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Wer steckt hinter der Eskalation in Teheran?

30. November 2011

In der iranischen Hauptstadt haben Demonstranten die britische Botschaft und ein dazugehöriges Gebäude gestürmt. Wer sind die Angreifer, die sich "revolutionäre Studenten" nennen, und was soll die Aktion bewirken?

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Demonstranten schlagen Fensterscheiben eines Gebäudes der britischen Botschaft in Teheran ein (Foto: dapd)
Die Demonstranten schlugen Fensterscheiben einBild: dapd

Die Bilder im iranischen Fernsehen sprechen für sich: Eine Menschenmasse sammelt sich vor der britischen Botschaft, die Männer in vorderster Front, schwarz verhüllte Frauen hinter ihnen. Sie rufen Parolen gegen "Engelis", gegen Großbritannien. Etwa 20 wütende Männer klettern auf die Mauer der Botschaft, die Sicherheitskräfte sehen tatenlos zu.

Dann fliegen Papiere und andere Gegenstände, die allem Anschein nach aus den Büros der Botschaft stammen. In der Botschaft und einem weiteren besetzten britischen Gebäude seien, so die Besetzer, "brisante Unterlagen" beschlagnahmt worden, die Spionageaktivitäten Großbritanniens im Iran belegten.

Gleicher Wortlaut: Zufall oder Absprache?

Nach der Besetzung der britischen Botschaft am Dienstag (29.11.2011) verlasen die Angreifer in aller Eile eine offizielle Erklärung. Darin heißt es, die Aktion sei eine "spontane Reaktion revolutionärer Studenten und wurde von keinem staatlichen Organ befehligt". Sie diene nur den Interessen des iranischen Volkes. Kurz vor der Verlesung dieser Erklärung hatte Morteza Talaie, Mitglied des Teheraner Stadtrates, auf der Website der regierungsnahen Zeitung "Jame Jam" die Erstürmung der Botschaft mit den gleichen Worten begrüßt. Ein Zufall?

Junge Iraner vor der britischen Botschaft in Teheran (Foto: dapd)
War die Protestaktion der Studenten vom iranischen Staat geplant?Bild: dapd

Wer steckt dahinter?

Politische Beobachter im In- und Ausland sprechen von einer staatlich organisierten Aktion. Dr. Hamid Etemad (Name von der Redaktion geändert), Dozent an einer iranischen Universität und Experte für internationales Recht, ist sich sicher, dass eine solche "völkerrechtswidrige Aktion ohne das grüne Licht der höchsten politischen Entscheidungsträger" unvorstellbar wäre.

Auch Omid Nouripour, Iran-Experte der Grünen, spricht von einer organisierten Aktion: Unter den angeblichen Demonstranten seien auch Kräfte aktiv gewesen, die bei der brutalen Niederschlagung der iranischen Demokratiebewegung dabei waren, sagt der selbst aus dem Iran stammende außenpolitische Sprecher der Grünen-Fraktion. Offenbar versuchten die Hardliner des Regimes, vom aktuellen Zerwürfnis innerhalb der Führung in Teheran abzulenken, meint Nouripour.

"Hauptader des Regimes getroffen"

Der in Berlin lebende Experte Dr. Mahran Barati ist der Meinung, dass man mit derartigen Aktionen seitens des Iran habe rechnen müssen. Dies sei eine verzweifelte Reaktion des iranischen Regimes auf die neuerlichen Sanktionen gegen das Land. Die Entscheidung Großbritanniens, die iranische Zentralbank zu boykottieren, habe eine der wichtigsten Nerven der iranischen Wirtschaft getroffen, sagt Barati. Mit dem Beschluss Großbritanniens, Kanadas und der USA, Erdöleinkäufe aus dem Iran zu unterbinden, sei "die Hauptader des Regimes getroffen worden".

Die drei Länder reagierten mit den Strafmaßnahmen auf den jüngsten Bericht der Internationalen Atomenergiebehörde (IAEA), in dem erstmals "glaubwürdige Hinweise" auf eine militärische Dimension des iranischen Atomprogramms aufgelistet worden waren. Die Entscheidung des iranischen Parlaments vom vergangenen Sonntag, die Beziehungen zu Großbritannien auf "ein Minimum" zu reduzieren, habe gezeigt, dass Teheran die Sanktionen ernst nehme, so Barati.

"Verkappte Kriegserklärung"

Doch wer genau steckt hinter der "revolutionären" Aktion der iranischen Studenten? In der Islamischen Republik gibt es seit Jahren keine klaren Machtstrukturen mehr. Die Hardliner haben zwar nach und nach alle Hebel der Macht in ihre Gewalt gebracht, doch spätestens seit den umstrittenen Präsidentschaftswahlen gibt es mehrere Fraktionen unter den Konservativen, die sich gegenseitig bekämpfen.

Wer auch immer den Startschuss für die Botschaftsbesetzung gegeben haben mag, so Masih Alijejad, Journalistin und langjährige Beobachterin der Entwicklungen im iranischen Parlament, hinter der Aktion stecke eine verkappte Kriegserklärung. "Die Botschaft eines Landes ist ein Teil der territorialen Hoheit dieses Landes. Wenn man sie angreift, will man damit eine bestimmt Botschaft vermitteln."

Nicht neu, aber auch nicht ungefährlich

Alinejad betont, dass solche Maßnahmen zur Legitimierung weiterer Sanktionen und sogar militärischer Aktionen des Westens gegen den Iran dienen könnten. "Die Militanten innerhalb des islamischen Systems provozieren einen Krieg, um damit ihre Macht zu festigen", schlussfolgert Alinejad.

Auch wenn es im Iran in den vergangenen 32 Jahren ähnliche Aktionen gegen westliche Mächte gegeben hat, warnen Experten vor einem Nachspiel. Omid Nouripour spricht sogar von einer dramatischen Situation. Er warnt: es gebe Grund, um das Leben der Diplomaten zu fürchten.

Internationale Empörung

Der Sicherheitsrat der Vereinten Nationen verurteilte die Angriffe iranischer Demonstranten auf die britische Botschaft in Teheran auf das schärfste. Die 15 Mitglieder des obersten Gremiums der Vereinten Nationen erinnerten in ihrer gemeinsamen Erklärung daran, dass die Regierung eines Gastlandes verpflichtet sei, alle notwendigen Maßnahmen zum Schutz der diplomatischen und konsularischen Einrichtungen auf ihrem Territorium zu treffen.

Der britische Premierminister David Cameron bezeichnete die Übergriffe als "empörend" und drohte dem Iran mit ernsthaften Konsequenzen. Bundesaußenminister Guido Westerwelle bestellte aus Protest gegen die gewaltsame Stürmung den iranischen Botschafter ein. Der Vorfall auf dem Vertretungsgelände sei völkerrechtswidrig und inakzeptabel, sagte Westerwelle.

Die US-Regierung forderte die strafrechtliche Verfolgung der Angreifer. "Dass Demonstranten eine Botschaft überrennen und in Brand stecken können, zeigt, dass die iranische Regierung ihre internationalen Verpflichtungen nicht ernst nimmt", sagte US-Präsident Barack Obama. "Dieses Verhalten ist nicht hinnehmbar." Unterdessen kündigten die iranischen Studenten an, ihren Protest gegen britische Sanktionen und den Tod eines Atomwissenschaftlers noch ausweiten zu wollen.

Autor: Farhad Payar
Redaktion: Sybille Golte-Schröder/Thomas Grimmer/Reinhard Kleber