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Weniger Wagniskapital für Gründerinnen?

8. März 2018

Frauen gründen zu wenig in der Digitalwirtschaft, die doch als besonders innovativ gilt. Das liege, so eine Studie des Vodafone-Institutes, an mangelnder Kapital-Unterstützung. Aber stimmt das? Insa Wrede fragt nach.

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Symbolbild Start-Up
Bild: Colourbox

Als auf meinen Schreibtisch eine Studie des Vodafone-Instituts flatterte mit dem Auftrag, "mach mal was draus…", breitete sich in mir ein leichtes Unbehagen aus, gepaart mit aufkommender Müdigkeit: wieder so ein Frauen-Benachteiligungs-Thema... Diesmal geht es um Unternehmensgründungen - genauer gesagt, um Gründungen in der Digitalwirtschaft. Die nackten Zahlen belegen: Frauen gründen in der Digitalwirtschaft weniger als Männer.

Auch der Deutsche Startup-Monitor der Unternehmensberatung KPMG bestätigt, dass relativ wenige Frauen ein Startup gründen. Startups - damit werden meist junge, noch nicht etablierte Unternehmen mit innovativen Geschäftsideen bezeichnet, unter anderem auch in der Digitalwirtschaft. Zwar ist der Anteil der Gründerinnen von Startups in Deutschland gestiegen, aber er liegt immer noch bei unter 15 Prozent. Schaut man sich allerdings alle Selbständigen an, dann findet man schon 40 Prozent Frauen. Es scheint also vor allem ein Problem in diesem bestimmten Bereich zu sein.

Infografik Verteilung Gründer Startups Deutschland nach Geschlecht DEU

Es ist natürlich schon komisch, wenn es gerade in der Startup-Szene so wenig Frauen gibt, wo sich Startups als sehr innovativ und weltoffen gelten. Die Autoren der Studie des Vodafone-Institutes haben dafür mehrere Gründe herausgefunden. Beispielsweise, dass Frauen bei der Suche nach Investoren benachteiligt werden. Nach einem Blick in die Studie mache ich mich auf die Suche nach Gründerinnen im Startup-Bereich, um mir persönlich ihr Leid anzuhören.

Stichprobe ernüchternd - bzw. erfreulich

Als erstes frage ich eine Freundin, die vor Jahren ein IT-Unternehmen gegründet hat. Ausgerechnet in der Verteidigungsbranche, einem extrem von Männern dominierten Bereich. Aber benachteiligt? Als Frau? Nee, sie habe sich noch nie benachteiligt gefühlt. Okay, zugegeben. Sie ist absolut nicht der Typ Frau, den man so einfach übersehen und benachteiligten kann. Ist sie also nur eine Ausnahme?

Miriam Wohlfahrt, Gründerin von RatePay
Miriam Wohlfarth fühlte sich als Frau nicht benachteiligtBild: Stephan Redel

Ich suche weiter und spreche mit Miriam Wohlfarth. Sie hat 2009 RatePAY gegründet, ein Unternehmen, das Bezahllösungen im Internet anbietet. Also nicht nur IT-Branche, sondern auch noch Finanzbranche, die ebenfalls als sehr männerdominiert gilt. Ihre Antwort: "Ich habe mich noch nie benachteiligt gefühlt." Ich werde stutzig. Dabei ist sie mir noch vom Vodafone-Institut vermittelt worden.

Nächster Versuch: Lea Lange. Ebenfalls Gründerin. Ihr Metier: Seit 2014 betreibt sie Juniqe, eine Online-Plattform für bezahlbare Kunst. Sie wurde bereits vom Forbes Magazin auf die "30 under 30"-Liste gewählt, zählt damit zu den 30 erfolgreichsten "Unter-30-Jährigen in Europa". Und ihre Erfahrung? "Ich war nie in einer Situation, in der ich mich als Frau benachteiligt gefühlt habe. Im Gegenteil. Wir sind ein gemischtes Team, was immer sehr positiv aufgenommen wurde", erzählt mir Lange.

Von "ihnen" gehört, hat man schon

Wo sind sie denn nun, die benachteiligten Frauen? Laut Vodafone-Institut muss es doch einige geben. Immerhin wurden für die Studie, die der Ausgang für diesen Artikel bildete, 112 Gründerinnen in der IT-Branche interviewt. Es ist ja auch nicht zu leugnen, dass es nur wenige IT-Startup-Gründerinnen gibt. Miriam Wohlfarth erzählt mir immerhin: "Ich habe schon häufiger gehört, dass da viele Frauen sehr große Probleme haben mit den klassischen VC (Anm d Red: Venture Capital oder Risiko-Kapital), weil sie manchmal nicht für voll genommen werden." Aber liegt das wirklich an der Benachteiligung, weil sie Frauen sind? Oder gibt es vielleicht andere Gründe?

Kein Platz für fleißige pickende Hennen

Es ist nun einmal in Deutschland so, dass auf der anderen Seite, also der Seite, die das Geld verteilt, sehr viele Männer sitzen. Wer also eine Finanzierung für seine Gründung haben möchte, der muss sich vor Männern behaupten, und die scheinen sich von anderen Dingen beeindrucken zu lassen als Frauen. Wer sich dort nicht als Gockel, der sich stolz aufplustert und kräftig mit den Flügeln schlägt, präsentiert, sondern eher als fleißig pickende Henne, hat es schwerer.

"Wir haben festgestellt, dass Frauen sich ganz anders verhalten als Männer. Dass sie zum Beispiel diese Selbstdarstellung, dieses Übertreiben und dieses Überselbstbewusstsein, was Männer an den Tag legen, nicht mögen", berichtet Alice Deißner vom Vodafone-Institut, und Frauen würden auch gar nicht so auftreten wollen. Kurz: Frauen wollen nach ihrer Leistung bewertet werden und nicht nach ihrem Auftreten.

Nina Cejnar ist Inhaberin eines Unternehmens, das sowohl Gründer(innen) berät als auch für Investoren Anlagenmöglichkeiten in Unternehmen sucht. Im Einklang mit den Erkenntnissen des Vodafone-Instituts bestätigt sie, Frauen kämen schwerer an Geld. Und auch sie glaubt, das läge daran, dass Frauen eher zurückhaltend agieren und sich weniger aufplustern als Männer.

"Ich sehe die Startup Szene als sehr ergebnisorientiert", sagt mir auch Lea Lange. Aber, sie glaubt, Erfolg hänge nicht mit dem Geschlecht zusammen, sondern mit der Leistung, die jemand bringt.

Die Erfahrungen von Miriam Wohlfarth scheinen das zu bestätigen. Sie hatte bereits langjährige Erfahrungen in der Branche und konnte die Fakten gut präsentieren, erzählt sie mir. Daher sei sie nicht in die Verlegenheit gekommen, dass man sie nicht Ernst nehmen würde, weil sie eine Frau ist, meint sie. Vielleicht würden manche Frauen so eine Vorstellung vor potentiellen Investoren unterschätzen, mutmaßt Wohlfarth. Sie rät daher angehenden Gründerinnen: "Bereitet euch sehr, sehr gut vor und kennt eure Branche."

Es hängt auch an der Idee

Ob man bei der Finanzbeschaffung Erfolg hat oder nicht, hängt aber nicht nur daran, wie man sich präsentiert, sondern auch daran, was man präsentiert. Es ist schon auffallend, dass ich bei meiner Recherche vor allem auf Gründerinnen gestoßen bin, die sich mit Mode, Wohnen, Kochen oder Kunst beschäftigen. Männer finden da durchaus andere Dinge interessant als Frauen, glaubt Wohlfarth. Gäbe es mehr Frauen auf der Investorenseite, würden einige Geschäftsmodelle unter Umständen anders betrachtet, vermutet Wohlfahrt.

Uma Thurman für Louis Vuitton
Für Männer nicht so sexy - die Handtasche...Bild: Louis Vuitton

Als Beispiel erzählt sie von einem ihrer Kunden, einem erfolgreichen Händler, der online Handtaschen auf Raten verkauft. "Wenn ich einem Mann davon erzähle, sagt der: 'So ein Käse, wer kauft denn eine Handtasche auf Raten?!'" Ginge es statt um Handtaschen aber um besondere Autofelgen, die auf Raten verkauft würden, wären Männer unter Umständen eher begeistert, glaubt Wohlfarth. Viele der von Frauen gegründete Startups befinden sich aber häufig in der 'Welt der schönen Dinge'. Das könne auch ein Grund dafür sein, dass Frauen als Gründerinnen von Männern nicht für voll genommen werden, glaubt Wohlfarth. Und dann eben auch kein Geld bekommen.

In gewisser Hinsicht scheint das Thema IT-Gründung also ein Männer-Frauen-Thema zu sein. Einmal weil Männer anders denken, sich von anderen Eindrücken überzeugen lassen und weil Männer die Frauen-Projekte unter Umständen nicht so ernst nehmen. "Ich glaube, das Wichtigste, und das habe ich auch aus den Interviews mitgenommen, ist, dass man sich nicht unterkriegen lässt", sagt Alice Deißner vom Vodafone-Institut. "Ich glaube, es ist durchaus schwieriger, aber man darf sich davon nicht beeindrucken lassen und vom Weg abkommen", so Deißner. "Das ist eine Botschaft, die ich gerne an die jungen Frauen vermitteln würde."

Symbolbild Frau Chefin
Gründerinnen gründen häufig mit EigenkapitalBild: picture-alliance/dpa/J. Strobel

Während ich mir immer noch nicht sicher bin, ob Frauen hier wirklich benachteiligt werden, weil sie Frauen sind, bekomme ich weitere Antworten von Startup-Gründerinnen per Mail. Verena Pausder richtet aus, "dass sie sich in keinster Weise benachteiligt fühlt!". Ihr Unternehmen entwickelt und vertreibt Apps für Kinder. Und auch Katrin ten Eikelder, Gründerin von The Knots schreibt: "Ich habe mich in meiner Rolle als Frau bei der Gründung nicht benachteiligt gefühlt." Ihr Unternehmen verkauft umgefärbte Orientteppiche - also Thema: Wohnen. Allerdings, ergänzt sie, sei sie nicht den klassischen Weg über Investoren oder Business Angels gegangen, sondern habe mit eigenem Kapital ihr Unternehmen aufgebaut. "Dadurch bin ich sicherlich einigen geschlechtsbedingten Hürden gar nicht erst begegnet."

Bedenken muss man am Ende natürlich noch, dass ich nicht mit Frauen gesprochen habe, die versucht haben, ein Unternehmen zu gründen und nicht erfolgreich waren. Woran auch immer das gelegen haben mag - allerdings sind solche Frauen auch bei der Studie des Vodafone-Institutes nicht zu Wort gekommen.

Insa Wrede, DW-Mitarbeiterin
Insa Wrede Redakteurin in der Wirtschaftsredaktion