr Veränderungen erwarten - und dass der Sieger im Land für Stabilität sorgen muss.
In Guinea-Bissau gab es seit der Unabhängigkeit 1973 zwanzig Putschversuche. Vier davon waren erfolgreich, der letzte davon im Jahr 2012. Der scheidende Präsident Jose Mario Vaz ist seit 25 Jahren der erste Staatschef, der sein Mandat beendet, ohne getötet oder gestürzt worden zu sein.
Das Militär hält sich zurück
"Die Situation ist angespannt, aber recht ruhig", sagt Jens Herpolsheimer im DW-Interview, Wissenschaftler für Afrikapolitik an der Universität Leipzig. "Das Militär hält sich zurück, auch dank der Afrikanischen Union, der ECOWAS und der UN, die in Aussicht gestellt hat, die Sanktionen gegen die Beteiligten des Putsches von 2012 aufzuheben". Herpolsheimer erwartete, dass die Wahlen reibungslos verlaufen würden. Mit Ergebnissen wird in den ersten Tagen des neuen Jahres gerechnet.
Nachdem er in der ersten Runde verloren hatte, erklärte Amtsinhaber Vaz seine Unterstützung für Embaló. Embaló, auch bekannt als Sissoco (sein mütterlicher Familienname), ist ein Geschäftsmann und ehemaliger General. Er tritt für die "Bewegung für eine demokratische Alternative" (MADEM G 15) an. Die Oppositionspartei wurde von 14 Abgeordneten nach der Abspaltung von der in Bissau regierenden "Afrikanischen Partei für die Unabhängigkeit Guineas und der Kapverden" (PAIGC) gegründet.
Nationale Einheit
Umaro Sissoco Embaló belegte beim ersten Wahlgang im vergangenen Monat mit 27,65 Prozent der Stimmen zwar nur den zweiten Platz und lag damit deutlich hinter Domingos Simões Pereira, der auf 40,13 Prozent kam. Doch Embaló schart inzwischen eine ganze Reihe der damaligen Oppositionskandidaten um sich, die seine Chancen auf einen Wahlsieg an diesem Sonntag verbessern. "Ich nehme alle Kandidaten mit, ich führe eine bescheidene Kampagne, um das Land nicht zu verkaufen", so Ebalo der DW. Die in der ersten Runde geschlagenen Kandidaten, Nuno Gomes Nabiam und Carlos Domingos Gomes, haben ihre Unterstützung bestätigt.
"Die Guineer haben einfach das Bedürfnis, etwas zu verändern. Und ich verkörpere den neuen Weg für Guinea-Bissau", sagt Embaló. "Ich war in der PAIGC, bevor Pereira überhaupt Politik gemacht hat. Wir haben in der PAIGC gelernt, dass Veränderung notwendig ist. Guinea-Bissau braucht Veränderung. Ich bin ein Mann der Hoffnung, der die nationale Einheit in diesem Land herstellen kann. Ich bin der Einzige, der das schaffen kann."
Laut Westafrikaexperte Herpolsheimer wird Embaló auch von Senegals Präsident Macky Sall unterstützt. Der Staatschef des nördlichen Nachbarlandes hat die Politik in Guinea-Bissau schon immer stark beeinflusst. Doch Unterstützungszusagen bringen nicht automatisch auch einen Sieg. "Es gibt interne Meinungsverschiedenheiten", so Herpolsheimer." In der Partei für soziale Erneuerung, die Embaló unterstützt, hat eine Gruppe reicher und sehr einflussreicher Leute offen ihre Unterstützung für Pereira bestätigt."
Ein Turban und ein Panama-Hut
Pereira und Embaló sind ganz unterschiedliche Charaktere, sagt Vincent Foucher vom Nationalen Zentrum für Wissenschaftliche Forschung (CNRS) in Frankreich. "Wenn man sie unterscheiden will, muss man nur auf ihre Hüte schauen: Pareira trägt einen Panamahut, ein Symbol der Moderne, mit einem Hauch von Eitelkeit. Sissoco trägt einen Turban und stellt sich als Mann der Landbevölkerung dar. Er ist ein Mann des Volkes gegen einen Mann der Elite." Pareira hat im ersten Wahlgang klar den Sieg davongetragen, aber Foucher glaubt, dass die Stichwahl "ziemlich knapp" ausgehen wird.
Embalós Konkurrent Pareira, der die erste Runde mit klarem Vorsprung gewann, ist Kandidat der traditionell regierenden PAIGC, die die portugiesischen Kolonialmächte im Land bis zur Unabhängigkeit bekämpfte. Wie Embaló diente Pereira - auch bekannt unter seinen Initialen DSP - als Premierminister. Obwohl er 2015 von Präsident Vaz entlassen wurde, behielt er seinen politischen Einfluss als aktueller Vorsitzender der PAIGC.
Einheit für ein zerrissenes Land
"Pareira hielt die Partei zusammen und trotzte dem Präsidenten und Madem, die ihn aus der PAIGC rauswerfen wollten", sagt Jens Herpolsheimer. "Auf diese Weise verdiente er einige Sympathiepunkte und positioniert sich als Mann des Volkes. Alpha Conde aus Guinea und eine Reihe von ECOWAS-Staaten unterstützen ihn, darunter Ghana und die Elfenbeinküste. Und auch die Europäische Union hätte ein Interesse daran, dass er gewinnt, obwohl sie offiziell eine neutrale Haltung einnimmt."
Pereira präsentiert sich als ein Mann der Einheit für das zerrissene Land. "Das ist das wichtigste Ziel", sagte er der DW. "Wir müssen unsere Unterschiede in Bezug auf Rasse, Religion, Sprache oder Region überwinden und uns als Bissau-Guineer verstehen. Und wir müssen uns auf die interne und internationale Zusammenarbeit konzentrieren."
Guinea-Bissau wieder auf der Spur
Die Guineer hoffen, dass diese Wahl ihr Land verändert, das von politischer Instabilität geprägt ist. Staatsangestellte warten monatelang auf ihre Gehälter, die Schulen blieben den größten Teil des Jahres geschlossen und es gibt praktisch keine moderne Gesundheitsversorgung in den ländlichen Gebieten. Guinea-Bissau kämpft mit Korruption und rangierte 2018 auf dem Corruption Perception Index von Transparency International auf Platz 172 von 180 Staaten.
Besonders problematisch: Das Land wird von lateinamerikanischen Drogenschmugglern als Brückenkopf missbraucht, um Kokain nach Europa zu schmuggeln. In einer im Fernsehen und Radio übertragenen Debatte argumentierte Oppositionskandidat Embaló, dass nicht das System das Problem sei. "Das Problem sind die Menschen, die das Land führen." Dasselbe Staatssystem funktioniere auf den Kap Verden, in Portugal und São Tomé, sagte er.
CNRS-Experte Foucher ist optimistisch, dass es nun zu einem positiven Wandel kommen wird. Bisher sei die internationale Zusammenarbeit ziemlich schlecht und das habe internationale Akteure ferngehalten. "Mit größerer Stabilität ist mehr Entwicklung möglich, mehr Engagement von Geldgebern und Investoren. Jeder hofft auf eine Regierung, die ansprechbar ist und darauf achtet, die öffentlichen Dienstleistungen zu verbessern, die aktuell extrem schlecht sind." Es bestehe Hoffnung, so Vincent Foucher, dass Guinea-Bissau die bisherigen Probleme nun hinter sich lassen wird.