Burschenschaften richten sich neu aus
28. Mai 2015Frauen haben nach wie vor keinen Zutritt zu den geschlossenen Vereinigungen. Es wird gut getrunken und beim Fechten mit scharfen Waffen, der traditionellen Mensur, fließt auch schon mal Blut. Die Wunden im Gesicht werden "Schmiss" genannt und stolz präsentiert. Fast 90 Prozent der Burschenschaften halten aktuell an diesem Ritual fest. Bei den Zusammenkünften in oft altehrwürdigen Clubhäusern sitzen die Mitglieder in Uniformen mit farbigen Schärpen und Kappen beisammen, singen alte Lieder und verfolgen Rituale, die sie wie Geheimbünde wirken lassen.
Ihre Wurzeln haben diese Burschenschaften im Jahr 1815, als Studenten sich zusammenschlossen und nach den Kriegen Napoleons der Zersplitterung Deutschlands entgegen treten wollten. Viele Freiheitsrechte wurden von Burschenschaften zum ersten Mal gefordert und beschworen- sie trugen mit zur Revolution von 1848 bei. Berühmte Persönlichkeiten gehörten der Bewegung an. Darunter der patriotische Dichter Heinrich Heine und der Komponist Robert Schumann. Viele der heutigen Studenten beeindruckt die Geschichte. Sie loben zudem den einzigartigen Zusammenhalt und sehen in den Burschenschaften einen Bund für das Leben, auf den man sich in einer immer hektischeren Welt im Wandel einfach verlassen könne.
Heftige Kritik
Doch die Anhänger der studentischen Verbindungen müssen sich immer wieder mit den Vorwürfen von Kritikern auseinandersetzen. Danach seien nicht wenige Mitglieder in den Burschenschaften rechtsextrem und rassistisch eingestellt. Der Verfassungsschutz beschäftigte sich mit der Burschenschaft Germania. Die Polizeigewerkschaft setzte sich für eine stärkere Beobachtung ein, nachdem Burschenschaften diskutierten, wie "deutsch" ein Student sein müsse, um Mitglied in einer Verbindung werden zu können.
Die Bundesregierung musste auf eine Anfrage der Linken-Politikerin Ulla Jelpke reagieren und beantworten, inwieweit Kontakte zu rechtsextremen Personen oder Organisationen existieren. Die Antwort: Nur vereinzelt.
Vor zwei Jahren setzten sich Burschenschaften mit dem Vorwurf auseinander, sie seien doch von Neonazis unterwandert. Es kam zu einem Rechtsstreit. 26 der heute noch 75 Mitgliedsburschenschaften traten aus dem Dachverband aus. Aufgrund dieser Entwicklung hielt der Stiftungsrat der Wartburg die historische Anlage in diesem Jahr zum wiederholten Male für die Deutsche Burschenschaft verschlossen.
Neuer Kurs
Auf dem Burschentag 2015 in Eisenach wird jetzt eine Art politischer Befreiungsschlag versucht.
"Wir wollen Anwalt der Jugend in Europa werden", sagt Walter Tributsch vom Dachverband Deutsche Burschenschaft. Eine Petition an EU-Parlament und EU-Kommission sei eingereicht. Damit wolle man sich für einen eigenen EU-Jugendkommissar einsetzen. "Die hohe Jugendarbeitslosigkeit und die Probleme mancher Akademiker in europäischen Ländern ist erschreckend". Nicht nur eine nationalkonservative Haltung, sondern andere Grundwerte der Burschenschaften sollen künftig in den Vordergrund gestellt werden. "Es geht um Meinungsvielfalt und den Wunsch nach europäischer Einheit", so Tributsch. Inzwischen gibt es in vielen deutschen Burschenschaften einen wachsenden Anteil von Studenten internationaler Herkunft. Für eine vorurteilsfreiere Bewertung soll das zukünftig deutlicher gemacht werden.
Bereits 1815 hatten sich Burschenschaften dafür eingesetzt, Handelsschranken zu überwinden, die Leibeigenschaft aufzuheben und eine liberale Verfassung einzuführen. "Wir waren und sind modern" gibt sich Tributsch zuversichtlich und betont den studentischen Freigeist, der bereits 1817 auf der Wartburg die Überwindung der Kleinstaaterei forderte. Auf keinen Fall wolle man sich in Eisenach wieder mit Diskussionen beschäftigen wie "Antigermanismus" und "Abstammung" und "Deutschfeindlichkeit". "Wir haben nichts dagegen, wenn man uns als konservativ bezeichnet. Aber wir sind gegen jede Form von Rechtsextremismus" – so äußern sich auch Vertreter weiterer Studentenverbindungen in Eisenach.
Auf dem Burschentag werden rund 800 von insgesamt 10.000 Mitgliedern in 120 Vereinigungen erwartet. Trotz des "Modernisierungskurses" ist ein Festakt mit Fackelzug und Totengedenken geplant. Protestaktionen gegen Burschenschaften hatte es in den vergangenen Jahren immer wieder gegeben. Sie werden nach Einschätzung der Veranstalter in diesem Jahr weitgehend ausbleiben.