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Politik

Welthungerhilfe: Mit App gegen die Armut

26. Juni 2019

Kriege und Klimawandel verstärken den Hunger, stellt die Welthungerhilfe im Jahresbericht 2018 fest. Bei ihren Programmen setzt sie auch auf digitale Instrumente. Ziel: Die Menschen selbständig machen.

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Simbabwe Farfell Coffee Estate, Chipinge | Ernte
Bild: DW/P. Musvanhiri

Nachdem sie vertrieben worden waren, fehlte es an allem: Trinkwasser, Zeltplanen, Decken, Moskitonetze - all dies in gewaltigen Mengen. Denn nach Jahrzehnten von Krieg und Gewalt sind in der Demokratischen Republik Kongo (DR Kongo) 4,3 Millionen Menschen auf der Flucht. Vor allem im Osten des Landes breiteten sich bewaffnete Gruppen aus, was im Jahr 2018 zu massiven Vertreibungen führte. Die Folge: Felder blieben unbestellt, Ernten verdorrten, die Versorgungslage wurde immer dramatischer. Rund 13 Millionen Menschen sind auf humanitäre Hilfe angewiesen - das sind etwa 14 Prozent der Bevölkerung.

Die Lage im Kongo war und ist für die Welthungerhilfe eine enorme Herausforderung. In ihrem Jahresbericht 2018 zeichnet die Hilfsorganisation ein eindrückliches Bild der Lage dort - und den Konsequenzen, die sie für ihre Arbeit hat. So erschwerten die anhaltenden Kämpfe die Versorgung der Menschen. Aus Sicherheitsgründen mussten die Helfer 2018 ihre Aktivitäten in den Regionen Beni, Masisi, Lubero und Ituri mehrfach unterbrechen. Zudem plagten Epidemien das Land: So erkrankten zwischen Juli 2018 und Anfang Mai 2019 rund 1500 Menschen an Ebola, über 1000 von ihnen starben.

Kongo Hunderttausende auf Flucht vor Gewalt
Krieg und Vertreibung: Flüchtlingslager in der Provinz Ituri, Demokratische Republik KongoBild: Imago Images/Xinhua/A. Uyakani

Kampf um Wasser und Weideflächen 

Gewalt fordert Organisationen wie die Welthungerhilfe doppelt heraus, sagt Mathias Mogge, Generalsekretär der Hilfsorganisation, im DW-Gespräch: "Hunger wird auch durch Kriege und Konflikte verstärkt. In Ländern wie dem Südsudan, dem Kongo oder Niger führen bewaffnete Auseinandersetzungen dazu, dass Menschen ihre Dörfer verlassen und ihre gesamte Existenzgrundlage verlieren. Gleichzeitig werden Ressourcen wie Wasser oder Weideflächen knapp, was zu weiteren  Auseinandersetzungen führt." Mogge verweist auf weitere Belastungen: "Hinzu kommt der Klimawandel, der die Menschen in zusätzliche Krisensituationen bringt. All dies geschieht in Ländern und Gesellschaften, in denen die Menschen nur wenig Widerstandskräfte haben, um solchen Notlagen zu trotzen."

So versteht sich das Engagement der Welthungerhilfe auch als Beitrag zur langfristigen Befriedung des Landes. Im Kongo wurden entsprechende Schritte von September 2018 an wieder möglich, als sich die militärische Lage entspannte: Viele Familien konnten in ihre Dörfer zurückkehren. Die Welthungerhilfe verteilte Saatgut und Werkzeuge - wichtige Güter, die den Menschen während der Konflikte oft gestohlen oder zerstört worden waren. Zudem erhielten die Familien Bargeld, denn nur so konnten sie die Zeit bis zur nächsten Ernte überstehen.

Insgesamt richteten die Helfer sechs Projekte ein, durch die die Menschen Trinkwasser, Saatgut sowie Nutzpflanzen erhielten. So unterstützen sie knapp 150.000 Einwohner in Ituri dabei, sich wieder selbst zu versorgen. Diese lernten auch, sich durch Bienenzucht, Gemüseanbau oder die Anpflanzung von Nutzbäumen unabhängig zu machen.

Eritrea Landwirtschaft und Klimawandel Vieh
Fluchtgrund Dürre. Szene aus EritreaBild: DW/M. Belloni

Marktzugänge schaffen

Hilfe leistet die Organisation auch beim Wiederaufbau: Durch die Kämpfe wurden Dörfer, Städte und Straßen zerstört. Bei den Instandsetzungsmaßnahmen arbeitet die lokale Bevölkerung aktiv mit. So werden Straßen wiederhergestellt, die die Menschen mit Marktplätzen verbinden. Das hilft den Bauern, ihre Waren zu verkaufen. Weil durch die lang anhaltende Gewalt auch Wissen verloren ging, nehmen die Menschen an Schulungen teil: Wie kann der Boden optimal genutzt werden, welche Gemüsesorten wachsen gut und wie funktioniert die Vermarktung? Welche Zutaten braucht es für eine gesunde Ernährung?

Ganz wesentlich komme es darauf an, den Menschen die Hilfestellung zu geben, die ihnen ein eigenständiges Leben ermöglicht, sagt Mathias Mogge. "Wir versuchen, grundsätzlich Lösungen zu finden, die die Menschen zumindest mittelfristig in eine Unabhängigkeit bringen, so dass sie ihr Leben selbstbestimmt gestalten können." Ziel sei es, neben dem Hunger auch die Armut zu überwinden: "In Simbabwe etwa haben wir kleine Mengen Saatgut verteilt, auf dessen Grundlage die Menschen weiteres Saatgut produzieren und auf den Markt bringen können."

Infografik Arbeit der Welthungerhilfe 2018 DE (Achtung Sperrfrist!)

App vermittelt Saatgut und Ausrüstung

In Afrika ist die Welthungerhilfe so engagiert wie in keinem anderen Kontinent sonst. In über 205 Projekten in 19 Ländern unterstützte sie insgesamt sechseinhalb Millionen Menschen. Das Gesamtvolumen der Hilfseinsätze: 126,1 Millionen Euro. Auch in Asien ist die Organisation stark engagiert. Dort ist sie in 14 Ländern tätig, vor allem aber in Pakistan, Indien und Bangladesch. Überall kommt es vor allem auf eines an, sagt Mathias Mogge: die Hilfe den Gegebenheiten vor Ort anzupassen.

"In Myanmar haben wir in Zusammenarbeit mit der Universität Wageningen in den Niederlanden eine App programmiert, die das Ziel hat, die Saatgut-Produktion anzukurbeln." Diese App informiere die Nutzer darüber, wo sie ihr Saatgut verkaufen könnten. Umgekehrt erführen diejenigen, die Saatgut bräuchten, wo und von wem sie es erwerben könnten. Um Wucher zu vermeiden, sei der Preis auf der App festgelegt. Eine andere App informiere die Nutzer darüber, welche Bauern wo Werkzeuge vermieten, die sie gerade nicht brauchen: "An die können sie sich dann wenden. In der App sind auch die entsprechenden Mietpreise festgelegt."

Auf der Grundlage des Prinzips, Hilfe zur Selbsthilfe zu leisten, hat die Welthungerhilfe im Jahr 2018 in 37 Ländern rund 10,5 Millionen Menschen unterstützt. Viele Menschen, heißt es im Jahresbericht, ernteten nun mehr und könnten sich dadurch besser ernähren. Sie hätten jetzt sauberes Trinkwasser oder Toiletten und seien deshalb seltener krank. Durch die Unterstützung könnten Menschen eigene Einkommen erwirtschaften oder eine Ausbildung beginnen.

DW Kommentarbild | Autor Kersten Knipp
Kersten Knipp Politikredakteur mit Schwerpunkt Naher Osten und Nordafrika