Finanzierung der Energiewende
15. September 2012Mehr Ökostrom gibt es nicht zum Nulltarif. Auf diese einfache Formel konnten sich am Dienstag (11.09.2012) Vertreter aller Parteien im Deutschen Bundestag einigen, als sie über den Kurs in der Energiewende debattierten. Wie genau dieser Umbau des Energiesystems hin zu mehr Wind- und Sonnenstrom aber finanziert werden soll, dafür fanden sie noch keinen parteiübergreifenden Konsens. Der Staat wird es in diesem Fall nicht richten: Das wurde noch einmal deutlich, als Bundesumweltminister Peter Altmaier (CDU) dem Parlament den Entwurf für den Umweltetat 2013 vorstellte.
Kein Rückenwind für erneuerbare EnergienVon insgesamt 1,65 Milliarden Euro will er in seinem Etat 2013 etwas mehr als ein Viertel, gerade einmal 465 Millionen Euro, für die direkte Förderung von erneuerbaren Energien wie Wind, Sonne oder Biomasse ausgeben. Damit bleiben seine Ausgaben für die Energiewende im Vergleich zum Vorjahr in etwa stabil, aber auf niedrigem Niveau. Zum Vergleich: Allein für einen neuen Offshore-Windpark mit einer Leistung von rund 50 Megawatt veranschlagen Projektentwickler Kosten von bis zu 200 Millionen Euro. Wie wirkungsvoll der Bund die Energiewende angesichts solcher Summen gestalten kann, bleibt fraglich.
Und auch der Energie- und Klimafonds, den die Regierungskoalition aus Union und Liberalen 2011 aufgelegt hat, um die Energiewende zu beschleunigen, bleibt hinter den Erwartungen vieler Beobachter zurück. Ursprünglich hatte die Bundesregierung geplant, ein Sondervermögen von jährlich einer Milliarde Euro für die Energiewende anzuhäufen. Stattdessen werden bis 2013 nur 650 Millionen Euro zusammenkommen. Das liegt vor allem daran, dass die Preise im Handel mit Emissionsrechten massiv gesunken sind. Denn die Erlöse daraus hatte die Regierung fest eingeplant, um die Energiewende zu finanzieren. Bleiben diese Einnahmen jetzt aus, klafft eine Finanzierungslücke.Wirtschaft sieht Energiewende in Gefahr
Vertreter der Energiewirtschaft warnen vor einer Unterfinanzierung der Energiewende. Hochgesteckte Ziele beim Ausbau der Stromnetze, bei der Erforschung neuer Stromspeichertechnologien sowie beim weiteren Bau von Ökostrom-Kraftwerken seien unter diesen Vorraussetzungen nicht erreichbar, kritisierte Hildegard Müller vom Bundesverband der Energie- und Wasserwirtschaft (BDEW) in Berlin. Die sozialdemokratische Opposition unterstützte ihre Position. Die Regierung gefährde durch solche "Luftbuchungen" den Erfolg des Projekts, sagte Bärbel Kofler (SPD) im Bundestag.
Ein Vorwurf, der für Peter Altmaier ins Leere läuft, denn nur auf den Bau neuer Solaranlagen und neuer Windräder zu setzen, das sei die falsche Strategie, sagte der Bundesumweltminister: "Niemand kann ein Interesse daran haben, dass wir Windräder bauen und Solardächer installieren, solange der Strom anschließend nicht genutzt werden kann, weil die entsprechenden Netze und Verteilmöglichkeiten fehlen." Altmaier will daher gerade in den nächsten Monaten nicht die Erzeugungsanlagen forciert erweitern, sondern die Infrastruktur wie Stromnetze und Speicher umbauen. "Wir sollten uns mit den Bürgern auf der Grundlage der bestehenden Gesetze zusammensetzen und versuchen, einen Konsens darüber hinzubekommen, welche Netze bis wann gebaut werden müssen", so Altmaier.
Strompreisanstieg als neue soziale Frage?
Aber Konflikte beim Netzausbau und der Planung neuer Stromtrassen sind programmiert; Proteste von Bürgern, die sich übergangen fühlen oder den Umweltschutz gefährdet sehen, sind wahrscheinlich. Doch bevor der Minister sich darum kümmern kann, muss er vor allem die Debatte um massiv gestiegene Strompreise entschärfen. Bereits seit Wochen debattieren Fachverbände und Interessensvertreter intensiv darüber, wie den stetig anziehenden Energiepreisen in Deutschland beizukommen sei. Konnte ein Endverbraucher im Jahr 2000 seinen Strom noch zu 14 Cent pro Kilowattstunde beziehen, musste er in diesem Jahr bereits 26 Cent bezahlen. Kritiker machen für diese Preisexplosion den Ausbau der erneuerbaren Energien verantwortlich - Anhänger der Ökoenergie wie SPD-Energiepolitiker Matthias Miersch bestreiten das vehement. Die erneuerbaren Energien würden die Strompreise an der Strombörse sogar senken, betont Miersch. Allerdings gäben die vier großen Stromkonzerne in Deutschland die Ersparnis nicht an die Verbraucher weiter.Mit viel Pathos wird daher erneut um eine Reform des Erneuerbare-Energien-Gesetzes (EEG) gerungen. Das Gesetz regelt seit über zehn Jahren die vorrangige Einspeisung und Vergütung von Ökostrom in Deutschland. So erhalten die Betreiber von Öko-Kraftwerken für einen bestimmten Zeitraum eine garantierte Einspeisevergütung für ihren Strom. Diese lag bisher teilweise deutlich über den sonst üblichen Marktpreisen - das macht den Ausbau regenerativer Energiequellen attraktiv. Die Kosten dieser Förderung werden auf die Stromverbraucher umgelegt, für die sich dadurch die Stromrechnung um die sogenannte EEG-Umlage erhöht. Je umfassender die erneuerbaren Energien ausgebaut werden, desto mehr steigt auch dieser Zuschlag auf den Strompreis an. Konkret: Zur Zeit zahlen Privatkunden einen Aufschlag von rund 3,56 Cent pro Kilowattstunde auf die Stromrechnung. Da im vergangenen Jahr deutlich mehr Windräder und Solaranlagen gebaut worden sind, rechnen Experten damit, dass der Aufschlag 2013 bei mindestens fünf Cent liegen wird. Für Sven-Christian Kindler von den Grünen ist das allerdings kein Grund zur Sorge - die Preistreiber seien andere: "Die Strompreise steigen vor allem deshalb, weil Steinkohle und Gas in den vergangenen Jahren deutlich teurer geworden sind und weil die vier großen Stromkonzerne einfach richtig abgezockt haben."
Egal wer letztlich der Preistreiber ist: Bundesumweltminister Peter Altmaier befürchtet, dass die Bevölkerung die Energiewende immer weniger akzeptiert, wenn die Strompreise weiterhin so hoch bleiben. Wie der ökologische Umschwung finanziert werden soll, das ist für ihn deshalb auch eine Frage der sozialen Gerechtigkeit. Sein Leitspruch: "Es kommt nicht nur darauf an, dass die Energiewende gelingt. Es kommt auch darauf an, wie sie gelingt."