Rassismus auf dem Laufsteg
30. September 2007Tiguida ist bildschön. Ein Model eben. 1,79 Meter groß, 56 Kilo, ihre Maße: 83-63-91. Braune Mandelaugen und schwarzes Haar, einen herzförmigen Kussmund. Tiguida ist schwarz, die Eltern kommen aus Mali und Niger.
Bei den Pret-a-porter, die am 29. September in Paris beginnen, ist sie nicht dabei. Als Mannequin arbeitet sie kaum für Modeschauen. "In den Pariser Shows gibt es nicht zwei Schwarze, sondern nur eine, eine Schwarze oder ein Mischlingsmädchen. Keine zwei, nur eine einzige", sagt die 19-Jährige. "Paris ist Weltmodehauptstadt: für die Weißen."
"Keine Schwarze"
Tiguida macht Werbung für Cremes, Make-up und Frisuren – für Schwarze. Auch die Frauenmagazine nehmen kaum Schwarze, so ist Tiguidas Erfahrung. "Für Marie-Claire habe ich schon Castings gemacht, aber ich wurde nie genommen. Ein Mischlingsmädchen wurde genommen, aber keine Schwarze", sagt Tiguida. "In London und in Italien haben schwarze Models Arbeit. Das ist nur in Frankreich so. Das ist Rassismus."
Der Modeschöpfer Paco Rabane war es, der zum ersten Mal eine Schwarze auf den Laufsteg schickte. Das war 1964. Sie trug ein Hochzeitskleid aus weißem Plastik. "Das war damals ein schrecklicher Skandal", erinnert sich Rabane. "Die amerikanische Modejournalistinnen kamen nach der Show hinter die Kulissen und haben mir fast ins Gesicht gespuckt und gesagt, die Haute Couture sei für weiße Frauen reserviert und nichts für diese Mädchen da."
Vor den Modeschauen laufen die Telefone heiß in der berühmten Agentur Elite. Die Modemacher wählen die Models für ihre Kollektionen aus. Elite hat Naomi Campbell entdeckt - das berühmte schwarze Top-Model. Dennoch hat die Agentur auch heute nur zwei farbige Mannequins im Angebot, eine Jamaikanerin aus New York und ein französisches Mischlingsmädchen.
Träume von blond, groß und mager
"Es ist einfach nicht genügend Arbeit für mehr", sagt die Deutsche Sabine Killinger, Vizepräsidentin von Elite Paris. Das hänge aber nicht von uns Agenturen ab, die ja nur Lieferanten für die Modehäuser, für die Zeitschriften, Werbekunden, Kataloge seien.
Werbekampagnen würden schließlich für den Weltmarkt gemacht - und da müsse man die Models nehmen, die die ganze Welt ansprechen. "Ein schwarzes Model spricht in Asien nicht an, es gibt auch ethnische Geschichten, dass Araber und Schwarze sich sozusagen nicht besonders grün sind." Es gehe im Modebereich um Identifizierung. Und die Kundschaft könne eben eher von blond, groß und mager träumen "als wenn da jemand Schwarzes ist", sagt Killinger.
Im neuen Jahrtausend gründeten sich in Paris mehrere Agenturen, die sich auf schwarze Models spezialisierten. Doch die meisten machten schnell wieder dicht. "Mode Black" überlebte, weil die Firma gleichzeitig eine Kommunikationsagentur ist und nicht nur schwarze Models managt. In Europa können Schwarze nur in England oder in Italien vom Mannequinberuf leben, so die Auskunft von "Mode Black": In England dank der Communities und der ethnischen Werbung, in Italien, weil die Modemacher dort mehr Schwarze buchen.
Weg aus Frankreich
Für Tiguida heißt das Umziehen. "Ich habe beschlossen, ins Ausland zu gehen. Mitte Oktober geh ich nach Mali, dann auf das Festival der afrikanischen Mode nach Niger, dann nach Südafrika, und dann in die USA, weil es in Frankreich leider nicht genug Arbeit gibt für Schwarze."
Es ist dabei nur ein schaler Trost, dass es anderen in der Branche noch schlechter geht - für die maghrebinischen Models scheint die Lage noch mal schlimmer. "Ich habe eine arabische Freundin, sie hat nach drei Jahren beschlossen, wieder auf die Schule zu gehen, denn als Model findet sie keine Arbeit. Sie hat wirklich alles versucht", sagt Tiguida. "Im Ausland würde es gehen, aber ihre Familie will sie nicht weg lassen. Deshalb hört sie auf - sie kann in Frankreich nicht arbeiten."